Finanzlage der Kommunen wird immer dramatischer

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 15.01.1997

Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen stehen vor dem finanziellen Kollaps. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes, an der 321 oder 86 % der kreisangehörigen Städte und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen teilgenommen haben. Der Präsident des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes, Bürgermeister Reinhard Wilmbusse, erklärte hierzu heute in Düsseldorf:

1. Die Zahl der Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten nimmt erschreckend zu.

Die Zahl der kreisangehörigen Kommunen, die trotz aller Anstrengungen 1996 und 1997 ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen mußten, nimmt erschreckende Dimensionen an. So mußten im Jahr 1996 74 Kommunen (23 % von 321 Städten und Gemeinden) ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Im Jahr 1997 steigt die Zahl auf 89 Kommunen (28 % von 321 Städten und Gemeinden) an. Im Vergleich der Jahre 1996/1997 wächst die Anzahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen müssen, um 15 Städte und Gemeinden an.

Bezogen auf die einzelnen Regierungsbezirke stellt sich die Situation der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen müssen, für die Jahre 1996 und 1997 wie folgt dar:

 

 19961997
Regierungsbezirk Arnsberg2833
Regierungsbezirk Detmold14
Regierungsbezirk Düsseldorf1617
Regierungsbezirk Köln2020
Regierungsbezirk Münster915

 
Eine weitere erschreckende Feststellung des Umfrageergebnisses ist, daß nicht nur die Zahl der Städte und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzepten, sondern auch das Volumen der Fehlbedarfe 1997 allein in den Verwaltungshaushalten gegenüber dem schon sehr hohen Niveau von 1996 (575 Mio DM) landesweit um noch einmal knapp 40 % auf knapp 800 Mio DM zunimmt.

2. Zahl der Kommunen ohne Haushaltsausgleich steigt dramatisch an.

Ein Ende dieser katastrophalen defizitären Finanzentwicklung für die Städte und Gemeinden ist nicht in Sicht. In 1996 können neben den 74 Städten und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzepten weitere 158 den Haushaltsausgleich nur dadurch erreichen, daß sie ihre Rücklagen auflösen bzw. Vermögensveräußerungen tätigen. Das bedeutet, daß 1996 bei insgesamt 232 Kommunen kein strukturell ausgeglichener Haushalt vorliegt. Für 1997 ist neben den 89 Städten und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzepten mit weiteren 133 zu rechnen, die den Haushaltsausgleich nur durch Rücklagenentnahmen bzw. Vermögensveräußerungen erreichen können. Die Zahl der Kommunen mit einem strukturell unausgeglichenen Haushalt wird sich aus heutiger Einschätzung 1997 auf 222 Städte und Gemeinden belaufen.

Die Tatsache, daß im Jahr 1997 136 Städte und Gemeinden gegenüber 160 im Jahr 1996 den Haushaltsausgleich nur durch Entnahme aus der allgemeinen Rücklage bzw. Vermögensveräußerung erreichen können, ist nicht auf eine Verbesserung der Finanzsituation, sondern darauf zurückzuführen, daß die vorhandenen Rücklagen erschöpft sind. Hinzu kommt, daß ein Großteil der Städte und Gemeinden ihre Investitionsausgaben in drastischer Weise zurückgefahren haben, um ihre Finanzlöcher zu stopfen. So hat sich der negative Trend der vergangenen Jahre bei den Baumaßnahmen in den ersten drei Quartalen des Jahres 1996 mit -9,2 % in unveränderter Stärke fortgesetzt. Dieser Trend ist mehr als besorgniserregend, denn der Erhalt maroder Straßen und Gebäude darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden.

"Die Anzahl der Kommunen, die einen Haushaltsausgleich ohne Eingriff in ihre Substanz tätigen und somit einen "echten" Haushaltsausgleich vorweisen können, hat erschreckende Dimensionen angenommen", so Wilmbusse. "Im Ergebnis ist festzuhalten, daß 1996 und 1997 rd. 60 % der kreisangehörigen Städte und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen können." Beängstigend dabei ist nach den Worten Wilmbusses, daß 1996 87 der 321 Städte und Gemeinden zum Zwecke des Haushaltsausgleichs bzw. der Verringerung des Fehlbetrages Erlöse in Höhe von rd. 223 Mio DM aus der Veräußerung kommunalen Vermögens dem Verwaltungshaushalt zugeführt haben. Nach dem derzeitigen Planungsstand werden im Jahr 1997 81 Städte und Gemeinden mit geplanten Veräußerungserlösen in Höhe von rd. 195 Mio DM entsprechend handeln. "Der Ausverkauf des noch vorhandenen gemeindlichen Tafelsilbers geht offensichtlich weiter", so Wilmbusse.

3. Unterschiedliche Tendenzen bei den Steuereinnahmen

Die Konjunkturschwäche hat in den Jahren 1993 bis 1995 zu dramatischen Einbrüchen bei der Gewerbesteuer geführt. So verloren die Städte und Gemeinden seit 1993 (10,5 Mrd DM) rd. 1 Mrd DM an Gewerbesteuereinnahmen. Dieser Trend ist im Jahr 1996 - maßgeblich bedingt durch die guten Veranlagungsergebnisse für das Hauptveranlagungsjahr 1994 und dementsprechend stark nach oben angepaßter laufender Vorauszahlungen und nachträglicher Vorauszahlungen für 1995 - mit einem erfreulichen Zuwachs in den ersten drei Quartalen des Jahres 1996 mit gut 12 % gestoppt worden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß dieser Zuwachs wegen der negativen Entwicklung in den letzten 3 Jahren auf einem extrem niedrigen Niveau erfolgt, so daß 1996 bestenfalls die Einnahmeergebnisse von 1993 erreicht werden. Nach den Umfrageergebnissen werden die Gewerbesteuererwartungen für 1997 mit 1,9 % - insbesondere bedingt durch hohe Einmaleffekte des Jahres 1996 - deutlich reduziert.

Bei den Grundsteuern A und B ist in den Jahren 1993 bis 1995 ein beschleunigtes Wachstum zu verzeichnen (1995 +7,6 %). Dieser Trend hält auch in den ersten drei Quartalen des Jahres 1996 mit +7,7 % an und wird sich nach dem Umfrageergebnis im Jahr 1997 mit gut 8 % fortsetzen. Diese Entwicklung dürfte insbesondere auf eine drastische Erhöhung der Hebesätze bei der Grundsteuer B bedingt durch die Anhebung der fiktiven Hebesätze bei der Grundsteuer B im ‘96er Finanzausgleich von 300 v.H. auf 310 v.H. und im ‘97er Finanzausgleich um weitere 10 Punkte zurückzuführen sein.

Das Aufkommen von Gewerbesteuer (netto) und Grundsteuern A und B wird 1997 durchschnittlich rd. 666 DM pro Einwohner betragen. Das sind knapp 22 DM pro Einwohner bzw. 3,4 % mehr als 1996.

"Im Ergebnis zeigt die Umfrage bei den Realsteuereinnahmen für 1997 einen leicht positiven Trend auf, der insbesondere auf die Erwartungen bei der Grundsteuer B zurückzuführen ist", so Wilmbusse. "Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, daß die Städte und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzepten 1996 durchschnittlich um rd. 49 DM pro Einwohner und 1997 durchschnittlich um 29 DM pro Einwohner geringere Realsteuereinnahmen verfügen als die übrigen Städte und Gemeinden".

4. Maßvoller Zuwachs bei den Gebühreneinnahmen

Nach dem Nullwachstum bei den Gebühreneinnahmen 1995 gegenüber 1994 ist nach den ersten drei Quartalen des Jahres 1996 ein leichter Zuwachs von 1,9 % zu verzeichnen. Nach dem Umfrageergebnis wird sich diese Tendenz im Jahr 1997 fortsetzen. So haben die kreisangehörigen Städte und Gemeinden bei den Gebühreneinnahmen für 1997 einen leichten Zuwachs von 2,5 % eingeplant. Damit spiegelt die Zuwachsrate bei den Gebühren im Jahr 1997 in etwa die für 1997 zu erwartende Preissteigerungsrate wider.

Nach den Worten Wilmbusses zeigt diese Entwicklung, daß der an die Städte und Gemeinden wiederholt gerichtete Vorwurf, ihre Haushalte auf Kosten der Gebührenzahler zu sanieren, jeglicher Grundlage entbehrt.

5. Anstieg der Kreisumlage mit gebremstem Zuwachs

Ein neuralgischer Punkt auf der Ausgabenseite wird auch im Jahr 1997 die Kreisumlage sein, die maßgeblich durch die Sozialausgaben beeinflußt wird. Nach dem Umfrageergebnis erwarten die Städte und Gemeinden für 1997 einen Zuwachs bei der Kreisumlage von 0,25 Punkten auf durchschnittlich 40,82 %. Einwohnerbezogen wird im Jahr 1997 mit einer Belastung bei der Kreisumlage in Höhe von rd. 671 DM pro Einwohner gerechnet. Dies sind pro Einwohner rd. 20 DM mehr als im Jahr 1996.

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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