Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 438/2021 vom 26.07.2021

Wiederherstellung von Ufern

Im Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe am 14./15. Juli 2021 haben verschiedene Städte und Gemeinden nachgefragt, wie sich die Sach- und Rechtslage bei der Wiederherstellung von Ufern an Flüssen und Bächen (Gewässern) darstellt. Auf der Grundlage der bislang ergangenen Rechtsprechung kann hierzu auf Folgendes hingewiesen werden:

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WHG gehört die Erhaltung der Ufer (einschließlich der Instandhaltung und die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen zum Erhalt einer Böschung und zur Sicherung und zum Erhalt der Anliegergrundstücke sowie Maßnahmen der provisorischen Erosionssicherung zum Gegenstand der Gewässerunterhaltungspflicht, soweit die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Wasserabflusses in einem Gewässer in Rede steht (vgl. VG Köln, Urteil vom 21.07.2015 – Az.: 14 K 2163/13 – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de ; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 39 WHG Rz. 40; Breuer/Gärlitz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl., S. 584, Rz. 1149; Niesen in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, Kommentar, 2. Aufl. 2017, § 39 WHG Rz. 38 bis 40; Queitsch in: Schink/Fellenberg, GK-WHG, 1. Aufl. 2021, § 39 WHG Rz. 29). Dieses ergibt sich ebenso aus § 61 LWG NRW, wonach sich die Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers auf das Gewässerbett und seiner Ufer erstreckt und zur Unterhaltung auch die Freihaltung, Reinigung und Räumung des Gewässerbettes und seiner Ufer gehört, soweit dieses dem Umfang nach geboten ist. Diese inhaltliche Pflichtenstellung und Reichweite der Gewässerunterhaltungspflicht folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 1 WHG, wonach die Unterhaltung von Gewässern (einschließlich der Ufer) nur dann den Eigentümern der Gewässer unterliegt, soweit diese Aufgabe nicht nach Landesrecht öffentlich-rechtlichen Körperschaften übertragen worden ist.

Gemäß § 62 Abs. 1 LWG NRW sind die Anliegergemeinden für Gewässer 2. Ordnung und sonstige Gewässer der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht, soweit nicht andere diese Pflicht wahrnehmen (§ 62 Abs. 2 bis 5 LWG NRW). Hierzu können z. B. freiwillig gegründete Wasser- und Bodenverbände auf der Grundlage des Wasser- und Bodenverbandsgesetzes des Bundes (WVG) oder sondergesetzliche Wasserverbände gehören, die dann an die Stelle der Anliegergemeinde treten (§ 62 Abs. 3 LWG NRW).

Grundsätzlich geht damit sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber davon aus, dass die Gewässerunterhaltung einschließlich der Erhaltung und Wiederherstellung der Ufer - auch zur Erosionssicherung - durch fachkompetente, öffentlich-rechtliche Körperschaften durchzuführen ist. Dieses ist somit grundsätzlich die Stadt/Gemeinde als Anliegergemeinde bei Gewässern bei 2. Ordnung und sonstigen Gewässern. Die Gewässer 2. Ordnung sind diejenigen Gewässer, die in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 LWG NRW unter dem Buchstaben „B“ (Gewässer zweiter Ordnung) aufgeführt sind. Hierzu gehören folgende 12 Gewässer.

  • Agger,
  • Berkel,
  • Bocholter Aa,
  • Dinkel,
  • Ems – soweit nicht Gewässer erster Ordnung,
  • Emscher, Erft, Issel, Lenne, Lippe – soweit nicht Gewässer erster Ordnung -,
  • Niers,
  • Ruhr – soweit nicht Gewässer erster Ordnung –
  • Rur,
  • Sieg – von der Quelle bis zur Landesgrenze - ,
  • Weser - soweit nicht Gewässer erster Ordnung –
  • und die Wupper.


Alle anderen Gewässer sind sonstige Gewässer, soweit sie wiederum nicht Gewässer 1. Ordnung sind (Buchstabe „A“ Ziffern I und II der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 LWG NRW).

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie weit das Ufer - landseitig gesehen – reicht. Diese Frage wird aufgeworfen, bei steilen Böschungsoberkanten (z. B. mit einer Höhe von 3 Metern – dazu: VG Köln, Urteil vom 21.07.2015 – Az.: 14 K 2163/13 – jeweils abrufbar unter: www.justiz.nrw.de). Landseitig ist das Ufer grundsätzlich der Geländestreifen zwischen Uferlinie und Böschungsoberkante. Das VG Saarland (Urteil vom 18.04.2008 – Az.: 11 K 20/06) hat den Standpunkt eingenommen, dass sich die räumliche Reichweite des Ufers grundsätzlich nur soweit erstreckt, wie das Wasser in einem Gewässer reichen kann. Diesem Standpunkt ist das VG Köln (Urteil vom 21.07.2015 – Az.: 14 K 2163/13 – Rz. 94 ff und Rz. 106 ff. der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.justiz.nrw.de) ausdrücklich nicht gefolgt. Im Kern geht es um Gewässer (u. a. Füsse, Bäche), die eine markante Böschungsoberkante im Gelände aufweisen oder die Böschungsoberkante derart hoch im Gelände liegt, dass dieser Bereich denkbar nicht mit Wasser aus dem Gewässer überströmt werden kann. Laut dem VG Köln sind auch hier provisorische Erosionssicherungsmaßnahmen – auch bei Uferabbrüchen - dem Uferbereich zuzuordnen. Dieses folgt aus § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WHG, wonach die Erhaltung der Ufer dem ordnungsgemäßen Wasserabfluss dient. Die Erhaltung des Ufers ist demnach bereits ein zureichender (wasserwirtschaftlicher) Zweck, auch wenn dieses z. B. zur Sicherung und zum Erhalt von Anliegergrundstücken führt, so dass auch Sicherungsmaßnahmen zur Erhaltung einer Böschung grundsätzlich dem Bereich der Erhaltung der Ufer zuzuordnen sind, denn zur Erhaltung der Ufer gehört insbesondere die Sicherung, Freihaltung, Unterhaltung, Instandhaltung, Erhaltung und der Schutz der Ufer (so: Niesen in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, Kommentar, 2. Aufl. 2017, § 39 WHG Rz. 38 bis 40).

Dieses gilt nur dann nicht, wenn eine Maßnahme keinem erkennbaren, wasserwirtschaftlichen Zweck dient, der bei der Gewässerunterhaltung in erster Linie darin besteht, einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss im jeweiligen Gewässer sicherzustellen. Denn die Gewässerunterhaltungspflicht beinhaltet abseits des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts keine allgemeine Pflicht des Trägers der Pflicht zur Gewässerunterhaltung (Unterhaltungspflichtigen) zur allgemeinen Gefahrenabwehr (so: OVG NRW, Beschluss vom 09.06.2011 – 20 B 151/11 - ; VG Aachen, Beschluss vom 27.09.2011 – Az.: 7 L 326/11 – jeweils abrufbar unter: www.justiz.nrw.de). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist stets eine Frage des konkreten Einzelfalls, wenn gleich eine Maßnahme an einem Gewässer im Regelfall – wenn auch nur geringfügig – dem wasserwirtschaftlichen Zweck der Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Wasserabflusses dienen wird. Unter diesem Gesichtspunkt ordnet die Rechtsprechung die Erhaltung einer Ufermauer ebenfalls dem Pflichtenkreis des Trägers der Gewässerunterhaltungspflicht zu, damit eine nachhaltige Erneuerung/Sanierung durch einen fachkompetenten öffentlich-rechtlichen Aufgabenträger durchgeführt wird (so: OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – Az.: 20 A 20/13 – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de; OVG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2017 – 13 LC 60/15 -). Ohnehin hat die obergerichtliche Rechtsprechung die klare Tendenz, dass Maßnahmen an Gewässern vorrangig durch den fachkompetenten Träger der Gewässerunterhaltungspflicht durchgeführt werden und in einem zweiten Schritt nach der Durchführung einer Maßnahme ein Ausgleich auf der Kostenebene – auch mit Blick auf die Anliegergrundstücke – gesucht wird (so: BVerwG, Urteil vom 29.04.2020 – 7 C 29.18 – in Bestätigung von OVG MV, Urteil vom 29.05.2018 – Az.: 1 L 506/16 – zu einem Krebswehr mit Fischaufstiegsanlage; OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2019 - Az.: 20 A 2095/17 – zu einem Gewölbetunnel mit gemauerten Seitenwänden mit Deckplatte; BayVGH, Beschluss vom 05.02.2018 – 8 ZB 16.788 – zu einem Gewässerdamm).

In diesem Zusammenhang ist außerdem in den Blick zu nehmen, dass bei Anlagen an, in, unter und über Gewässern im Sinne des § 36 WHG (z. B. Brücken, Gewässerverrohrungen) eine Sanierungs- und Instandhaltungspflicht für den Eigentümer der Anlage nur dann besteht, wenn eine solche Anlage überhaupt keinem wasserwirtschaftlichen Zweck dient. Dieses ist bei einer Gewässerverrohrung, die über ein Privatgrundstück verläuft, der Fall (so zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 23.12.2020 – Az.: 20 B 763/20 - Überbauung eines verrohrten Gewässers auf einem privaten Grundstück mit einem Gebäude).

Dient die Anlage allerdings – wenn auch nur geringfügig – einem wasserwirtschaftlichen Zweck ist sie auf der Grundlage der wasserrechtlichen Rechtsprechung keine „echte“ Anlage an einem Gewässer im Sinne des § 36 WHG, sondern ein integrierter Bestandteil des Gewässers, mit der Folge, dass der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht zur Durchführung von Maßnahmen verpflichtet ist (so: BVerwG, Urteil vom 29.04.2020 – 7 C 29.18 – in Bestätigung von OVG MV, Urteil vom 29.05.2018 – Az.: 1 L 506/16 – zu einem Krebswehr mit Fischaufstiegsanlage; OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2019 - Az.: 20 A 2095/17 – zu einem Gewölbetunnel mit gemauerten Seitenwänden mit Deckplatte; OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – Az.: 20 A 20/13 – Ufermauer ; OVG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2017 – 13 LC 60/15 - Ufermauer - , BayVGH, Beschluss vom 29.01.2018 – Az.: 8 ZB 16.2131 - ; BayVGH, Urteil vom 18.10.2016 – Az.: 8 BV 14.612 - ; Queitsch in: Schink/Fellenberg, GK-WHG, 1. Aufl. 2021, § 36 WHG Rz. 18 ff.).

Insgesamt folgt demnach aus § 39 Abs. 1 Nr. 1 WHG (Erhaltung des Gewässerbettes) und § 39 Abs. 1 Nr. 2 WHG (Erhaltung der Ufer), dass Maßnahmen der (provisorischen) Erosionssicherung sowie der Wiederherstellung von Ufern im Regelfall dem Bereich der Gewässerunterhaltung und damit dem öffentlichen Träger der Gewässerunterhaltungspflicht (§ 62 LWG NRW) zuzuordnen sind. Dem Träger der Gewässerunterhaltungspflicht obliegt somit die Durchführung von Maßnahmen, wenn dadurch der ordnungsgemäße Wasserabfluss im Gewässer sichergestellt wird.

Az.: 24.0.15 qu

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