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StGB NRW-Mitteilung 254/2001 vom 20.04.2001

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zur Lernmittelfreiheit

Mit einem am 23.01.2001 verkündeten Urteil (Az.: 9 S 331/00) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhand eines Einzelfalles eine grundlegende Entscheidung zur Lernmittelfreiheit getroffen, die erhebliche Konsequenzen für alle Kommunen in Baden-Württemberg hat.

Der Kläger besuchte im Schuljahr 1997/98 die 8. Klasse eines Gymnasiums, dessen Schulträger die Beklagte ist. Im Deutschunterricht wurde im Mai 1998 die Erzählung "Die Outsider" von Susan Hinton behandelt, die als Ganzschrift angeschafft wurde. Der Kläger bezahlte hierfür 9,90 DM. Unter Berufung auf den Grundsatz der Lernmittelfreiheit verlangte er die Rückerstattung dieses Betrages. Die Beklagte lehnte das Erstattungsbegehren des Vaters des Klägers mit Bescheid ab. Zur Begründung hieß es, von der grundsätzlich geltenden Lernmittelfreiheit seien Gegenstände geringen Wertes ausgenommen. Welche Gegenstände als geringwertig anzusehen seien, bestimme der jeweilige Schulträger, dem für im Lernmittelverzeichnis nicht einzeln genannte Lernmittel wie etwa Ganzschriften vom Land ein Pauschbetrag zur Verfügung gestellt werde. Die Beklagte habe in Übereinstimmung mit den Schulleitern der Schulen in ihrer Trägerschaft die Grenze auf 10 DM festgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Begriff "Gegenstände geringen Wertes" fehlerhaft interpretiert werde, wenn damit alle Lernmittel bis zu einem Kostenbetrag von 10 DM einbezogen werden. Das Gericht begründet dies insbesondere aufgrund der Regelung des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Landesverfassung Baden-Württemberg (LV BW). Danach sind Lernmittel an öffentlichen Schulen unentgeltlich. Das umfasse nicht nur Sachbücher, sondern grundsätzlich alle Lernmittel. Die Unentgeltlichkeit wird stufenweise verwirklicht (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 LV BW). Aufgrund dieser Regelung hat das Gericht gefolgert, daß der Eigenanteil der Eltern nicht steigen dürfe, sondern vielmehr sinken müsse, weil andernfalls die Unentgeltlichkeit nicht stufenweise verwirklicht werden könne.

Diese landesverfassungsrechtlichen Regelungen Baden-Württembergs gehen allerdings weit über die verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen hinaus. Nach Auffassung der Geschäftsstelle ist dieses Urteil auf Nordrhein-Westfalen daher nicht übertragbar. Nach Artikel 9 Abs. 2 Satz 1 LV NW ist die Lehr- und Lernmittelfreiheit für alle Schulen gesetzlich zu regeln. Aufgrund dieser Bestimmung wird deutlich, daß Lernmittel für die Schülerinnen und Schüler nicht zwangsläufig unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen, vielmehr sind die Einzelheiten gesetzlich zu regeln. Die Garantie der Lernmittelfreiheit in der nordrhein-westfälischen Verfassung läßt Umfang und Höhe der Lernmittelfreiheit offen, da es sich um ein soziales Grundrecht handelt, das unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen steht, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann.

Diesem Auftrag des Landesverfassungsgebers ist der Gesetzgeber durch das Lernmittelfreiheitsgesetz nachgekommen. Nach § 3 Abs. 1 Lernmittelfreiheitsgesetz setzt der Kultusminister im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Finanzminister bei der Rechtsverordnung getrennt nach Schulstufen, Schulformen und Schultypen u.a. die Höhe des Eigenanteils und die Durchschnittsbeträge fest. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Durchschnittsbeiträge und den Eigenanteil nach § 3 Abs. 1 Lernmittelfreiheitsgesetz vom 24.03.1982 beträgt der Eigenanteil ein Drittel des jeweiligen Durchschnittsbetrages. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die mit den Bestimmungen der Landesverfassung in Einklang steht.

Bei Interesse kann das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 23.01.2001 bei der Geschäftsstelle angefordert werden.

Az.: IV/2-250-1/1

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