Haushalte im Krisenmodus

Ergebnisse der Haushaltsumfrage unter NRW-Kommunen: hohe Corona-Schäden und strukturelle Schieflage

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 28.04.2022

Die Kommunen in NRW müssen sich auf weiter schrumpfende Handlungsspielräume einstellen. Die Ergebnisse einer Umfrage unter den 361 Mitgliedskommunen des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen (StGB NRW) zeigen, wie angespannt die Haushaltssituation der Kommunen ist. „Die Auswirkungen der Pandemie sind in den Haushalten noch deutlich zu spüren“, sagte Jürgen Frantzen, Vorsitzender des StGB NRW-Ausschusses für Finanzen und Kommunalwirtschaft und Bürgermeister der Landgemeinde Titz, am Donnerstag in Dülmen bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Gleichzeitig müssen wir uns aufgrund des Kriegs in der Ukraine bereits auf die nächste massive Krise einstellen.“

Der Ernst der Lage lässt sich an zwei Ergebnissen ablesen: Erstens rechnen die Mitgliedskommunen auch in 2022 immer noch mit rund 966 Millionen Euro an Corona-Schäden– fast so viel wie im Vorjahr, als sich das Minus auf rund 1,06 Milliarden Euro belief. „Hier hatten wir uns eine deutlichere Entspannung erhofft“, so Frantzen.

„Wir dürfen nicht vergessen: Diese Corona-Schäden, die wir per Gesetz im Haushalt isolieren müssen, sind aktuell noch ausgeblendet. Sie belasten die Haushalte entweder in 2024 über den Abbau des kommunalen Eigenkapitals oder werden ab 2025 über bis zu 50 Jahre von der kommenden Generation abbezahlt“, sagte der Ausschussvorsitzende.

Zweitens schaffen weniger als 30 Prozent der Mitglieder einen echten Haushaltsausgleich ohne Reduzierung ihres Eigenkapitals, wie ihn das Haushaltsrecht eigentlich vorschreibt. Im Vorjahr war dies mehr als einem Drittel der Mitgliedskommunen gelungen. „Gerade diese Entwicklung ist alarmierend“, stellte Frantzen klar. „Er belegt für jeden sichtbar die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Familie. Wir fahren auf Verschleiß.“

Noch nicht in der Umfrage abgebildet werden konnten die Folgen des Kriegs in der Ukraine. „Es ist völlig unklar, wie sich der Konflikt entwickeln wird“, sagte Frantzen. „Die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte sind bislang kaum prognostizierbar, aber sie hängen wie ein Damoklesschwert über den Kommunen“, so Frantzen.

Bedingt durch Kriegsfolgen und Inflation müssen auch Städte und Gemeinden mit deutlich höheren Ausgaben rechnen. Bereits vor dem Krieg mussten die Kommunen bundesweit jährlich mindestens fünf Milliarden Euro an Energiekosten für den kommunalen Gebäude- und Wohnungsbestand aufbringen. Hinzu kommen Mehrbelastungen für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten sowie etwa für schulische Bildung und Kinderbetreuung.

„Dass Bund und Land erste unbürokratische Finanzhilfen zugesagt haben, begrüßen wir als wichtiges Signal“, betonte Frantzen. Dennoch blieben die Kommunen mittel- und langfristig auch weiterhin auf staatliche Hilfen angewiesen. „Die Risiken wiegen umso schwerer, als wir ohnehin schon mit steigenden Sozialkosten und einem gewaltigen Investitionsdruck konfrontiert sind“, so Frantzen abschließend.

Die Ergebnisse der Haushaltsumfrage im Überblick 

Isolierte Corona-Schäden Für 2021 ergibt sich bei den Mitgliedsstädten und -gemeinden trotz der Hilfen durch Bund und Land eine Belastung von 1,06 Milliarden Euro, die sich auf hohem Niveau zu stabilisieren scheint: Für das laufende Jahr wird mit fast ebenso hohen Schäden von rund 966 Millionen Euro gerechnet.

Abbau des Eigenkapitals und Überschuldung Bis Ende 2022 erwarten 106 StGB NRW-Mitgliedskommunen den vollständigen Verbrauch ihrer Ausgleichsrücklage, bis 2025 noch einmal 54 Städte und Gemeinden. Dies bedeutet, dass im Finanzplanungszeitraum 160 der 361 befragten Kommunen - rund 44 Prozent - mit einem vollständigen Verzehr ihrer Ausgleichsrücklage rechnen. Die Ausgleichsrücklage ist ein Teil vom Eigenkapital, der haushaltsrechtlich zu einem sog. "fiktiven" Haushaltsausgleich eingesetzt werden kann und auf den zurückgegriffen wird, wenn der so genannte strukturelle Haushaltsausgleich ohne zusätzliche Verwendung von Eigenkapital nicht gelingt. Zehn Kommunen haben das Eigenkapital bereits vollständig aufgezehrt und sind damit überschuldet.

Haushaltssicherung und Nothaushalt Wenn eine Kommune ihren Haushalt nicht einmal fiktiv ausgleichen kann und die allgemeine Rücklage mehr als nur unwesentlich verringern muss, ist ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) vorzulegen. 47 StGB NRW-Mitgliedskommunen erwarten diese Situation für 2022. Im Vergleich zum Vorjahresstand (91 Kommunen) ist der Rückgang zwar beachtlich, kommt jedoch nicht unerwartet, da die Vorjahreszahlen auch noch die Haushaltssanierungspläne der Stärkungspaktkommunen abbilden. Der Rückgang zeigt, dass trotz der anhaltenden Pandemie die Haushaltssanierungspläne nach Rückkehr zum regulären Haushaltsrecht nicht in großem Stil durch HSK ersetzt werden mussten. Dass dies gelungen ist, spricht einerseits für die harten Konsolidierungsbemühungen der Stärkungspakt-Teilnehmer, dürfte zugleich aber auch durch die unerwartet positive Gewerbesteuerentwicklung in 2021 und vor allem die anhaltende Ausblendung vorhandener Corona-Schäden durch das NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz begünstigt worden sein. 

Kassenkredite Ende 2021 hat der Stand an Kassenkrediten bei den Mitgliedskommunen rund 5,69 Milliarden Euro betragen. Zum 31. Dezember 2022 wird mit einem deutlichen Anstieg auf 6,21 Milliarden Euro gerechnet. Dies läge über dem Niveau von Ende 2020 (6,19 Milliarden Euro). Kommunen greifen auf Kassenkredite zurück, um Liquidität zu sichern, ähnlich wie Privatkunden mit dem Dispo beim Girokonto. Die Verschlechterung der Zinskonditionen um nur einen Prozentpunkt würde für die Mitgliedskommunen eine zusätzliche Belastung von rund 60 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. 

Ertragssituation Die Haushaltsplanungen für 2022 lassen auf einen Rückgang des Netto-Gewerbesteueraufkommens schließen, das um 7,34 Prozent auf rund 5,071 Milliarden Euro sinken soll. 2021 war ein Aufkommen von rund 5,473 Milliarden Euro erreicht worden. Anzumerken ist allerdings, dass dieses Ist-Aufkommen fast eine Milliarde Euro über demjenigen lag, das die Haushaltsumfrage für 2021 prognostiziert hatte. Für die Grundsteuer B wird mit einem Aufkommen in 2022 von 1,962 Milliarden Euro (Plus 4,34 Prozent) gerechnet.

 

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Haushaltsumfrage ist online in unserem Schwerpunkt zum Thema Kommunalfinanzen veröffentlicht. Im Anhang beigefügt sind Grafiken und Tabellen mit detaillierten Zahlen. Der Städte- und Gemeindebund NRW vertritt die Interessen der kreisangehörigen Kommunen und der mehr als 9 Millionen Menschen, die in ihnen leben. Seit 2021 zählt der Verband 361 Mitglieder.

 

 

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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