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StGB NRW-Mitteilung 488/2003 vom 18.06.2003

Zivilrecht und Zulässigkeit von Bürgerbegehren

Von erheblicher Bedeutung für die Zulässigkeit von Bürgerbegehren, die sich gegen die Veräußerung von kommunalen Vermögen bzw. Anteilen an Gesellschaften richten, ist das Urteil des OVG NRW vom 29.04.2003 (15 A 3916/02). Ein Bürgerbegehren kann nach dieser Entscheidung in solchen Fällen nicht die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen, wenn der Rat seinerseits nicht seine Einwilligung zu diesem Rechtsgeschäft rückgängig machen kann. Dies ergibt sich daraus, daß ein Bürgerbegehren nicht mehr Rechte der Rat als der Gemeinde hat.

Im Einzelnen:
Eine Beteiligungsgesellschaft der Stadt (MVV) beabsichtigte, ihren Mehrheitsanteil an der Stadtwerke GmbH (SWM) an eine nicht von der Stadt beherrschte Gesellschaft (EMR) zu veräußern. Dazu gab die EMR ein notarielles Kaufangebot ab, in dem auch die Zustimmung „des hierfür zuständigen Gremiums der Stadt“ als aufschiebende Bedingung vorgesehen war. Der beklagte Rat der Stadt stimmte am 29.3.2001 der Annahme des Angebots zu. Nach entsprechender Beschlußfassung in der Gesellschafterversammlung der MVV nahm die Geschäftsführung der MVV am 5.4.2001 das Angebot notariell an. Knapp drei Monate nach dem Ratsbeschluß reichten die Kläger ein Bürgerbegehren ein, nachdem der zustimmende Ratsbeschluß aufgehoben werden sollte. Das Bürgerbegehren ist unzulässig.

Weder nach § 108 Abs. 5 GO noch nach § 111 Abs. 2 GO hätte die Veräußerung der Beteiligung der Zustimmung des Rates bedurft. Gleichwohl hat das OVG eine entsprechende vertragliche Regelung aufgrund der kommunalpolitischen Bedeutung des Vorgangs und der Weisungsmöglichkeit nach § 113 Abs. 1 S. 2 GO dahingehend ausgelegt, daß eine vertragliche Einwilligung zur Veräußerung der entsprechenden Anteile durch den Rat erforderlich war. Eine entsprechende Anwendung des § 183 S. 1 BGB, der den Widerruf einer Einwilligung nur bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts erlaubt, ergab, daß die Aufhebung des zustimmenden Ratsbeschlusses, die dem Widerruf der Einwilligung nach § 183 S. 1 BGB entsprechen würde, nur möglich war bis zur Annahme des Angebots der EMR durch die MVV - also bis zum 05.04.2001. Damit stand das Bürgerbegehren, jedenfalls soweit es auf die rückwirkende Aufhebung des Ratsbeschlusses gerichtet war, im Widerspruch zum entsprechend anwendbaren § 183 S. 1 BGB und verfolgte damit ein gesetzwidriges Ziel i.S.d. § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO.

Eine Aufhebung des Ratsbeschlusses mit Wirkung für die Zukunft wäre auch nicht möglich, da das Bürgerbegehren dann - entgegen § 26 Abs. 1 GO - nicht mehr auf eine Sachentscheidung gerichtet wäre. Denn der Ratsbeschluß hatte nur Rechtswirkung entfaltet zwischen der Zeit des Beschlusses und der Vornahme des Rechtsgeschäfts, dem zugestimmt wurde. Danach ging hingegen keine Wirkung mehr von ihm aus, so daß das Bürgerbegehren aus diesem Grunde unzulässig wäre.

Das Bürgerbegehren konnte auch nicht dahingehend „umgedeutet“ werden, als das die Fragestellung nunmehr lauten sollte, „ob der Vertrag - soweit möglich (z.B. durch Sonderkündigungsrechte) - aufgehoben werden solle“. Dies ergibt sich daraus, daß der Bürgerentscheid den Text des Bürgerbegehrens uneingeschränkt übernehmen muß und dementsprechend eine inhaltliche Änderung unzulässig ist. Daher wäre es in solchen Fällen nur möglich, ein neues Bürgerbegehren zu initiieren, welches – soweit rechtlich möglich - die Aufhebung des Ratsbeschlusses fordert. In diesem Zusammenhang wären aber auch die Fristen des § 26 Abs. 3 GO zu beachten.

Az.: I/2 020-08-26

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