Heft Juni 2023

Wirksamkeit eines 30-jährigen gemeindlichen Wiederkaufsrechts in einem städtebaulichen Vertrag

Laut BGH verstößt eine Gemeinde nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn sie sich bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis ein Wiederkaufsrecht für den Fall vorbehält, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut. Dies gilt selbst dann, wenn eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2022
- Az.: V ZR 144/21 -

Der Beklagte kaufte von der Klägerin, einer Marktgemeinde in Bayern, mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 1994 ein Grundstück zu einem marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung der Klägerin in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin auf Verlangen kosten- und lastenfrei zurückzuübertragen gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises, sonstiger gemäß der Vertragsurkunde bezahlter Beträge und nachweisbarer Kosten für die zwischenzeitlich erfolgten Erschließungsmaßnahmen. Zinsen sollten von der Klägerin nicht zu entrichten sein. Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Im Jahr 2014 teilte ihm die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssten die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs dürfe die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen und die vertragliche Übernahme von Pflichten dürfe auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner führen. Nach diesem Maßstab stelle sich das Wiederkaufsrecht der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Ausübungsfrist von 30 Jahren nicht als unangemessen dar. Bauverpflichtungen wie die vorliegende dienten dem anerkennenswerten städtebaulichen Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen bzw. zu fördern und Grundstücksspekulationsgeschäfte zu verhindern. Es sei daher für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebauungsverpflichtung verkaufe und diese Verpflichtung durch ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichere.

Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setze auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grundstück unterhalb des Verkehrswertes verkauft werde, zumal Gemeinden unter beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Grundstücke grundsätzlich nicht unter dem Verkehrswert veräußern dürften. Die Pflicht, das Grundstück den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß zu bebauen, stelle für den Erwerber eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar. Denn üblicherweise werde er ohnehin beabsichtigen, das Grundstück zu bebauen, und müsse hierbei die Vorgaben des Bebauungsplans einhalten. Die hier vereinbarte Bebauungsfrist von acht Jahren sei auch nicht unangemessen kurz.

Ebenso wenig führe der vereinbarte Wiederkaufspreis zur Unangemessenheit der Regelung. Im Grundsatz sei es nicht unbillig, den Verkaufspreis als Wiederkaufspreis zu vereinbaren, da dies der gesetzlichen Zweifelsregelung entspreche. Dass der ursprüngliche Kaufpreis nicht zu verzinsen sei, entspreche dem Umstand, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet sei, gezogene Nutzungen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben.

Schließlich sei die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts auch nicht deshalb unangemessen, weil keine Regelung über die Frist zur Ausübung getroffen wurde und damit die gesetzliche Frist von 30 Jahren gelte. Denn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen seien im Rahmen von § 11 Abs. 2 BauGB wertungsmäßig zu berücksichtigen. Die Länge der gesetzlichen Frist stelle sich auch nicht einseitig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar. Denn sie ermögliche es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, etwa indem sie einem unverschuldet in wirtschaftliche Not geratenen Käufer die Frist für die Erfüllung der Bebauungsverpflichtung verlängere. Bei einer kürzeren Ausübungsfrist wäre die Gemeinde hingegen gezwungen, ihr Recht sofort oder zumindest zeitnah auszuüben, um es nicht zu verlieren. Alternativ müsste sie von vornherein eine kürzere Frist für die Bebauungsverpflichtung vorsehen, um nach deren Ablauf ausreichend Zeit für die Prüfung des weiteren Vorgehens zu haben. Beide Varianten wären von Nachteil für die jeweiligen Käufer.

Anders als das Berufungsgericht meint, lasse sich die Unangemessenheit der in Rede stehenden Regelung nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu Ausübungsfristen für den Wiederkauf beim „Einheimischenmodell“ ableiten. Durch dieses solle in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden. Dies sei nur zulässig, wenn sichergestellt werde, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzten und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielten, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußerten oder den Grundbesitz an Dritte vermieteten. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Bindungen begründen, schafften mithin erst die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands. Da die Bindung des Käufers beim Einheimischenmodell der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks sei, hänge die zulässige Bindungsdauer von dem Umfang der Verbilligung ab.

Die vorliegend zu beurteilende Regelung unterscheide sich grundlegend von einem Grundstücksverkauf im Einheimischenmodell. Dem Beklagten werde keine langfristige Bindung auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen wäre. Er sei einzig verpflichtet, das Grundstück innerhalb von acht Jahren mit einem dem Bebauungsplan entsprechenden Wohngebäude zu bebauen. Hätte er diese Verpflichtung erfüllt, wäre das Wiederkaufsrecht der Klägerin erloschen bzw. nicht entstanden. Bei der Bebauungsfrist habe es sich auch nicht um eine Mindestfrist gehandelt, der Beklagte sei also auch nicht für einen Zeitraum von acht Jahren gebunden gewesen. Er hätte das Grundstück vielmehr sofort nach Abschluss des Kaufvertrages und Erteilung einer Baugenehmigung bebauen und das Wiederkaufsrecht damit zum Erlöschen bringen können. Auch habe er, anders als regelmäßig beim Einheimischenmodell, über das Grundstück nach dessen Bebauung frei verfügen können.

Die Regelung über das Wiederkaufsrecht der Klägerin verstoße auch nicht deshalb gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung, weil sie keine Ausnahmen für Härtefälle vorsehe. Eine Gemeinde sei auch bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliege. Die Klägerin hätte daher im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen gehabt, ob die Ausübung des Wiederkaufsrechts im Interesse der Sicherung des mit ihm verfolgten Zwecks geboten gewesen sei oder eine vermeidbare Härte dargestellt habe. Umstände, die die Klägerin dazu veranlassen mussten, von der Ausübung des Wiederkaufsrechts abzusehen, seien vorliegend nicht festzustellen und auch nicht ersichtlich. Der schlichte Zeitablauf seit dem Verstreichen der Bebauungsfrist reiche hierfür schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte auch nach Fristablauf nicht gebaut habe.

Der Bundesgerichtshof konnte gleichwohl nicht in der Sache selbst entscheiden, denn das Berufungsgericht habe, aus seiner Sicht folgerichtig, bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Geschäftsleiter der Klägerin, der die Ausübung des Wiederkaufsrechts erklärt hatte, zur Abgabe der Erklärung befugt war. Die Wirksamkeit der Erklärung ließ sich daher im Revisionsverfahren nicht abschließend beurteilen.

 

Berufungszulassung der Stadt Erkrath in Förderverfahren

Die Stadt Erkrath war mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung beim nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG NRW) erfolgreich, das sich aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nun mit der Rücknahme eines Zuwendungsbescheids durch die Förderstelle auseinandersetzt.

OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2023
- Az.: 4 A 2549/20 -

Vorangegangen war dem Verfahren ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, das die Rücknahme für zulässig hielt.

Das OVG hingegen war der Meinung, die Berufung sei wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zuwendungsbescheid aus April 2016 sei rechtswidrig, habe die Klägerin hinreichend in Frage gestellt.

Für die Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer Zuwendung sei entscheidend, wie die zuständige Behörde die maßgebliche Förderrichtlinie im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids in ständiger Praxis gehandhabt habe und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sei. Für Kommunen gelte dies aufgrund des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots entsprechend.

Dabei sei die Verwaltungsvorschrift nicht wie eine Rechtsnorm aus sich heraus, sondern gemäß der von ihrem Urheber gebilligten bzw. geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung seien Förderrichtlinien keine Rechtssätze. Sie seien dazu bestimmt, Maßstäbe für die Verteilung der Fördermittel zu setzen, und sollten auf diese Weise die Ausübung des Ermessens durch die Bewilligungsbehörden steuern. Deshalb bewirkten sie zunächst nur eine interne rechtliche Bindung des Verwaltungsermessens. Der bloße Verstoß gegen eine derartige Verwaltungsvorschrift mache eine Ermessensausübung daher nicht rechtswidrig; umgekehrt mache die bloße Beachtung eine Ermessensausübung noch nicht rechtmäßig.

In ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger sei die Bewilligungsbehörde - abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns - nur durch den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien halte, sei sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigten oder gar geböten. Weiche sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlören diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung. Ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar sei, beurteile sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis.

Vor diesem Hintergrund stelle sich der Rücknahmebescheid wohl bereits deshalb als rechtswidrig dar, weil viel dafürspreche, dass der zurückgenommene Zuwendungsbescheid nicht rechtswidrig ergangen sei.

Das Ergebnis des Berufungsverfahrens steht derzeit noch aus.

 

Verurteilung eines ehemaligen Bürgermeisters wegen Untreue und Bestechlichkeit

Nach Verurteilung eines ehemaligen rheinland-pfälzischen Bürgermeisters durch das Landgericht Mainz wegen Bestechlichkeit in vier Fällen sowie Untreue in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision des Angeklagten verworfen, da die durch das Rechtsmittel veranlasste Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 
- Az.: 3 StR 167/22 -

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schloss der Angeklagte als Bürgermeister der Stadt Oppenheim im Herbst 2013 im Zusammenhang mit der Entwicklung und Bebauung des Baugebiets Krämereck-Süd mit der GAJ GmbH, deren faktischer Geschäftsführer ein früherer Mitangeklagter war, einen Maklervertrag. Hintergrund war, dass zur Sanierung des desolaten Haushalts der Stadt Oppenheim verschiedene Grundstücke durch die Stadt vor dem Umlegungsverfahren angekauft und nach Erschließung gewinnbringend verkauft werden sollten.

Die nach der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz erforderliche Schriftform wurde nicht eingehalten, zudem wurde der an sich zuständige Stadtrat nicht einbezogen. Der Angeklagte wollte insgesamt eine Einbindung des Stadtrates, der dem Abschluss eines Maklervertrages mangels Erforderlichkeit nicht zugestimmt hätte, umgehen und ging davon aus, zukünftige Rechnungen der GAJ GmbH auch ohne entsprechende Grundlage bei der Verbandsgemeinde allein durch Anweisung zur Auszahlung bringen zu können. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Maklervertrages vereinbarten der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte zudem, dass im Gegenzug ca. zehn Prozent der Provision von der GAJ GmbH bzw. dem früheren Mitangeklagten an einen Partei-Ortsverband fließen sollten.

Insgesamt wurden in der Folgezeit mehrere Grundstücke unter Mitwirkung des früheren Mitangeklagten durch die Stadt Oppenheim angekauft. Diese bildeten die Grundlage für Provisionsrechnungen der GAJ GmbH, die auf Anweisung des Angeklagten in Höhe von insgesamt 172.249,94 Euro zum Nachteil der Stadt Oppenheim an die GAJ GmbH ausgezahlt wurden.

Entsprechend der zwischen dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten getroffenen Abrede leistete dieser in den Jahren 2014 und 2015 Spenden in Höhe von insgesamt 17.600 Euro an den Partei-Ortsverband. Der Angeklagte und die Stadt sowie Mitarbeitende der Verbandsgemeinde, der die Stadt Oppenheim angehört, hätten den Ankauf der Grundstücke ohne Weiteres selbst organisieren können.

Das Urteil ist mit der Entscheidung des Senats rechtskräftig.

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