Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 512/2015 vom 08.07.2015

Verwaltungsgericht Neustadt zu gewerblichen Altkleidersammlungen

Das VG Neustadt a. d. Weinstraße hat mit Urteil vom 28.05.2015 (Az.: 4 K 1115/14.NW) entschieden, dass die Stadt Kaiserslautern einem gewerblichen Altkleidersammler zu Unrecht wegen eigener Alttextilien-Sammlungen verboten hat, innerhalb von Kaiserslautern Altkleider und -schuhe in Containern zu sammeln. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Stadt Kaiserslautern, nach europarechtskonformer Auslegung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), in ihrer Funktionsfähigkeit als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger hätte gefährdet sein müssen. Eine solche Gefährdung habe die Stadt nicht hinreichend belegen können. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt zeigte die Klägerin, ein im gesamten Bundesgebiet tätiger Entsorgungsfachbetrieb, gegenüber der Beklagten eine auf unbestimmte Zeit angelegte gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen an. Die angezeigte Sammlung betraf die Aufstellung von Alttextilien- und Altschuhcontainern an einem von Seiten der Klägerin bereits genutzten Standort eines Supermarktes im Stadtgebiet der Beklagten.

Die Beklagte untersagte der Klägerin die gewerbliche Sammlung von Altkleidern und -schuhen im Stadtgebiet von Kaiserslautern und forderte sie auf, die aufgestellten Sammelcontainer unverzüglich zu entfernen. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, durch die Sammlung würden Abfälle erfasst, für die sie selbst eine haushaltsnahe und hochwertige Erfassung und Verwertung durchführe. Die Sammlung der Klägerin gefährde die Stabilität der Gebühren, denn grundsätzlich minderten Einnahmen, die der Entsorgungsbetrieb über den Verkauf von Abfällen an Dritte erschließen könne, die Gebührenhöhe. Dagegen erhob die Klägerin Klage beim VG.

Entscheidung

Das VG hat der Klage stattgegeben. Die Untersagungsverfügung sei rechtswidrig. Nach den einschlägigen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) dürfe die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten gewerblichen Sammlung nur untersagen, wenn überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung entgegenstünden. Dies habe die Beklagte in dem Falle nicht ausreichend dargelegt. Die gesetzlichen Überlassungspflichten im Abfallrecht stellten Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit dar. Diese seien grundsätzlich zwar europarechtlich gerechtfertigt. Allerdings müssten die einschlägigen Vorschriften des KrWG zur Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung europarechtskonform ausgelegt werden.

Laut VG ist danach die Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn seitens des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eine hochwertige Erfassung oder Verwertung der betreffenden Abfallart erfolge. Vielmehr müsse auch in diesem Fall eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Tätigkeit vorliegen. Dies könne nur auf der Grundlage konkreter Zahlen und Fakten beurteilt werden. Die für den Erlass einer Untersagungsverfügung zuständige Behörde trage insoweit die Darlegungslast.

Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlich organisierten Entsorgungssystems durch eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers könne allenfalls angenommen werden, wenn die gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung und gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Aufkommens einer bestimmten Abfallart im Entsorgungsgebiet erfasse.

Vor dem Erlass einer auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützten Untersagungsverfügung sei von der Behörde zudem stets zu prüfen, ob nicht an Stelle des Verbots eine mildere Maßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Betracht komme, so das VG weiter. Vor dem Hintergrund dieser strengen rechtlichen Anforderungen sei es der Beklagten nicht gelungen, eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung respektive eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu belegen. Es stehe ihr aber frei, ihren Bürgern die Vorzüge des eigenen Bring- und Holsystems gegenüber den gewerblichen Sammlungen zu vermitteln.

Anmerkung

Das Urteil des VG Neustadt stellt heraus, dass strenge rechtliche Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) im Bereich der gewerblichen Altkleidersammlung gestellt werden. Insbesondere wird das Merkmal der wesentlichen Beeinträchtigung der Tätigkeit des örE in den Vordergrund gerückt. So sind die örE verpflichtet, anhand von konkreten Zahlen und Fakten zu belegen, dass ebendiese wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Zusätzlich ist im Vorfeld eine Prüfung erforderlich, ob eine mildere Maßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des örE in Betracht kommen könnte. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung der Berufungsinstanz ausfallen wird.

Az.: II gr-ko

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