Heft Mai 2011

Beratungspflicht einer Bank bei Zinsswap-Verträgen

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Deutsche Bank der Klägerin - einem mittelständischen Unternehmen - schadenersatzpflichtig ist, weil sie ihre Pflichten bei der Beratung über den Abschluss eines von ihr konstruierten Zinssatz-Swap-Vertrages (CMS Spread Ladder Swap-Vertrag) verletzt hat (nichtamtlicher Leitsatz).

BGH, Urteil vom 22. März 2011
- Az.:
XI ZR 33/10 -

Die beklagte Bank hatte den Abschluss eines CMS Spread Ladder Swap-Vertrags empfohlen, den die Parteien 2005 abschlossen. Die Bank ging davon aus, dass sich die Differenz (Spread) zwischen dem 2-Jahres- und dem 10-Jahres-Zinssatz künftig voraussichtlich deutlich ausweiten wird. Die Bank verpflichtete sich dazu, an die Klägerin aus einem Bezugsbetrag von 2 Mio. Euro für die Laufzeit von fünf Jahren halbjährlich Zinszahlungen in Höhe eines festen Zinssatzes von 3 % p.a. zu erbringen. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug, zu denselben Zeitpunkten aus der Bezugssumme im ersten Jahr Zinsen in Höhe von 1,5 % p.a. an die Beklagte zu zahlen und danach einen variablen Zinssatz, der mindestens bei 0,0 % liegt und sich abhängig von der Entwicklung des „Spreads“ zwischen dem 10- und 2-Jahres-Swap-Mittelsatz auf EURIBOR-Basis nach der Formel „Zinssatz der Vorperiode + 3 x [Strike - (CMS10 - CMS 2)]“ berechnet.

Die Höhe des „Strike“ lag anfänglich bei 1,0 % und sank über die Laufzeit stufenweise auf 0,85 %, 0,70 % und 0,55 % ab. Eine einseitige Vertragsbeendigung war ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes für beide Parteien erstmals nach dreijähriger Laufzeit und nur gegen Ausgleichszahlung in Höhe des aktuellen Marktwerts des Vertrags möglich. In den verwendeten Präsentationsunterlagen hatte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der „Risiken“ unter anderem darauf hingewiesen, dass die Klägerin dann, wenn die Zinsdifferenz stark absinkt, höhere Zinszahlungen zu leisten hat als sie empfängt. Das Verlustrisiko der Klägerin bezeichnete die Beklagte als „theoretisch unbegrenzt“. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte der CMS Spread Ladder Swap-Vertrag einen von der Beklagten bewusst einstrukturierten negativen Marktwert in Höhe von ca. 4 % der Bezugssumme (ca. 80.000 Euro), worauf die Beklagte nicht hinwies.

Ab Herbst 2005 nahm die relevante Zinsdifferenz fortlaufend ab, so dass sich der Vertrag nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres für die Klägerin als Verlustgeschäft erwies. Anfang 2007 wurde das Swap-Geschäft gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrags durch die Klägerin in Höhe des aktuellen negativen Marktwerts von 566.850 Euro aufgelöst. Die - unter Anrechnung erhaltener Zinszahlungen - im Wesentlichen auf Rückzahlung von 541.074 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der BGH hat abweichend entschieden, dass die Bank ihre Beratungspflichten verletzt hat, und dem Zahlungsantrag stattgegeben. Nach den bisherigen Feststellungen war nicht abschließend zu klären, ob die Beklagte ihrer Pflicht zu einer anlegergerechten Beratung der Klägerin nachgekommen ist. Eine Bank müsse bei der Anlageberatung vor Abgabe der Empfehlung die Risikobereitschaft des Anlegers erfragen, es sei denn, diese ist ihr aus einer langjährigen Geschäftsbeziehung oder dem bisherigen Anlageverhalten ihres Kunden bereits bekannt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entfiel eine dahingehende Erkundigungspflicht der Beklagten nicht allein deshalb, weil an der Beratung aufseiten der Klägerin deren Prokuristin - eine Diplom-Volkswirtin - teilgenommen hat.

Einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur Klärung der noch offenen Risikobereitschaft der Klägerin bedurfte es nicht, weil aus anderen Gründen bereits feststand, dass die Bank ihre Beratungspflichten verletzt hat. Bei einem so hochkomplex strukturierten und riskanten Produkt seien hinsichtlich der Risikodarstellung des Anlageprodukts hohe Anforderungen an die beratende Bank zu stellen. Dem Kunden müsse in verständlicher und nicht verharmlosender Art und Weise insbesondere klar vor Augen geführt werden, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko nicht nur ein „theoretisches“ ist, sondern abhängig von der Entwicklung des „Spreads“ real und ruinös sein kann.

Im Gegensatz dazu setze die ihn beratende Bank - abgesehen von den „Hedge-Geschäften“ - ihrem Verlustrisiko von vornherein enge Grenzen, weil sich durch die Kappung der variablen Zinsen bei 0 % keine „negative Zinszahlungspflicht“ des Kunden errechnen kann, welche die auf 3 % p.a. festgeschriebene Zahlungspflicht der Bank erhöhen könnte. Die Aufklärung, die in ihrer Intensität von den Umständen des Einzelfalls abhängt, müsse bei einem so hochkomplexen Produkt gewährleisten, dass der Kunde im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnisstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung möglich sei, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will.

Ob die Beklagte diesen hohen Anforderungen an die Darstellung der Risiken des Swap-Vertrages gerecht geworden ist, konnte offen bleiben, weil sie ihre Beratungspflicht bereits dadurch verletzt habe, dass sie nicht auf den zum Abschlusszeitpunkt für die Klägerin negativen Marktwert des Vertrags in Höhe von ca. 4 % der Bezugssumme (ca. 80.000 Euro) hingewiesen habe. Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte im Rahmen der von ihr durchgeführten Anlageberatung zu einer dahingehenden Aufklärung verpflichtet gewesen wäre, weil der von ihr bewusst strukturierte negative Marktwert Ausdruck eines schwerwiegenden Interessenkonflikts ist. Bei der in Rede stehenden Zinswette ist der Gewinn der einen Seite der spiegelbildliche Verlust der anderen Seite. Für die Bank als Partnerin der Zinswette erweist sich der „Tausch“ (engl. swap) der Zinszahlungen nur dann als günstig, wenn ihre Prognose zur Entwicklung der Zinsdifferenz gerade nicht eintritt und die Klägerin Verlust erleidet. Als Beraterin sei die Beklagte hingegen verpflichtet, die Interessen der Klägerin zu wahren.

Vorgehen gegen private Sportwettenvermittler

Die Ordnungsbehörden in NRW dürfen weiterhin mit Untersagungsverfügungen gegen private Wettbüros vorgehen.

OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2011
- Az.:
4 B 48/11 u.a. -

Die betroffenen Wettbüros vermitteln Sportwetten an im Ausland ansässige oder konzessionierte Unternehmen. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag der Länder und dem nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz ist die Veranstaltung von Sportwetten in NRW jedoch dem Land vorbehalten; zur Vermittlung an die staatliche Lotteriegesellschaft sind ausschließlich zugelassene Annahmestellen befugt. Die privaten Sportwettenveranstalter und -vermittler halten dieses Staatsmonopol für verfassungs- und europarechtswidrig. Über einige der damit zusammenhängenden Fragen haben unlängst das BVerwG und der EuGH entschieden, ohne sich allerdings abschließend zur Rechtmäßigkeit des Monopols und des Glücksspielstaatsvertrags zu äußern.

In den Beschlüssen hat der 4. Senat ausgeführt, das Staatsmonopol sei nach vorläufiger Einschätzung verfassungsgemäß und die Frage seiner Vereinbarkeit mit dem Europarecht könne jedenfalls in den Eilverfahren offen bleiben. Für den Ausgang dieser Verfahren sei entscheidend, dass derzeit weder die ausländischen Wettveranstalter noch die privaten Wettvermittler im Besitz einer für ihre Tätigkeit erforderlichen Erlaubnis nach nordrhein-westfälischem Recht seien.

Die im Gesetz vorgesehene Erlaubnispflicht gelte unabhängig davon, ob das Staatsmonopol für Sportwetten Bestand habe oder nicht. Selbst wenn man das Staatsmonopol außer Acht lasse, hätten die ausländischen Wettveranstalter und die privaten Wettvermittler keinen offensichtlichen Anspruch auf Erteilung der erforderlichen Erlaubnisse. Insbesondere sei zweifelhaft, ob die gesetzlichen Bestimmungen über das zulässige Wettangebot eingehalten würden. So werde in der Praxis vielfach gegen das Verbot verstoßen, Sportwetten während des laufenden Sportereignisses zu veranstalten bzw. zu vermitteln (sog. Live-Wetten); auch würden verbotenerweise Sportwetten im Internet angeboten.

Die Beschlüsse betreffen private Sportwettenvermittler aus verschiedenen Teilen Nordrhein-Westfalens. Erste Entscheidungen des Senats in den zahlreichen Hauptsacheverfahren sind für Juli 2011 zu erwarten. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

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