OVG-Gebührenurteil: Kommunen überprüfen ihre Kalkulation

Hauptgeschäftsführer Christof Sommer zur dpa über die Folgen des OVG-Urteils

StGB NRW-Statement
Düsseldorf, 12.06.2022

Das OVG NRW hat mit seinem Urteil vom 17. Mai (Az.: 9 A 1019/20) die seit 1994 geltende Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwassergebühren aufgegeben und geändert. Auf die Städte und Gemeinden kommt damit viel Arbeit zu. Dazu sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer der dpa:

"Nach dem Urteil des OVG NRW zur Berechnung von Abwassergebühren müssen viele Kommunen ihre Gebührenkalkulation überprüfen und anpassen. Das OVG hat seine seit 1994 geltende Rechtsprechung teilweise aufgegeben und geändert. Das Gebührenrecht wird dadurch nicht einfacher: Das Urteil verlangt, dass bei einer grundsätzlich zulässigen Abschreibung von langlebigen Anlagegütern nach dem sogenannten Wiederbeschaffungszeitwert eine zugleich erfolgende kalkulatorische Verzinsung des in der Anlage gebundenen Kapitals nicht zu einem doppelten Inflationsausgleich führen darf.

Für die Kämmerer und Wirtschaftsbetriebe bringen die Änderungen einen Berg Arbeit mit sich. Sie müssen prüfen, ob sie durch das Urteil betroffen sind und wie die Kalkulation an die vielschichtigen und neuen Vorgaben des Gerichts angepasst werden kann. Das dürfte in etlichen Fällen kompliziert werden. Die laufende Finanzierung eines über Jahrzehnte gewachsenen Entwässerungssystems setzt sich nicht selten aus mehreren Komponenten mit unterschiedlichen Zinssätzen zusammen. Werden öffentliche Abwasserkanäle über Fremdkapital, zum Beispiel einen Bankkredit finanziert, so müssen dafür auch Kreditzinsen bezahlt werden. Die Kommunen müssen jetzt klären, mit welcher Methode den neuen Vorgaben des OVG NRW Rechnung getragen werden kann. Es wird noch viele Wochen brauchen, bis die Änderungen in der kommunalen Praxis umgesetzt sind.

Die Finanzierung von Betrieb und Erhalt eines öffentlichen Kanalnetzes ist komplex. Sie arbeitet typischerweise mit einem Refinanzierungszeitraum von mindestens 50 Jahren. Dabei müssen auch Kostensteigerungen und die Zinsentwicklungen weitsichtig mit eingeplant werden. Die Kommunen haben sich immer an der geltenden Rechtsprechung des OVG NRW orientiert, die über fast drei Jahrzehnte Gültigkeit hatte. Das heißt, dass auch die Gebührenbescheide im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung erlassen wurden. Selbstverständlich werden die Kommunen sich auch in Zukunft an Recht und Gesetz halten und ihre Kalkulation nun anpassen."

Hintergrund

Das Kommunalabgabengesetz NRW (KAG NRW) knüpft an den betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff an. Langlebige Anlagegüter - wie zum Beispiel öffentliche Abwasserkanäle- sind auf der Grundlage einer mutmaßlichen Nutzungsdauer (bei öffentlichen Abwasserkanälen mindestens: 50 Jahre) abzuschreiben und über die Abwassergebühren zu refinanzieren. Vereinfacht dargestellt bedeutet dieses: Kostet ein öffentlicher Kanal 100 €, so dauert es 50 Jahre, bis der öffentliche Kanal refinanziert ist, weil die Kommune jedes Jahr nur 2 € über die Abwassergebühren refinanzieren kann.

Das OVG NRW hat mit dem Urteil vom 17.05.2022 bestätigt, dass die kalkulatorische Abschreibung nach dem sogenannten Wiederbeschaffungszeitwert auch weiterhin zulässig und rechtmäßig ist. Das Gericht verweist zur Begründung darauf, dass in der Betriebswirtschaftslehre nach wie vor mit erheblichem Gewicht die Ansicht vertreten wird, dass eine Abschreibung auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwertes betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Ein Anlagegut ist bei der Wiederbeschaffung regelmäßig teurer. Diese Mehrkosten berücksichtigt eine kalkulatorische Abschreibung.

Unzulässig ist nach dem OVG NRW aber, bei der kalkulatorischen Verzinsung einen doppelten Inflationsausgleich vorzunehmen, weil bei einer kalkulatorischen Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert die Inflation bereits berücksichtigt wird.

Gleichzeitig hat das OVG NRW seine Rechtsprechung aufgegeben, dass ein durchschnittlicher Zinssatz für einen Zeitraum von 50 Jahren berechnet werden kann. Das OVG NRW akzeptiert mit seinem Urteil vom 17. Mai nur noch die Berechnung eines Durchschnittszinssatzes über einen Zeitraum von zehn Jahren. Angemessen ist – so das OVG NRW - nur noch eine einheitliche Verzinsung bezogen auf den zehnjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für fest verzinsliche Wertpapiere inländischer, öffentlicher Emittenten, und zwar bezogen auf das Vorvorjahr des Gebühren-Veranlagungsjahres. Diese neue Berechnungsmethode berücksichtigt somit nicht mehr, dass die Zinsen in den 90er Jahren sehr hoch waren und ein öffentlicher Kanal, der beispielsweise im Jahr 1980 gebaut worden ist, bei einer 50-jährigen Abschreibungsdauer erst im Jahr 2030 über die Abwassergebühren refinanziert sein wird.

zum Bericht der dpa

 

 

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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