Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 508/2014 vom 02.07.2014

VGH Bayern zu Baugrenzen im Bebauungsplan und Nachbarschutz

Der VGH Bayern hat mit Beschluss vom 17. März 2014 — Az.: 2 ZB 12.2238 — zum grundsätzlich nicht gegebenen Nachbarschutz von Baugrenzen wie folgt Stellung genommen:

  1. Baugrenzen dienen grundsätzlich (nur) städtebaulichen Anforderungen. Eine ausnahmsweise gegebene nachbarschützende Funktion ist vom Nachbarn auf der Grundlage des Bebauungsplans oder aus dessen Begründung darzulegen.
  2. Wertminderungen als Folge der einem Dritten erteilten Befreiung bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind.

Einem Bauherrn war für eine Gartenhütte eine Befreiung von einer im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze erteilt worden. Ein Nachbar geht hiergegen vor und macht geltend, die Baugrenze sei nachbarschützend, er habe Anspruch auf ermessensfehlerfreie Abwägungsentscheidung und die Befreiung mache von ihm getätigte Investitionen und Planungen in nicht unerheblichem Maß wertlos.

Der VGH entscheidet, dass die Befreiung von der Baugrenze keine drittschützenden Vorschriften verletze. Der Nachbar könne die Befreiung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt seien, die zumindest auch seinem Schutz dienten. Dies sei jedoch nicht der Fall. Festsetzungen eines Bebauungsplans - mit Ausnahme der Art der baulichen Nutzung - könnten nur in besonderen Fällen als nachbarschützend angesehen werden, nämlich wenn sich aus dem Bebauungsplan selbst oder aus seiner Begründung ergebe, dass der Nachbar geschützt sein solle.

Baugrenzen dienten hingegen grundsätzlich (nur) städtebaulichen Anforderungen. Der Nachbar habe bereits nicht hinreichend konkret dargelegt, inwieweit sich aus dem Bebauungsplan selbst oder aus der Begründung des Bebauungsplans ergeben solle, dass die Festsetzung ausnahmsweise auch zum Schutz eines bestimmbaren und sich von der Allgemeinheit abgrenzenden Personenkreises gedacht sei.

Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung sei daher nur das Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen in § 31 Abs. 2 BauGB drittschützend. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletze, sei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt habe. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründe, hingen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen sei, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute komme, desto mehr könne er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen seien, umso weniger brauche derjenige, der das Vorhaben verwirklichen wolle, Rücksicht zu nehmen.

Abzustellen sei darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten sei. Dabei bildeten (eventuelle) Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Befreiung für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar seien oder nicht. Entscheidend sei vielmehr, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des Betroffenen sei. Je weniger der Nachbar in dieser Hinsicht an Rücksichtnahme verlangen könne, mit desto geringerem Gewicht schlage der Gesichtspunkt wirtschaftlicher Interessen bei der gebotenen Abwägung zu seinen Gunsten zu Buche.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass der Bebauungsplan abgesehen vom Gebietserhaltungsanspruch regelmäßig keine pauschalen nachbarschützenden Abwehrrechte vermittelt. (Quelle: IBR 2914m 375)

Az.: II gr-ko

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