Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 133/2014 vom 24.02.2014

Zukünftige Herausforderungen der Verteilnetze

Die Forschungsinitiative Agora Energiewende hat einen aktuellen Bericht mit Empfehlungen zu den künftigen Herausforderungen der Verteilnetze veröffentlicht, die auf Grundlage eines „Stakeholder-Dialogs“ mit 30 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Verwaltung erarbeitet wurden. Wie bereits von kommunaler Seite immer wieder hervorgehoben, steht auch aus Sicht der Experten der Aus- und Umbau der Verteilnetze im Mittelpunkt der Energiewende, da hier über 95 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien eingespeist werden. Mit geringen Kosten könnten die Netze ertüchtigt und die steigenden Anteile von Erneuerbaren gut aufgenommen werden. Die Bundespolitik sei aufgefordert, eine langfristige Planung auf allen Verteilnetzebenen zu stärken und die Rahmenbedingungen, etwa in der Anreizregulierung und bei der Netzentgeltsystematik, zu verbessern.

In dem Schlussbericht des „Agora Stakeholder-Dialogs“ zu Verteilnetzen wurden die zukünftigen Herausforderungen der Verteilnetze mit knapp 30 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Verwaltung in drei Workshops diskutiert und auf deren Grundlage fünf gemeinsame Kernbotschaften und vier Themenfelder benannt, die von der Bundesregierung zügig in dieser Legislaturperiode angepackt werden sollten. Kernbotschaften des Verteilnetzdialogs:

1. Verteilnetze kein Hindernis

Die Verteilnetze seien bei konsequenter Nutzung der technischen Möglichkeiten den kurzfristigen Herausforderungen des Anstiegs erneuerbarer Energien gut gewachsen. Dank neuer Technologien stehe ein ganzer Werkzeugkasten verschiedener Instrumente zur Steigerung der Aufnahmekapazität für Wind- und Solarstrom zur Verfügung. Ein intelligentes Kapazitätsmanagement könne den Ausbaubedarf, der bei ausschließlicher Verwendung herkömmlicher Techniken notwendig wäre, schon kurzfristig deutlich senken. Dabei habe vor allem Spannungshaltung durch Blindleistungsregelung, auch durch Erneuerbare-Energien-Anlagen, ein großes, kostengünstig zu erschließendes Potenzial. Besonders wirksam kann eine lastabhängige Vermeidung von Einspeisespitzen den Ausbaubedarf senken. Hierfür müssten jedoch geeignete gesetzliche Regelungen getroffen werden. Zur Frage, in welchem Ausmaß zusätzliche Mess- und Kommunikationssysteme für ein optimales Kapazitätsmanagement sinnvoll sind, gehen die Einschätzungen auseinander.

2. Zusätzliche Kosten überschaubar

Die zusätzlichen Investitionen, die in den Verteilnetzen für die Integration erneuerbarer Stromerzeugung notwendig seien, ließen sich bis 2030 auf einen Bruchteil der ohnehin notwendigen Investitionen in die Verteilnetze begrenzen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die zusätzlichen Kosten nicht mehr als ein Fünftel der heutigen Aufwendungen für die Verteilnetz-Infrastruktur (jährlich ca. 3 Mrd. Euro) und nur einen Bruchteil der Gesamtkosten für die Verteilnetze (18 Mrd. Euro) betragen werden. Voraussetzung dafür sei die Nutzung alter und neuer technischer Möglichkeiten, deren Benachteiligung im heutigen Finanzierungsmechanismus abgebaut werden sollte. Je früher neue intelligente Techniken dort eingesetzt werden, wo sie sinnvoll sind, desto kostengünstiger wird die Umstellung. Dafür seien geeignete Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen. 

3. Bundespolitik zum Handeln aufgefordert

Um den Einsatz dieser Instrumente zu erleichtern, sollte die Bundesregierung:

  • den Finanzierungsmechanismus der Netze so gestalten, dass die
    Effizienzpotenziale innovativer Lösungen besser genutzt werden können,
  • eine langfristige Planung auf allen Netzebenen stärken, unter anderem durch die Einführung einer regionalen, transparenten Netzentwicklungsplanung für die 110-Kilovolt-Ebene,
  • prüfen, auf welchem Weg eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Vermeidung von Einspeisespitzen rechtlich ermöglicht und umgesetzt werden kann,
  • prüfen, welche Regelungen notwendig sind, damit programmierbare autonome Regler in Kundenanlagen zur Netzstabilisierung beitragen, und ob elektrische Speicher für den Netzbetrieb eingesetzt werden können.

4. Systemverantwortung der Verteilnetzbetreiber

Die zunehmend gemeinsame Verantwortung für die Systemstabilität erfordere auch eine engere Koordination zwischen den Netzebenen, sowohl in der Netzplanung als auch im Betrieb. Das betreffe auf die Dauer alle Arten von Systemdienstleistungen. Alle diese Dienstleistungen müssen beschafft, im eigenen Netzgebiet eingesetzt und mit dem übergeordneten und gegebenenfalls auch mit benachbarten und untergeordneten Netzen koordiniert werden. Für kleinere Verteilnetzbetreiber sei das allein nicht zu leisten. Kooperationen und spezialisierte Dienstleister würden daher eine zunehmende Rolle spielen.

Mittelfristig sei zudem eine stärkere Einbeziehung der Kunden unumgänglich. Lastmanagement und Energiemanagementsysteme — die insbesondere vermehrt in Kombination mit Eigenversorgung aus Photovoltaik- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen eingesetzt werden und immer häufiger auch die Wärmeversorgung einbeziehen — erhöhen zunehmend die Flexibilität der Kunden. Diese sollte durch geeignete Anreizsysteme und systematische Nutzung neuer technischer Möglichkeiten vermehrt für die Verteilnetze und das Gesamtsystem nutzbar gemacht werden.

5. leistungsbezogene Netzentgelte

Die Einführung leistungsbezogener Netzentgelte auch in der Niederspannungsebene könne dazu beitragen, die Kunden zu einem netzdienlichen Verhalten anzuregen und eine angemessene Verteilung der Systemkosten zu gewährleisten. In der Diskussion über die Belastung des Gesamtsystems durch Eigenversorgung könne durch eine Umstellung auf stärker leistungsbezogene Preise eine stärkere Beteiligung an den Bereitstellungskosten des Versorgungssystems für den Fall, dass die Eigenversorgung ausfällt, gesichert werden.

Die möglichen Antworten auf die Herausforderungen überschneiden sich und betreffen mehrere regulatorische Instrumente gleichzeitig. Unter den Teilnehmern bestand Konsens, dass bei den folgenden vier Themen der Gesetzgeber gefragt ist:

  • Weiterentwicklung der Anreizregulierungsverordnung
  • Überarbeitung des Systems der Netzentgelte
  • Reform des Marktdesigns
  • Aufbau eines Energieinformationssystems.

Der Schlussbericht des Stakeholder-Dialogs zu den Verteilnetzen ist für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Internetangebots unter Fachinfo/Service > Fachgebiete > Finanzen und Kommunalwirtschaft > Energiewirtschaft abrufbar.

Az.: II/3 811-00/8

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