Heft Oktober 2004

Rückwirkende Streichung des AZV-Tages

Die rückwirkende Streichung des sog. AZV-Tages für die Beamten des Landes NRW Anfang 2003 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 4. August 2004
- Az.: 6 A 1317/04 und 6 A 1459/04 -

Am 10. Januar 2003 hatte die Tarifrunde für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes u.a. zu dem Ergebnis geführt, dass die Arbeitszeitverkürzung um einen Tag pro Kalenderjahr ab 2003 wegfallen sollte. Auf Grund eines Erlasses des Innenministeriums vom 14. Januar 2003 wurden seither regelmäßig auch die Anträge der Beamten auf Bewilligung des AZV-Tages abgelehnt, obgleich die Arbeitszeitverordnung weiterhin in Kraft war. Deren Änderung beschloss die Landesregierung erst am 18. Februar 2003; die Bekanntmachung folgte am 7. März 2003. Die Änderungsverordnung sieht eine Rückwirkung auf den 14. Januar 2003 vor.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte dies auf die Klagen von zwei Beamten hin beanstandet und das Land zur Bewilligung des AZV-Tages verpflichtet, weil die Anträge der Beamten noch vor dem 18. Februar 2003 gestellt worden waren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klagen nunmehr in zweiter Instanz abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es nur um eine sog. unechte Rückwirkung gehe, die im Allgemeinen verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Anders zu beurteilen seien allerdings zwei weitere vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu Gunsten der Beamten entschiedene Fälle. Diese Beamten hatten eine Bewilligung noch nach der früheren Rechtslage erhalten und den AZV-Tag noch in der Zeit vor dem 18. Februar 2003 in Anspruch genommen. Die Änderungsverordnung sah insoweit eine nachträgliche Umwandlung in Erholungsurlaub bzw. Freizeitausgleich vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Landes insoweit zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Damit werde im Sinne einer echten Rückwirkung in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen. Das sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (Aktenzeichen: 6 A 304/04 und 6 A 619/04).

Straßenbaubeitrag für Hinterlieger-Grundstück

Bei einer tatsächlich hergestellten und zum Erreichen des Grundstücks notwendigen Zufahrt von der ausgebauten Straße zu einem bebauten Hinterliegergrundstück besteht regelmäßig eine die Straßenbaubeitragspflicht auslösende gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die dieser Annahme entgegenstehen.

OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 2004
- Az.: 15 B 747/04 -

Der Antragsteller wandte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid mit dem Argument, sein mit einem Wohnhaus bebautes Hinterliegergrundstück, das über eine bloß baulastgesicherte Zufahrt über ein Vorderliegergrundstück zur ausgebauten Straße verfügt, werde von dieser nicht erschlossen. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das bebaute Grundstück von der ausgebauten Straße erschlossen. Maßgeblich dafür ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW, ob die die Beitragserhebung rechtfertigende Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße für den Eigentümer des veranlagten Hinterliegergrundstücks auf Dauer gesichert ist, ob also die Inanspruchnahme der ausgebauten Straße hinsichtlich des Verkehrs zum und vom Grundstück nur noch vom Willen des Grundstückseigentümers abhängt.

Das beurteilt sich bei bebaubaren Hinterliegergrundstücken nach unterschiedlichen Maßstäben in Abhängigkeit davon, ob die Bebauung schon verwirklicht ist oder nicht. Während bei einem noch unbebauten Grundstück erst durch eine Zuwegungsdienstbarkeit auf dem Vorderliegergrundstück ein gesichertes Wegerecht gegenüber dem Vorderlieger geschaffen wird und darüber hinaus das Landesbaurecht für eine Bebauung eine öffentlich-rechtliche Sicherung der Zufahrt erfordert (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LBauO), reicht bei einem bebauten Grundstück schon die mit Rücksicht auf die Erschließung über ein Vorderliegergrundstück erteilte Baugenehmigung.

Erst recht reicht im vorliegenden Fall eines nicht unmittelbar an einer öffentlichen Straße liegenden bebauten Grundstücks die aus Anlass einer Grundstücksteilung zur öffentlich-rechtlichen Sicherung einer vorhandenen Zufahrt abgegebene Baulasterklärung, um eine auf Dauer gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch den Eigentümer des Hinterliegergrundstücks anzunehmen. Das ist bei einer mit Einverständnis des Eigentümers des Vorderliegergrundstücks tatsächlich hergestellten Zufahrt für ein auf diese Zufahrt angewiesenes Grundstück regelmäßig schon deshalb zu bejahen, weil in diesem Falle ein Notwegerecht besteht.

Bei einer tatsächlich hergestellten und zum Erreichen des Grundstücks notwendigen Zufahrt müssen also, um das Entstehen der Beitragspflicht trotzdem zu hindern, besondere Umstände vorliegen, die es als ernstlich möglich erscheinen lassen, dass das Grundstück wegen eines vom Eigentümer des Vorderliegergrundstücks erhobenen Unterlassungsverlangens die Verbindung zu der ausgebauten Straße verlieren und sein Eigentümer diese nicht mehr in Anspruch nehmen könnte. Dafür liegen hier nicht nur keine Anhaltspunkte vor, vielmehr spricht gerade die vorhandene Baulast gegen eine solche Möglichkeit.

Recht auf Akteneinsicht und verpflichtete Behörde

1. Anspruchsverpflichtete Behörde eines auf § 4 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) gestützten Anspruchs auf Einsicht in Behördenakten ist - nicht anders als bei dem vom Antragsteller angesprochenen Anspruch nach § 29 VwVfG NRW - die jeweils aktenführende Behörde, d.h. diejenige Behörde, die die rechtliche Verfügungsbefugnis über die ihr im Rahmen ihrer behördlichen Tätigkeit zugegangenen Informationen hat.

2. Hierbei verbleibt es auch, wenn die Behörde die Akten für einen vorübergehenden Zweck weitergegeben hat, etwa an Aufsichtsbehörden, Staatsanwaltschaften oder Gerichte zur dortigen Bearbeitung von Widerspruchs-, Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren.

OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2003
- Az.: 21 B 1375/03 -

Im Streit zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin (Bezirksregierung K.) um Einsicht nach § 4 Abs. 1 UIG in bei ihr befindliche Akten einer Stadt (Baugenehmigungsunterlagen für eine Paket-Umschlaghalle) erklärten die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Antragsteller anderweitig Akteneinsicht erhalten hatte. Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO war darüber zu befinden, gegen welche Behörde der Anspruch nach § 4 Abs. 1 UIG zu richten ist, der jedermann den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt gewährt, die bei einer Behörde vorhanden sind.

Anspruchsverpflichtete eines auf § 4 Abs. 1 UIG gestützten Anspruchs auf Einsicht in Behördenakten ist - nicht anders als bei dem vom Antragsteller angesprochenen Anspruch nach § 29 VwVfG NRW - die jeweils aktenführende Behörde, d.h. diejenige Behörde, die die rechtliche Verfügungsbefugnis über die ihr im Rahmen ihrer behördlichen Tätigkeit zugegangenen Informationen hat.

Hierbei bleibt es auch, wenn die Behörde die Akten für einen vorübergehenden Zweck weitergibt, etwa an Aufsichtsbehörden, Gerichte oder Staatsanwaltschaften, um Widerspruchsverfahren, Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren zu bearbeiten.

Allein die aktenführende Behörde ist nämlich regelmäßig wegen ihrer Kenntnis der Akten und der jeweiligen Zusammenhänge in der Lage, ohne unvertretbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwand das Bestehen von einem Informationsanspruch entgegenstehenden Ausschlussgründen nach §§ 7 und 8 UIG zu beurteilen. Dieser Aspekt spricht zwingend dagegen, zusätzlich eine Behörde als anspruchsverpflichtet anzusehen, bei der sich die Akten vorübergehend befinden.

Dass die demgegenüber vom Antragsteller vertretene Auffassung, er könne - und müsse - sich allein an diejenige Behörde wenden, bei der sich die fraglichen Akten und Informationen derzeit - zufällig - befinden, nicht richtig sein kann, zeigt bereits die Überlegung, dass sich die angegangene Behörde bei dieser Auslegung des "Vorhandenseins" von Akten dem geltend gemachten Anspruch unschwer dadurch entziehen könnte, dass sie die Akten - vor (dann ablehnender) Entscheidung - an eine andere Behörde abgibt. Dass ein derartiger "Wettlauf" zwischen Akten und Akteneinsichtsantrag schwerlich sinnvoll ist, belegt auch der Ablauf im vorliegenden Verfahren. Auch die vom Antragsteller gehegten Bedenken, die aktenführende Behörde könne "rein tatsächlich die Akteneinsicht gar nicht gewähren", greifen nicht durch. Diese Behörde ist gegebenenfalls gehalten, "ihre" Akten zur Erfüllung des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen kurzzeitig zurückzufordern - solche vorübergehenden Aktenrückforderungen aus den unterschiedlichsten Gründen sind nach eigener Kenntnis des Gerichts in der Praxis an der Tagesordnung.

Hinsichtlich der hier im Streit befindlichen Baugenehmigungsunterlagen für die Paket-Umschlaghalle, auf die sich das Akteneinsichtsbegehren des Antragstellers nach Aktenlage ausschließlich bezieht, ist aktenführende Behörde und damit - allein - Anspruchsverpflichteter nach § 4 Abs. 1 UIG der Oberbürgermeister der Stadt, nicht hingegen die Antragsgegnerin, gegen die der Antragsteller - trotz Hinweises des Verwaltungsgerichts - sein Rechtsschutzbegehren allein gerichtet hat.

© StGB NRW 2004

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