Heft Oktober 2019

Ablehnung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis

Das nordrhein-westfälische Verwaltungsgericht hat anlässlich einer Klage gegen die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern allgemeine Ausführungen zur Ermessensfehlerlehre und Notwendigkeit eines Ratsbeschlusses für gemeindliche Ermessensrichtlinien gemacht. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Urteil vom 13.05.2019
- Az.: 11 A 2057/17 -

Die Klägerin ist als Unternehmen mit dem Sammeln von Altkleidern befasst und hat die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern im Gebiet der Beklagten für die Dauer von jeweils drei Jahren beantragt. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Sie übe ihr Ermessen dahingehend aus, dass grundsätzlich eine Aufstellung von Altkleidersammelcontainern im öffentlichen Straßenraum nicht zugelassen werde. In der Vergangenheit seien derartige Anträge stets abgelehnt worden. Die Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis schaffte einen Präzedenzfall, auf den sich künftig andere Bewerber berufen könnten. Dies solle vermieden werden. Denn Größe und Erscheinungsbild von dauerhaft aufgestellten Altkleidersammelcontainern würden das Orts- und Straßenbild der Stadt auf negative Weise beeinträchtigen. Auf Grund der Vielzahl der bereits aufgestellten Altglas- und Altpapiersammelcontainer werde durch weitere Container eine nicht mehr hinzunehmende Überfrachtung des öffentlichen Straßenraums eintreten.

Die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung der Klage hatte Erfolg. Die Ablehnung des Antrags der Klägerin hielt das OVG für ermessensfehlerhaft. Dabei beschränke sich die gerichtliche Kontrolle der Ermessensentscheidung auf die Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens (§ 114 Satz 1 VwGO). Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung setze zunächst voraus, dass der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt wird und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt werden. Für die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung genügt es grundsätzlich, wenn bei einer auf mehrere Gründe gestützten Ermessensentscheidung nur einer der herangezogenen Gründe sie trägt, es sei denn, dass nach dem Ermessen der Behörde nur alle Gründe zusammen die Entscheidung rechtfertigen sollen. Entsprechend dem Zweck des § 18 Abs. 2 StrWG NRW habe sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Die Kommune dürfe ihr Ermessen zur Bewirkung einer gleichmäßigen Handhabung durch die Straßenbaubehörde auch generell ausüben, etwa durch den Erlass ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften (Ermessensrichtlinien). Hierdurch bewirke sie eine Selbstbindung, die im Grundsatz von der gesetzlichen Ermessensermächtigung zugelassen wird. Die durch eine Verwaltungsvorschrift bewirkte Ermessensbindung der Behörde gehe aber nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr Rechnung getragen werden könnte. In atypischen Fällen, in denen die generelle Ermessensausübung die individuellen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls nicht (hinreichend) berücksichtigt, sei der Behörde ein Abweichen von den ermessenslenkenden Vorschriften möglich. Dabei bedürfe die Entscheidung über die Ausübung generellen Ermessens in der Regel eines vorherigen Ratsbeschlusses. Der Erlass allgemeiner Richtlinien oder Anweisungen, die die Ermessenspraxis einer Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im öffentlichen Straßenraum bestimmen sollen, gehöre regelmäßig nicht mehr zu den Geschäften der laufenden Verwaltung. Eine solche Entscheidung sei vielmehr wegen des grundlegenden Charakters, den eine generelle Ermessensausübung mit Blick auf künftige Entscheidungen über entsprechende Erlaubnisanträge entwickelt, dem Gemeinderat vorbehalten, wenn nicht die zu regelnde Angelegenheit für die Gemeinde ausnahmsweise von untergeordneter Bedeutung sei.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei die in dem angegriffenen Bescheid vorgenommene Ermessensausübung, nach der der Antrag abzulehnen sei, weil grundsätzlich keine Sondernutzungserlaubnisse für die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern im öffentlichen Straßenraum erteilt würden, fehlerhaft. Für diese Ermessensausübung habe es eines Ratsbeschlusses bedurft, der nicht vorliegt. Das Fehlen des erforderlichen Ratsbeschlusses führe zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Er sei wegen Ermessensausfalls materiell-rechtlich fehlerhaft. Denn die allein entscheidungstragende Berufung auf die grundsätzliche Ablehnung derartiger Sondernutzungserlaubnisanträge führe dazu, dass eine Einzelfallentscheidung in der Sache nicht getroffen worden sei.

 

Kostenfrage bei Unterbringung eines ausgesetzten Hundes

Der Kläger, ein Tierschutzverein, hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Unterbringung eines ausgesetzten Hundes gegen den Rhein-Sieg-Kreis als Tierschutzbehörde, weil der ausgesetzte Hund ein Fundtier ist und hier vorrangig der Fundtiervertrag zwischen dem Tierschutzverein und der für Fundsachen zuständigen Gemeinde greift. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden und damit die Klage abgewiesen

VG Köln, Urteil vom 17.07.2019
- Az.: 21 K 12337/16 -

Der klagende Tierschutzverein hatte einen auf einem Parkplatz im Rhein-Sieg-Kreis ausgesetzten Hund abgeholt, untergebracht und tierärztlich versorgen lassen und die Kosten gegenüber dem für Tierschutz zuständigen Kreis geltend gemacht. Der Kreis verwies den Tierschutzverein an die für Fundsachen zuständige kreisangehörige Gemeinde. Denn der Tierschutzverein habe mit der zuständigen Gemeinde einen Vertrag geschlossen, wonach er u. a. verpflichtet sei, für die Gemeinde Fundtiere zu verwahren und zu versorgen. Dieser Vertrag regele auch, dass der Kläger für die Unterbringung aller im Gemeindegebiet entdeckten Fundtiere einen Pauschalbetrag erhält.

Der Kläger verfolgte mit seiner Klage den Ersatz seiner Kosten gegen den Rhein-Sieg-Kreis weiter, da der Hund nach seiner Auffassung dem Fundrecht nicht unterfalle. Der mit der Gemeinde abgeschlossene Vertrag greife daher nicht. Die Unterbringung und Versorgung eines ausgesetzten Tieres sei Aufgabe des Kreises als Tierschutzbehörde. Da der Tierschutzverein mit der Versorgung des Tieres die Aufgabe des Kreises wahrgenommen habe, müsse der Kreis ihm die Kosten hierfür ersetzen.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen: Es bestünden parallele Zuständigkeiten des Kreises als Tierschutzbehörde und der Gemeinde als Fundbehörde. Denn bei dem ausgesetzten Hund handele es sich um ein Fundtier. Auch wenn der Kläger durch die Unterbringung des Hundes tatsächlich Aufgaben des Kreises erfüllt habe, sei der der Rückgriff auf den geltend gemachten Anspruch gesperrt. Denn die Aufgabenwahrnehmung beruhe vorrangig auf der Verpflichtung des Klägers aus dem mit der Gemeinde geschlossenen Vertrag, der die Unterbringungspflicht des Klägers anordne und die Entgeltfrage umfassend regle.

Gegen das Urteil kann ein Antrag auf Berufung an das Oberverwaltungsgericht in Münster gestellt werden.

 

Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach über 30 Jahren

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln war eine Erhebung von Erschließungsbeiträgen im Jahr 2017 für die Herstellung eines Teils der Straße Heckelsbergplatz in Bonn-Beuel rechtswidrig. Es hat den Klagen von neun Anliegern stattgegeben.

VG Köln, Urteile vom 27.08.2019
- Az.: 17 K 10264/17 u. a. -

Spätestens im Jahr 1986 hatten zuletzt Bauarbeiten an dem betroffenen Straßenteil stattgefunden, dessen baulicher Zustand seitdem unverändert ist. Erschließungsbeiträge konnten u. a. deshalb nicht zeitnah erhoben werden, weil die Ecke einer Garage auf einem Anliegergrundstück in den Gehweg hineinragt und nach dem ursprünglichen Gestaltungskonzept von 1978 eigentlich hätte abgebrochen werden müssen. Im August 2016 beschloss die Bezirksvertretung Beuel, stattdessen das ursprüngliche Gestaltungskonzept an den tatsächlichen Ausbauzustand anzupassen. Nachdem zwischenzeitlich auch die weiteren rechtlichen Voraussetzungen wie etwa die Widmung im Januar 2015 erfüllt worden waren, erließ die Stadt Bonn im Juni 2017 die angefochtenen Beitragsbescheide. Zahlreiche Anwohner hatten hiergegen Klage erhoben und geltend gemacht, eine Beitragserhebung nach so langer Zeit sei rechtswidrig.

Dem ist das Gericht gefolgt und hat zur Begründung u. a. ausgeführt, nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Beitragserhebung aus Gründen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit jedenfalls nach mehr als 30 Jahren seit Entstehen der sogenannten Vorteilslage ausgeschlossen. Für deren Eintritt sei maßgeblich, wann der Vorgang in tatsächlicher Hinsicht für die Beitragspflichtigen ohne weiteres erkennbar als abgeschlossen zu betrachten sei. Das sei regelmäßig mit der Erfüllung des Bauprogrammes der Fall. Auf das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen wie etwa der Widmung komme es nicht an.

Vorliegend sei die Vorteilslage bereits 1986 und entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erst mit der Erfüllung des Bauprogrammes mit dem Anpassungsbeschluss 2016 eingetreten. Denn die Anlieger hätten nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1986 nicht ohne Kenntnis der Verwaltungsvorgänge und rechtliche Erwägungen erkennen können, dass der Ausbauzustand von der Beklagten nicht als endgültig angesehen worden sei.

Das Gericht hat gegen seine Urteile die Berufung zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zugelassen.

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