Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 658/2004 vom 16.08.2004

Zuständigkeitsänderung in der Wohnraumförderung

"Sehr geehrter Herr Morgenstern,

in dem Gespräch am 17.06.2004 sind wir von Ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt worden, die Bewilligungszuständigkeit in der Eigentumsförderung im Bereich der Wohnraumförderung auf die Wohnbauförderungsanstalt (WfA) zu übertragen. Als Begründung dieser Maßnahme ist angeführt worden, dass bei den Eigentumsmaßnahmen die Förderanträge nicht „schnell genug“ bearbeitet würden. Von daher würde ein zu großer Investitionsstau entstehen, der beim Finanzministerium ständige Kritik auslöse. Insofern sehe Ihr Haus in der Übertragung der Aufgaben im Bereich der Eigentumsförderung auf die WfA insofern eine Erleichterung, als die WfA mit den vor Ort agierenden Kreditinstituten gut zusammenarbeiten könnte. Würde die Eigentumsförderung auf die WfA übertragen, verbliebe lediglich die Wohnraumförderung im Bereich des Mietwohnungsneubaus. Die entsprechenden Fallzahlen seien so gering, dass sich eine Reduzierung der Bewilligungsbehörden (Wegfall der 35 Großen kreisangehörigen Städte) anbieten würde.

Was die Zeitdauer der Bewilligungen anbelangt, haben die Bewilligungsbehörden nur zum Teil Einfluss auf die zeitliche Abfolge. Die Bewilligungsbehörden haben jedoch keinen Einfluss auf Umstände, die sie nicht zu vertreten haben. Durch die von Ihrem Haus jährlich neu aufgelegten Wohnungsbauprogramme, Förderungsbestimmungen und Mittelfreigaben in der Regel im Februar/März des neuen Bewilligungsjahres können die Bewilligungsbehörden in drei bis vier Monaten keine abschließende Antragsbearbeitung vornehmen. Es ist bei allen Bewilligungsbehörden zudem tägliche Praxis, dass Anträge zu spät, vielfach erst im Dezember gestellt werden, die zwangsläufig dann in das darauf folgende Jahr „übernommen“ werden müssen. Ferner ist festzustellen, dass überwiegend die gestellten Anträge – insbesondere auch bei den Eigentumsmaßnahmen – unvollständig und unzureichend sind. Ferner fehlen die zum Antrag notwendigen Unterlagen, die mit zeitlicher Verzögerung erst nachgereicht werden. Auch ist offenkundig, dass die Überprüfung sehr intensiv sein muss. Sie erfasst u.a. auch die Einkommensermittlung und Einkommensbewertung. Die Betreuung der Antragsteller ist als umfassend zu bewerten. Sie ist auch unabdingbar notwendig. Dies wird durch die erwähnten Stellungnahmen der Mitgliedsstädte belegt.

Die Großen kreisangehörigen Städte haben zudem in der Bearbeitung der Fälle nicht nur zusätzliches Personal eingestellt. Sie haben auch ein Controlling-System eingeführt, das so angelegt ist, dass Ursachen einer verzögerlichen Bearbeitung jederzeit offenkundig gemacht werden können. Verzögerungsumstände werden sodann sofort – soweit dies objektiv und subjektiv möglich ist – abgestellt. Jedenfalls ist sichergestellt, dass die ständige Beobachtung der einzelnen Verfahrensschritte erfolgt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es auch im Interesse der beteiligten Städte ist, Anträge baldmöglichst zu genehmigen, damit alsbald mit dem Bau begonnen werden kann. Diese Maßnahmen haben trotz der aufgeführten Restriktionen dazu geführt, dass die Bearbeitungszeit der Anträge nicht nur in der erwähnten Frist von drei bis vier Monaten erreicht, sondern auch darüber hinaus erheblich verkürzt werden konnte. Die Großen kreisangehörigen Städte schlagen sodann vor, dass durch Einsatz besserer Software der elektronische Datenverkehr mit der WfA verbessert werden kann. Konkrete Vorstellungen hierzu gibt es bereits.

In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass durch den Wegfall der von der WfA zugelassenen „Betreuer“ heute Immobilienmakler, Versicherungs- oder Bausparkassenvertreter und andere Personen den Bauherren und Käufern einer Immobilie mit Rat und Tat überwiegend gegen ein hohes Entgelt zur Seite stehen. Dies hat jedoch dazu geführt, dass die Qualität der Anträge seitdem noch schlechter wird. In fast allen Fällen ist eine umfangreiche Überarbeitung durch den Sachbearbeiter der Bewilligungsbehörde notwendig. Ferner steht fest, dass ein erheblicher Beratungsbedarf der Bau- und Kaufwilligen bereits lange vor der Abgabe des Förderantrages besteht.

Aufgrund der langjährigen Erfahrung haben sich die dezentralen Entscheidungskompetenzen bei den Großen kreisangehörigen Städten als richtig erwiesen, da direkt vor Ort Entscheidungen in unmittelbarer Kooperation mit den Antragstellern getroffen werden können, die sowohl den Eigenheimbau als auch die Förderung von Mietwohnungen umfassen. Es ist insofern auch keine Überraschung, dass die Intentionen der Wohnungsbauprogramme 2003 und 2004 eindeutig belegen, dass die kommunale Selbstbestimmung bei der Vergabe von Fördermitteln gestärkt werden soll. Insoweit wird in diesem Zusammenhang auf das Positionspapier (10-Punkte-Forderungskatalog) der fünf Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft vom September 2002 verwiesen. Hierin wird ausdrücklich gefordert, dass die Kommunen im Rahmen ihrer wohnungspolitischen Kompetenzen Entscheidungen über die Wohnraumförderung vor Ort fällen sollen.

Wenn in dem Gespräch am 17.06.2004 darauf hingewiesen wird, dass die nötige Kompetenz auch bei den privaten Kreditinstituten vorhanden sei, so erlauben wir uns den Hinweis, dass der kürzlich unternommene Versuch, die Eigentumsförderung auf die Sparkassen zu verlagern, wohl daran gescheitert ist, dass die Sparkassen die hohen Kosten der Bereitstellung fachlich qualifizierter Mitarbeiter und den großen Beratungsbedarf der finanzschwachen Antragsteller scheuen und diese unlukrative Aufgabe den Bewilligungsbehörden überlassen wollen. Es mag sein, dass von Mitarbeitern Ihres Hauses geführte Gespräche mit anderen Kreditinstituten ein anderes Ergebnis zeitigen. Wir behaupten aufgrund der langjährigen Erfahrungen jedoch, dass die Reaktion der Sparkassen durchaus plausibel und lebensnah ist.

Aus alledem ergibt sich Folgendes:

1. Durch die Konzentrierung der Wohnbauförderung bei der WfA, die dann als zentrale Anlaufstelle agieren wird, werden Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit beseitigt.

2. Die Wohnbauförderung sowohl im Eigentumsbereich wie auch bei Mietwohnungen wird ihren örtlichen Bezug verlieren. Dieser ist notwendig, weil die Wohnbauförderung Bestandteil der städtischen Wohnungspolitik ist, die sich in der städtebaulichen Planung, der Bereitstellung von günstigem Bauland, der Aktivierung von im Wohnungsbau tätigen Gesellschaften, der Vermittlung von Eigentümern in geeignete Wohnbereiche mit preiswertem Wohnbauland und in anderen Gesichtspunkten entfalten. Der städtischen Wohnungspolitik wird mit dem Entzug der Zuständigkeit im Förderbereich somit ein wichtiges Steuerungsinstrument genommen.

3. Der örtlichen Ebene wird ferner die Wohnungsbauförderung als sozialpolitisches Steuerungsinstrument genommen. Kenntnisse über die gesamte Situation des örtlichen Wohnungsmarktes (öffentlich geförderte und frei finanzierte Wohnungsbestände) sind dabei unabdingbare Voraussetzung, um die Instrumente der Wohnungsbauförderung zielgerichtet einsetzen zu können. Als Analyseinstrument dient hierzu das gesamte Spektrum der kommunalen Wohnungsmarktbeobachtung. Die zielgerichtete Vermittlung von Familien, Alleinerziehenden, Senioren und Personen mit unterdurchschnittlichen Einkommen verliert ihre soziale Betreuung im Rahmen der Wohnraumversorgung.

4. Das existierende Geflecht zwischen Großer kreisangehöriger Stadt, den Investoren, den Finanzierungsinstituten wird nachhaltig zerstört, wenn die Frage der Eigentumsförderung auf ein „Darlehens-Geschäft“ reduziert wird.

5. Da der Anteil ausländischer Familien und Antragsteller in den letzten Jahren überproportional angestiegen ist – das Gleiche gilt für die Gruppe der Aussiedler –, kann die mit der Wohnraumversorgung verbundene Integration nicht in ausreichendem Maß funktionieren. Der hohe Beratungs- und Erklärungsbedarf bei ausländischen Mitbürgern führt zwangsläufig dazu, dass ein Antragsverfahren nur in mehreren persönlichen Beratungsgesprächen abzuhandeln ist.

Aus den genannten Gründen bitten wir, unbedingt von Ihren Absichten Abstand zu nehmen. Dabei ist es offenkundig, dass eine Trennung zwischen Förderung des Mietwohnungsbaus und Förderung von Eigentumsmaßnahmen im Hinblick auf eine plausible integrierte örtliche Wohnungspolitik nicht sinnvoll ist. Der Zusammenhang zwischen Wohnungspolitik als wesentlicher Bestandteil der Stadtentwicklungspolitik wird auch von den Mitarbeitern Ihres Hauses nicht bestritten, sondern vielmehr ist dieser Zusammenhang sogar mehrfach eingefordert worden. Bekanntlich ist die Zurverfügungstellung von preiswertem Wohnbauland im Rahmen der Stadtentwicklungsplanung in der jüngsten Vergangenheit mehrfach kritisch von Ihrem Hause angemahnt worden. Der entsprechenden Verpflichtung haben sich auch die Großen kreisangehörigen Städte in der Vergangenheit niemals entzogen.

Sofern es gewünscht wird, können die einzelnen Stellungnahmen der Großen kreisangehörigen Städte dem Ministerium ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden. Aus allen diesen Stellungnahmen ergibt sich uneingeschränkt der Hinweis, von der Beseitigung der Zuständigkeiten in der Wohnraumförderung, die bisher bei den Großen kreisangehörigen Städten angesiedelt ist, Abstand zu nehmen."

Schreiben des StGB NRW an das MSWKS NRW vom 04.08.2004.

Az.: II/1 652-20

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