Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 141/2001 vom 20.02.2001

Zukunft der kommunalen Abwasserbeseitigung

Am 31.01.2001 fand im Landtag NRW im Ausschuß für Europapolitik eine Anhörung zur Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge statt. In diesem Zusammenhang wurden auch Fragen zur Zukunft der kommunalen Abwasserbeseitigung unter dem Blickwinkel der Privatisierung/Liberalisierung gestellt. Die Geschäftsstelle hat hierzu im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

1. Höhe der Abwassergebühren in Europa

Zwar hat Deutschland in Europa nach den zuletzt bekannt gewordenen Erhebungen hinter Österreich die höchste Abwassergebühr. Die Abwassergebühr betrug 1999 215 DM je Einwohner/Jahr gegenüber 304 DM je Einwohner/Jahr in Österreich. Gleichzeitig ist aber zwingend zu berücksichtigen, daß Deutschland im tatsächlichen Vollzug von Gewässerschutzanforderungen im Sinne der europäischen Richtlinien gegenüber allen anderen EU- Mitgliedsstaaten führend ist und europaweit den höchsten Anschlußgrad an die gemeindliche Kanalisation vorweisen kann. Der Anschlußgrad an das gemeindliche Kanalnetz und damit an biologische Kläranlagen lag in Deutschland im Jahr 1995 bei 92 %. Dieses ist europaweit der höchste Anschlußgrad. Zum Vergleich: Der Anschlußgrad in Dänemark liegt bei 90,6 % , in Österreich bei 75,7 % (vgl. Abwassergebühren in Europa - Dokumentation - Vergleich der Abwassergebühren im europäischen Rahmen – Forschungsauftrag Nr. 30/96 des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesumweltministeriums, S. 20ff.).

In Nordrhein-Westfalen gibt es 807 kommunale Kläranlagen. Die von der EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (91/271/EWG) geforderten Reinigungsleistungen im Hinblick auf die Parameter biochemischer Sauerstoffbedarf, chemischer Sauerstoffbedarf und Phosphor werden heute bereits flächendeckend in NRW erfüllt. Die in der Kommunalabwasserverordnung NRW geforderte Stickstoffelimination in den Kläranlagen mit mehr als 10.000 Einwohnerwerten - in NRW betrifft dies 392 Kläranlagen – gemäß der EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (91/271/EWG) wird bis zum 31.12.2005 eingehalten werden. Zur Zeit sind bereits rund 65 % der betroffenen Kläranlagen zur Stickstoffelimination ertüchtigt (vgl. Landtag NRW, Protokoll des Aussschusses für Umweltschutz und Raumordnung 13/116 vom 22.11.2000).

Nach Umfragen des Bundesverbandes der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft und Erhebungen der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) lag der Abwasser(beseitigungs-)preis in Deutschland im Jahr 1999 bei durchschnittlich 4,46 DM je Kubikmeter Abwasser. Bei einem durchschnittlichen Frischwasser-Verbrauch von 48 Kubikmetern pro Person/Jahr betrug damit die durchschnittliche einwohnerspezifische Abwassergebühr im Jahr 1999 in Deutschland ca. 226 DM DM pro Kopf/Jahr. Dies sind 0,62 DM pro Kopf und Tag. Wird der Tagespreis für die Abwasserbeseitigung pro Kopf und Tag von 0,62 DM betrachtet und mit anderen täglichen Geldausgaben verglichen, so bewegt sich die Abwassergebühr in Deutschland immer noch in annehmbaren Grenzen (zum Vergleich: ein Brötchen im Bäckerladen kostet 0,45 DM, eine Kfz-Inspektion kostet ca. 400,-- DM). Es ist außerdem zu beachten, daß die Finanzierung der Abwasserbeseitigungskosten in Europa nicht deckungsgleich ist. So ist z.B. in Frankreich die Beseitigung von Regenwasser eine kommunale Aufgabe. Die entstehenden Kosten der Regenwasserbeseitigung dürfen aber nicht über die Abwassergebühren umgelegt werden, sondern sind aus dem Steuerhaushalt der Kommunen zu zahlen. Dieses ist in Deutschland nicht der Fall. Vielmehr werden sowohl die Kosten für die Schmutzwasserbeseitigung als auch die Kosten für die Regenwasserbeseitigung kostendeckend über Abwassergebühren finanziert. Dies ist in den Kommunalabgabengesetzen der einzelnen Bundesländern vorgegeben. In England wurde das Anlagevermögen der Abwasseranlagen im Jahr 1989 für einen vergleichsweise niedrigen Betrag an der Börse verkauft. Die Abwassergebühren in England sind hierdurch künstlich niedrig, was sich dann ändern wird, wenn die bestehenden Anlagen erneuert werden müssen (vgl. insgesamt: Abwassergebühren in Europa - Dokumentation - Vergleich der Abwassergebühren im europäischen Rahmen – Forschungsauftrag Nr. 30/96 des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesumweltministeriums, S. 20ff.).

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2. Privatisierung/Liberalisierung der Abwasserbeseitigung

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Zunächst ist vorauszuschicken, daß das Schlagwort der Liberalisierung nicht auf alle Bereiche ohne weiteres übertragen werden kann. Die Liberalisierung auf dem Telefonmarkt kann nicht ohne weiteres auf den Bereich der Abwasserbeseitigung übertragen werden, zumal es hier darum geht, Abwasser einer ordnungsgemäßen Reinigung auf der Grundlage der EU-Standards und der nationalen Vorgaben zuzuführen. Insoweit ist eine sorgfältige Prüfung angezeigt, zumal es hier nicht nur um den Verkauf von Produkten wie z.B. Telefondienstleistungen, sondern um klassischen Umweltschutz geht. Im übrigen erscheint es angezeigt, zunächst die Entwicklung auf dem liberalisierten Strommarkt weiter zu beobachten, zumal sich mittlerweile als Problem herausgestellt hat, daß eine umweltschonende Stromerzeugung nicht zwingend das primäre Anliegen eines liberalisierten Strommarktes ist, der in erster Linie vom Preis bestimmt wird. Es kann außerdem nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, daß langfristig gesehen (Zeitraum: 15 – 20 Jahre), in einem liberalisierten Abwassermarkt die Kostenbelastung der Bürgerinnen und Bürger abnehmen wird, zumal die hoheitliche Aufgabenerfüllung der Abwasserbeseitigung z.B. nicht der Umsatzsteuerpflicht (16 %) unterliegt, was sich zur Zeit positiv auf die Abwassergebühren auswirkt. Für die Fragestellung, ob und inwieweit der Vorsteuerabzug im Rahmen einer privaten Organisationsform z.B. der Beauftragung einer privaten GmbH mit der Betriebsführung der Abwasserentsorgungsanlage der Kommune die bei privaten Organisationsformen anfallende 16 %ige Umsatzsteuer reduziert, hat sich bei bislang durchgeführten Praxisprüfungen regelmäßig gezeigt, daß projiziert über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren ein Vorteil einer privaten Organisationsform im Hinblick auf die Kostenbelastung der Bürgerinnen und Bürger nicht zwingend festgestellt werden kann.

Betreiber-/Kooperationsgesellschaften (AG/GmbH/Einschaltung privater Unternehmen) haben bislang in Deutschland einen sehr geringen Anteil an den Organisationsformen. Im Jahr 1999 (Quelle: KA 2000 47 Nr. 5, S. 722 f.) lag der Anteil nur bei ca. 6 %. 27 % der kommunalen Abwasserentsorgungseinrichtungen wurden als Regiebetrieb geführt, 38 % als eigenbetriebsähnliche Einrichtung und 13 % als Anstalt öffentlichen Rechts. Zweckverbände und Wasserverbände hatten einen Anteil von 16 % an den Organisationsformen.

Grundsätzlich empfiehlt sich die Wahl einer Organisationsform, bei welcher der Kommune ein maßgeblicher Einfluß auf die abwassertechnischen Erschließungsfragen verbleibt. Denn die abwassertechnische Erschließung hängt maßgeblich mit der kommunalen Bauleit- und Entwicklungsplanung zusammen, zumal insbesondere neue Baugebiete nicht nur straßenmäßig, sondern auch abwassertechnisch erschlossen werden müssen, damit sie einer Bebaubarkeit zugeführt werden können. Eine schnelle Reaktion der jeweiligen Kommune ist hier von zentraler Bedeutung, um die Ansiedlung von Investoren auch abwassertechnisch zeitnah befördern zu können.

Az.: II/2 24-30

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