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StGB NRW-Mitteilung 18/1997 vom 05.01.1997

Volkszugehörigkeit nach § 6 Bundesvertriebenengesetz (BVFG)

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12.11.1996 entschieden, daß Deutschstämmige aus der früheren Sowjetunion in der Regel Anspruch auf Aufnahme in Deutschland als sogenannte Spätaussiedler nur dann haben, wenn ihnen in der Familie die deutsche Sprache vermittelt worden ist.

Der mit Ehefrau und Kindern bei Perm (Rußland) lebende, 1965 geborene Kläger ist der Sohn eines russischen Vaters und einer deutschen Mutter, die 1992 nach Deutschland übergesiedelt ist. Er beherrscht die deutsche Sprache nicht. Ein von der deutschen Botschaft in Moskau durchgeführter Sprachtest hatte ergeben, daß er zwar einfache Wörter und Sätze schreiben konnte, aber nicht in der Lage war, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme des Klägers mit seiner Familie verpflichtet, weil der Kläger sich ernsthaft zum deutschen Volkstum bekannt habe. Er habe nämlich insbesondere bei der Beantragung eines Inlandpasses als 16jähriger gegenüber der sowjetischen Paßbehörde seine Nationalität als deutsch angegeben.

Dem Bundesverwaltungsgericht haben diese Umstände nicht genügt, um in der Person des Klägers die Voraussetzungen für die deutsche Volkszugehörigkeit gemäß § 6 BVFG zu bejahen. In seiner Presseerklärung vom 12.11.1996 ( Nr. 44) führt das Bundesverwaltungsgericht aus, daß das Bekenntnis zum deutschen Volkstum zwar Voraussetzung für eine Anerkennung der deutschen Volkszugehörigkeit sei, hierfür aber nicht ausreiche. Neben der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen müßten nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BVFG die Volkszugehörigkeit bestätigende objektive Merkmale wie Sprache, Erziehung und Kultur hinzukommen. Fehle es wie im vorliegenden Fall an der deutschen Sprache, so könne wegen des engen Zusammenhangs zwischen Sprache, Erziehung und Kultur in der Regel auch nicht von einer deutschen Erziehung oder der Vermittlung deutscher Kultur ausgegangen werden. Wer Russisch als Muttersprache spreche, sei grundsätzlich dem russischen Kulturkreis zuzurechnen.

Mit diesem Urteil weicht das Bundesverwaltungsgericht von seinen früheren Entscheidungen (zuletzt 29.08.1995, NVwZ-RR 1996, S. 232) ab. 1995 hatte das Bundesverwaltungsgericht noch entschieden, daß § 6 Abs. 2 BVFG neben der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschem Volkszugehörigen kumulativ wenigstens eines der in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG bezeichneten Merkmale verlangt. Es hatte hierzu ausgeführt, daß es hinsichtlich der in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG zusätzlich geforderten Vermittlung weiterer bestätigender Merkmale wie Sprache, Erziehung und Kultur ausreichend sei, wenn eines dieser Merkmale vorliege.

Da das Urteil noch nicht veröffentlicht ist, läßt eine erste vorläufige Bewertung nur die tendenzielle Einschätzung zu, daß die Voraussetzung der bestätigenden Merkmale in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden kann, wenn sich der Antragsteller wenigstens bruchstückhaft in der deutschen Sprache verständigen kann. Der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts wirkt sich unmittelbar auf die Erteilung von Spätaussiedlerbescheinigungen nach § 15 BVFG aus. Nunmehr sind die für die Ausstellung der Bescheinigung verantwortlichen Gemeinden daran gehalten, bei der Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft die Voraussetzungen für die deutsche Volkszugehörigkeit entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu prüfen.

Sobald das Urteil mit Begründung im Wortlaut vorliegt, wird es im "Städte- und Gemeinderat" veröffentlicht.

Az.: I/3-850-2

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