Heft November 2022

Kommunale Wettbürosteuer

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in drei Verfahren entschieden, dass die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer unzulässig ist.

BVerwG, Urteile vom 20. September 2022
- Az.: 9 C 2.22, 9 C 3.22, 9 C 4.22 -

Geklagt hatten jeweils Unternehmen, die auf dem Gebiet der Stadt Dortmund Wettbüros betrieben. Die Klägerinnen vermittelten die in den Wettbüros angebotenen Renn- und Sportwetten, eine Klägerin veranstaltete auch selbst Pferdewetten als Buchmacherin. Die beklagte Stadt Dortmund erhebt seit dem Jahr 2014 eine kommunale Wettbürosteuer als örtliche Aufwandsteuer. Besteuert wird der Aufwand für die Teilnahme an Pferde- und Sportwetten in Wettbüros, bei denen es sich nach der Steuersatzung um Einrichtungen handelt, die wie im Fall der Klägerinnen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse an Monitoren ermöglichen. Dabei soll die vom Betreiber des Wettbüros geschuldete Steuer auf die Wettkunden abgewälzt werden.

Das BVerwG hatte im Jahr 2017 zur Wettbürosteuersatzung der Stadt Dortmund entschieden, dass eine Wettbürosteuer jedenfalls nicht nach der Fläche des Wettbüros bemessen werden darf. Daraufhin änderte die Stadt rückwirkend ihre Satzung und legte nunmehr den Brutto-Wetteinsatz als Steuermaßstab fest; der Steuersatz beträgt drei Prozent. Die Klagen gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Steuerbescheide wiesen die Vorinstanzen ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ jedoch jeweils die Revision zur Klärung der Frage zu, ob die Erhebung einer Wettbürosteuer nach der Satzungsänderung wegen Gleichartigkeit zu bundesrechtlich geregelten Steuern im Rennwett- und Lotteriegesetz gesperrt ist. Diese betragen jeweils fünf Prozent des Wetteinsatzes.

Das BVerwG hat die Revisionsverfahren im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit einer kommunalen Übernachtungssteuer zunächst ausgesetzt. Auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 (1 BvR 2868/15 u.a.; dazu „Gericht in Kürze“ in StGR 7-8/2022) ist das BVerwG nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erhebung einer (zusätzlichen) kommunalen Wettbürosteuer nicht zulässig ist, weil sie den bundesrechtlich im Rennwett- und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwetten- und Sportwettensteuer) gleichartig sei. Bei diesen Steuern handele es sich um spezielle Bundessteuern, die die Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer für denselben Gegenstand ausschließen.

 

Bekanntgabefiktion

Ein Gericht darf Zweifel am Zugang eines mit einfacher Post an eine Behörde gesandten Bescheides verneinen, wenn diese den Zugang zwar bestreitet, ihre lückenlose Dokumentation des Posteingangs für den fraglichen Zeitraum aber nicht offenlegt und die zu Beginn des Verwaltungsprozesses noch verfügbare Dokumentation nicht aufbewahrt.

BVerwG, Urteil vom 21. September 2022
- Az.:
8 C 12.21 -

Die Klägerin, eine amtsangehörige Gemeinde, klagte gegen einen subventionsrechtlichen Zinsbescheid eines Ministeriums. Der Bescheid wurde mit einfacher Post an sie und nicht an den Bevollmächtigten gesandt, der sich im Verwaltungsverfahren - ohne Vorlage einer Vollmacht - für sie bestellt hatte. Nach der Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz gilt ein als einfacher Brief versandter Bescheid als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekanntgegeben. Erst mehr als einen Monat später hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, sie habe keinen Bescheid erhalten. Im Berufungsverfahren hat sie auf Nachfrage vorgetragen, sie habe im fraglichen Zeitraum ein Posteingangsbuch geführt; es sei heute nicht mehr vorhanden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Vortrag der Klägerin angesichts dieser Umstände keine Zweifel am Zugang des Bescheides begründen könne.

Das BVerwG hat die Revision zurückgewiesen. Nach den Vorschriften über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten habe das Ministerium den Bescheid unmittelbar an die Klägerin senden dürfen und das Berufungsgericht habe aufgrund ihres Vortrags nicht am Zugang des Bescheides zweifeln müssen. Zwar genüge regelmäßig einfaches Bestreiten des Zugangs, Zweifel zu begründen, weil der Adressat typischerweise keine genaueren Umstände darlegen kann, die gegen einen Zugang sprechen. Bei behördlichen Adressaten, die eine Posteingangsdokumentation führen, sei dies jedoch anders. Sie könnten beispielsweise darlegen, dass dort für den möglichen Zugangszeitraum kein entsprechender Eingang verzeichnet ist. Solche Adressaten treffe außerdem ab Prozessbeginn eine verfahrensrechtliche Obliegenheit, die Dokumentation bis zum Abschluss des Verfahrens zu Beweiszwecken aufzubewahren. Gehe die Dokumentation in dieser Zeit aus Gründen verloren, die sie zu vertreten haben, führe dies nicht dazu, dass nun wieder schlichtes Bestreiten des Zugangs genüge. Von einem solchen von der Klägerin zu vertretenden Verlust sei das Oberverwaltungsgericht hier revisionsrechtlich fehlerfrei ausgegangen.

 

Verpackungssteuer

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat die Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen vom 30. Januar 2020 für unwirksam erklärt.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2022
- Az.:
2 S 3814/20 –

Seit Januar 2022 galt in Tübingen eine Steuer auf Einwegverpackungen. Ziel war, Einnahmen zum städtischen Haushalt zu generieren sowie die zunehmende „Vermüllung“ des Stadtbilds durch die im öffentlichen Raum entsorgten „To Go“-Verpackungen zu verringern und einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Für jede Einweggetränkeverpackung, jedes Einweggeschirrteil und jede sonstige Einweglebensmittelverpackung waren 50 Cent fällig sowie 20 Cent für jedes Einwegbesteck-Set. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit war auf maximal 1,50 Euro begrenzt. Zur Entrichtung der Steuer waren die Endverkäufer verpflichtet, die in den Einwegverpackungen Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder zum Mitnehmen ausgeben. Die Verpackungssteuer, die den Verbrauch der Einwegverpackungen besteuert, wurde zwar vom Endverkäufer erhoben, war aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt und sollte diesen veranlassen, auf Einwegverpackungen zu verzichten bzw. Waren in Mehrwegbehältnissen nachzufragen.

Die Franchise-Nehmerin des McDonald's-Schnellrestaurants in Tübingen hat gegen die Verpackungssteuersatzung nach baden-württembergischen Landesrecht Normenkontrollklage erhoben mit dem Ziel, die Satzung für unwirksam erklären zu lassen. Sie beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998, nach dem die von der Stadt Kassel 1991 eingeführte Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen gegen das damals geltende Abfallrecht des Bundes verstieß. Auch inhaltlich verletze die Verpackungssteuer ihre Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. Eine Weitergabe der Steuer an die Kunden sei nicht möglich, da diese entsprechende Preissteigerungen nicht akzeptieren und beispielsweise in ein McDonald's-Restaurant eines anderen Franchise-Nehmers in das benachbarte Reutlingen ausweichen würden.

Der VGH gab dem Ansinnen der Klägerin statt. Tübingen fehle bereits die Kompetenz zur Einführung der Verpackungssteuer, da es sich nicht um eine örtliche Steuer handele. Die Steuer sei nach ihrem Tatbestand nicht auf Verpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle begrenzt (wie die Kasseler Verpackungssteuer), sondern erfasse auch den Verkauf der Produkte zum Mitnehmen. Damit sei normativ der örtliche Bezug der Steuer - den die Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2 a GG voraussetze - nicht ausreichend sichergestellt und es sei nicht gewährleistet, dass der belastete Konsum und damit der Verbrauch der Verpackung vor Ort im Gemeindegebiet stattfänden. Bei Produkten zum Mitnehmen sei im Hinblick auf ihre Transportfähigkeit - auch über größere Strecken - ein Verbleiben im Gemeindegebiet nicht gewährleistet. Die abweichende Auffassung der Stadt Tübingen würde das Tor zur Einführung aller möglichen Verbrauchsteuern durch die Gemeinden eröffnen. Dies sei durch das Grundgesetz aber ausgeschlossen. Denn Verbrauchsteuern seien Produktionskosten der Wirtschaft, die in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet eine einheitliche Steuergesetzgebung notwendig machen.

Die Verpackungssteuer stehe zudem in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer in Widerspruch zum aktuellen Abfallrecht des Bundes. Der Bundesgesetzgeber habe detaillierte Regelungen zur Vermeidung und Verwertung der gesamten Palette an Verpackungsabfällen und damit auch der Einwegverpackungen, die Gegenstand der Tübinger Verpackungssteuer seien, getroffen. Er habe damit darüber entschieden, mit welchen rechtlichen Instrumenten die Ziele der Abfallvermeidung und Abfallverwertung verwirklicht werden sollten, und damit gleichzeitig insbesondere auch darüber, in welchem Umfang die Ziele der Abfallvermeidung und Abfallverwertung verfolgt werden sollten. Danach handele es sich beim Verpackungsgesetz um ein geschlossenes System, das Zusatzregelungen durch den kommunalen Gesetzgeber ausschließe. Auch der Vorrang der Abfallvermeidung begründe für die Kommunen nicht die Zuständigkeit, die abfallwirtschaftliche Zielsetzung der Abfallvermeidung eigenständig „voranzutreiben“. Auch wenn das Ziel einer Reduzierung des Verpackungsaufkommens auf Grundlage der bisherigen Regelungen im Verpackungsgesetz nicht (ausreichend) erreicht worden sein sollte, sei es Sache des Bundesgesetzgebers, für Abhilfe zu sorgen und das Regelungssystem des Verpackungsgesetzes fortzuentwickeln. Etwaige Versäumnisse des Bundesgesetzgebers berechtigten die Kommunen nicht dazu, dessen Entscheidungen in eigener Zuständigkeit zu „verbessern“.

Schließlich sei auch der Begriff der „Einzelmahlzeit“, für die eine Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro gelte, nicht ausreichend vollzugsfähig und verstoße damit gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Satzungsbestimmung sei auf Ineffizienz angelegt, da der steuerpflichtige Endverkäufer zur Bestimmung der Obergrenze der Besteuerung allein auf die freiwilligen Angaben des Konsumenten abstellen könne. Bei größeren Sammelbestellungen spreche bei lebensnaher Betrachtung alles für ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Gefahr wahrheitswidriger Erklärungen der Konsumenten. Wegen der enormen Höhe der Besteuerung und des damit verbundenen starken Preisanstiegs für Speisen und Getränke liege die Gefahr wahrheitswidriger Erklärungen der Konsumenten auf der Hand.

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