Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 122/2002 vom 05.02.2002

VG Minden zur Selbstüberwachungsverordnung Kanal und Abwasserabgabe

Das Verwaltungsgericht Minden (VG Minden) hat sich in einem Urteil vom 27.11.2001 (Az.: 11 K4206/00) mit der Frage beschäftigt, wann eine Befreiung von der Abwasserabgabe für Niederschlagswasser wegen Nichterfüllung der Selbstüberwachungs-Verorderung Kanal NRW abgelehnt werden kann. Das VG Minden führt hierzu aus: Zu Recht sei das beklagte Landesumweltamt NRW zwar davon ausgegangen, daß die klagende Gemeinde für die Einleitung von Niederschlagswasser aus den benannten Kanalnetzen abgabepflichtig gewesen sei. Das beklagte Amt habe jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Abwasserabgabe abgelehnt. Nach § 7 Abs. 2 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) seien die Bundesländer ermächtigt, die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil für abgabefrei zu erklären. Von dieser Ermächtigung habe das Land Nordrhein-Westfalen durch § 73 Abs. 2 Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) Gebrauch gemacht. Die Einleitung von Niederschlagswasser bleibe danach auf Antrag abgabefrei, wenn die Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers und deren Betrieb den dafür in Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18 b Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und § 57 Abs. 1 LWG NRW entsprechen würden. Zudem müsse die Einleitung des mit Niederschlagswasser vermischten Abwassers hinsichtlich der in der Anlage zu § 3 AbwAG genannten Parameter den Mindestanforderungen nach § 7 a Abs. 1 WHG entsprechen.

Zu diesen allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören – so das VG Minden - nach § 57 Abs. 1 LWG NRW insbesondere die technischen Bestimmungen für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung von Abwasseranlagen, die vom Umweltministerium NRW durch Bekanntgabe im Ministerialblatt eingeführt worden seien. Für den Betrieb und die Unterhaltung von Kanalisationen seien mit Runderlaß des Umweltministeriums NRW vom 03.01.1995 ("Anforderung an den Betrieb und die Unterhaltung von Kanalisationsnetzen"; MBl. NW 1995, S. 250) - derartige allgemein anerkannte Regeln der Technik bekannt gemacht worden. Entgegen der Auffassung der klagenden Gemeinde gehörten zu diesen allgemein anerkannten Regeln der Technik i.S.d. § 57 LWG NRW auch die sich aus der Sebstüberwachungsforderung Kanal ergebenden Anforderungen. Die Rechtsauffassung der klagenden Gemeinde, die Selbstüberwachungsforderung Kanal sei schon deshalb keine allgemein anerkannte Regel der Technik i.S.d. § 18 b Abs. 1 WHG oder des § 57 LWG NRW, weil sie ihre Ermächtigung in § 61 LWG NRW finde, übersehe, daß auf sie in dem o.g. Runderlaß des Umweltministeriums NRW vom 03.01.1995 Bezug genommen werde. Damit sei die Selbstüberwachungsverordnung Kanal mittelbar über diesen Erlaß als allgemein anerkannte Regel der Technik i.S.d. § 57 LWG NRW bekannt gemacht worden. Die Länder seien durch § 7 Abs. 2 AbwAG im übrigen nicht gehindert, die Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe neben oder anstelle der Schädlichkeit des Abwassers von weiteren oder anderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Landesgesetzliche Regelungen, die die Befreiung von der Abwasserabgabe davon abhängig machen würden, daß die Errichtung, der Betrieb und die Unterhaltung der Abwasseranlage den allgemein anerkannten Regelung der Technik i.S.d. § 18 b Abs.1 Satz 2 WHG entsprechen müßten, seien daher zulässig (vgl. hierzu auch Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 03.07.1992 - 8 C 102/98 - NVWZ 1992, S. 1210).

Allerdings habe das beklagte Amt zu Unrecht angenommen, daß im streitigen Veranlagungszeitraum (1998) die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Abwasserabgabe nach § 73 Abs. 2 LWG NRW nicht vorgelegen hätten. Nach § 73 Abs. 4 LWG NRW sei hierbei auf die Verhältnisse am 30. Juni des (jeweiligen) Kalenderjahres abzustellen. Zwar spreche § 73 Abs. 4 LWG NRW nur von der "Festsetzung". Die Bezugnahme auf § 73 Abs. 2 LWG NRW mache aber deutlich, daß auf diesen Zeitpunkt auch hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung abzustellen sei. Ausgehend von dem damit maßgeblichen Stichtag des Veranlagungsjahres - 30.06.1998 - seien die Voraussetzungen für eine Abgabebefreiung im Falle der klagenden Gemeinde nach § 73 Abs. 2 LWG NRW erfüllt gewesen. Denn die klagende Gemeinde habe zu diesem Zeitpunkt ihre Untersuchungspflichten nach der Selbstüberwachungsordnung Kanal erfüllt.

Nach § 2 Abs. 1 SüwVKan i.V.m. Nr. 1 der dazugehörigen Anlage seien jährlich 10 % der Kanäle, d.h. das gesamte Kanalnetz innerhalb von 10 Jahren, zu erfassen und auf Feststellungen von Ablagerungen zu untersuchen. Eine zeitliche Festlegung, bis zu welchem Zeitpunkt eines Kalenderjahres diese Untersuchungen vorzunehmen seien, enthalte die Selbstüberwachungsverordung Kanal nicht. Der Forderung, "jährlich" 10 % des Kanalnetzes zu erfassen und untersuchen zu lassen, könne die abgabepflichtige Gemeinde deshalb bis zum 31.12. eines jeden Veranlagungsjahres nachkommen. Da der für das Veranlagungsjahr 1998 erforderliche Untersuchungsaufwand "jährlich" zu erbringen war, konnte der Gemeinde - so das VG Minden - durch das beklagte Amt nicht vorgeworfen werden, sie habe zum maßgeblichen Stichtag - 30.06.1998 - die sich aus der SüwVKan ergebenden Anforderung für das Veranlagungsjahr 1998 noch nicht erfüllt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin nur 20 % (jeweils 10 % für die Veranlagungsjahre 1996 und 97) des Kanalnetzes zu untersuchen, da die SüwVKan erst am 01.01.1996 in Kraft getreten war. Diese Voraussetzungen waren nach den unbestrittenen Angaben der klagenden Gemeinde erfüllt. Denn ausweislich der Angaben im Befreiungsantrag waren zum maßgeblichen Stichtag 16,5 km des insgesamt 76,12 km umfassenden Kanalnetzes, damit 21,7 % des Kanalnetzes entsprechend der SüwVKan untersucht worden.

Der Auffassung des beklagten Amtes, die Klägerin habe bis zum 30.06.1998 25 % des Kanalnetzes untersuchen lassen müssen, findet dagegen- so das VG Minden - in der SüwVKan keine Stütze.

Der in der Anlage zur SüwVKan unter Nr. 1 geforderte jährliche Untersuchungsumfang von 10 % des Kanalnetzes lasse ein Aufteilung in Teilzeiträume und Teilverpflichtungen über das Kalenderjahr hinweg nicht zu. Dem stehe auch der Sinn und Zweck der Stichtagsregelung des § 73 Abs. 4 LWG NRW nicht entgegen. Mit dieser Regelung solle sichergestellt werden, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung zumindestens während der Hälfte des Veranlagungsjahres (§ 11 Abs. 1 AbwAG) vorliegen. Die hieraus abgeleitete Rechtsauffassung des beklagten Amtes, dem widerspreche es, jemanden von der Abgabe zu befreien, der diesen Voraussetzungen erst am letzten Tag des Veranlagungsjahres erfülle, geht nach dem VG Minden fehl. Aus § 73 Abs. 4 LWG NRW ergebe sich lediglich der Zeitpunkt, an dem die nach § 73 Abs. 2 LWG NRW zu erfüllenden Voraussetzungen für die Befreiung vorliegen müssen. Ob und in welchem Umfang zum Stichtag die Voraussetzung für eine Befreiung vorliegen, ergebe sich dagegen aus den jeweils zu berücksichtigenden allgemein anerkannten Regeln der Technik. Erfordern diese Regelung der Technik - wie hier die SüwVKan - nicht, daß bestimmte Untersuchungen bis zum 30.06.1998 durchgeführt sein müssen, könne dem Einleiter, d.h. der klagenden Gemeinde nicht vorgeworfen werden, die Einleitung entspreche zu diesem für den Befreiungsantrag maßgeblichen Stichtag (§ 73 Abs. 4 LWG NRW) nicht den Regeln der Technik. Die nach alledem zutage tretenden Diskrepanz zwischen der Stichtagsregelung des § 73 Abs. 4 LWG NRW und den sich aus der Anlage zu § 2 SüwVKan ergebenden Fristen könne daher nicht zu Lasten der abgabepflichtigen Gemeinde gehen. Die Diskrepanz könne nur dadurch behoben, daß der nach Nr. 1 der Anlage zur SüwVKan erforderliche Untersuchungsaufwand von jährlichen 10 % auf halbjährliche 5 % geändert werde. Nur bei einer derartigen Anpassung (der Verordnung, d.h. der SüwVKan) wäre die Auffassung des beklagten Amtes richtig gewesen, daß die Klägerin zum 30.06.1998 25 % des Kanalnetzes hätte untersuchen müssen.

Az.: II/2 24-40

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