Kreisangehörige Städte und Gemeinden werden benachteiligt

Gutachten bestätigt Klage von 188 Kommunen gegen den Finanzausgleich des Landes

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 18.04.1997

188 kreisangehörige Städte und Gemeinden haben vor dem Verfassungsgerichtshofs des Landes Verfassungsbeschwerde gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 1996 erhoben. Sie wenden sich gegen den Beschluß des Landtages, den kommunalen Finanzausgleich - dieser regelt die Zahlungen des Landes an die Gemeinden und Gemeindeverbände - ab 1996 in drei Schritten zu Lasten der kreisangehörigen Kommunen umzugestalten. Allein bis 1998, dem Abschluß der Reform, verlieren die kreisangehörigen Städte und Gemeinden rund 670 Mio DM. Danach werden jedes Jahr 278 Mio DM in die kreisfreien Städte umgelenkt. "Damit trägt das Land dazu bei, daß vielen kreisangehörigen Städten und Gemeinden der finanzielle Ruin droht. Einen Aderlaß in Milliardenhöhe können sie nicht verkraften", erklärte heute der Präsident des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes, Bürgermeister Reinhard Wilmbusse. Daß die Einwendungen des Städte- und Gemeindebundes und der klageführenden Mitgliedsgemeinden berechtigt sind, zeigt das Gutachten der Finanzwissenschaftler Martin Junkernheinrich und Gerhard Micosatt (Bochum). "Wir fühlen uns in unserer Kritik und unserem Vorgehen vollauf bestätigt", so Wilmbusse.
 
Hintergrund des Streits ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen, in dem vor allem gegen die Bemessung der Steuerkraft im Rahmen des Finanzausgleichs verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden. Auf der Grundlage eines Gutachtens des Münchner ifo-Instituts hat der Landtag eine Umgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs beschlossen.
 
Das im Auftrag des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes angefertigte Gutachten von Junkernheinrich und Micosatt zeigt nach den Worten Wilmbusses eindrucksvoll und in aller Schärfe, daß sich ein überproportionaler Anstieg des Finanzbedarfs aufgrund höherer Bevölkerungsdichte weder empirisch nachweisen noch finanzwissenschaftlich begründen läßt. Auch werde deutlich, daß die Landesregierung die Anmerkungen des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs zur Bemessung der Steuerkraft mißinterpretiert und zugunsten der kreisfreien Städte ausgelegt hat. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß die vom Landtag beschlossene Reform in ihren wesentlichen Elementen nicht sachgerecht und finanzwissenschaftlich nicht begründbar sei. Dies haben auch die vor Gericht klagenden Gemeinden geltend gemacht.
 
Im einzelnen ist folgendes festzustellen:

Grundbedarf

Das Gutachten erhebt gravierende methodische Bedenken und verfahrenstechnische Einwendungen gegen die sogenannte Einwohnerveredelung. Dies bedeutet, daß größeren Städten für jeden Einwohner ein höherer Finanzbedarf zugestanden wird. Die zuletzt 1996 veränderte "Veredelung" des Einwohners wirkt sich in Nordrhen-Westfalen zum Nachteil aller Städte und Gemeinden mit weniger als 162.000 Einwohnern aus und führt zu einer Umverteilung von rund 1,2 Mrd DM. Für die Gutachter liegt darin ein Verstoß gegen das Gebot der Sachgerechtigkeit, der nicht mehr durch den Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt wird. Wer aus den Ist-Ausgaben unkritisch auf den Finanzbedarf der Gemeinden rückschließt, unterliegt einem Zirkelschluß, da man jenen Gemeinden, die in der Vergangenheit hohe Schlüsselzuweisungen erhalten haben, auch künftig einen hohen Finanzbedarf zuerkennt. Eine pauschale "Einwohnerveredelung" - die Annahme, daß der Finanzbedarf einer Gemeinde mit zunehmender Einwohnerzahl automatisch steigt, - ist weder sachgerecht noch empirisch nachweisbar. Es fehlt eine Diskussion, welche Aufgaben und. Ausgaben im Finanzausgleich überhaupt berücksichtigt werden sollen. In der vom Land zugrundegelegten Berechnung wird ferner nicht gefragt, wie der Bedarf der Gemeinde zustandegekommen ist -, ob es sich um Pflichtaufgaben oder freiwillige Aufgaben, um unabweisbare oder abweisbare Ausgaben handelt. Eine Qualifizierung des Bedarfs anhand eines Aufgabenkatalogs wird somit völlig ausgeklammert. Nach Auffassung der Gutachter sind alle Einwohner gleich zu behandeln.
 
Sonderbedarf

Ein höherer Finanzbedarf der großen Städte ist über spezielle Sonderansätze zu erfassen. Hierfür kommen lediglich die Aufgabenfelder Soziales, Kultur, Feuerschutz und Schüler in Betracht. Bemerkenswert ist, daß damit gerade der Sonderbedarf berücksichtigt wird, den auch die Großstädte immer wieder als relevant hervorheben. Diese Art des Ausgleichs für besondere Lasten führt zu geringeren Umverteilungseffekten als die vom Land gewählte Methode.
 
Bestimmung der Steuerkraft

Die Gutachter wenden sich gegen die Festlegung einheitlicher Hebesätze zur Bestimmung der Steuerkraft einzelner Gemeinden. Sie weisen nach, daß ein solches Verfahren auch vom Verfassungsgerichtshof nicht zwingend vorgeschrieben wurde. Das Gericht hat gegen eine Differenzierung keine Bedenken, wenn sich nach eingehender Prüfung ergibt, daß in den größeren Gemeinden günstigere Voraussetzungen für die Festsetzung höherer Hebesätze bestehen.Nach Auffassung der Gutachter sind die Standortbedingungen der Gemeinden sehr verschieden. Je nach Lage, Infrastruktur und Finanzkraft können Städte unterschiedlich hohe Gewerbesteuer erheben. Daher ist es nicht sachgerecht, alle Gemeinden gleich zu behandeln. Die Gutachter sprechen sich dafür aus, die Hebesätze zur Bestimmung der Steuerkraft nach Ballungsgebiet, Umland und ländlichem Bereich zu differenzieren.

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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