Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 115/2014 vom 16.12.2013

Verwaltungsgericht Minden zur Ersatzvornahme bei Abfallgefäß-Entfernung

Das VG Minden hat mit Urteil vom 22.10.2013 (Az. 1 K 112/13) entschieden, dass eine Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger berechtigt ist, per Ordnungsverfügung ein privates Abfallentsorgungsunternehmen aufzufordern, die von ihm bereitgestellten Abfallgefäße aus dem öffentlichen Verkehrsraum nach der letzten Entleerung zu entfernen, wenn der Abfuhrvertrag mit der Gemeinde zum 31.12.2012 endet. Diese Ordnungsverfügung kann auch im Wege des verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Sofortvollzugs durch eine sog. Ersatzvornahme vollzogen werden.

Die beklagte Gemeinde war nach dem VG Minden berechtigt, die Abfallgefäße des privaten Abfallentsorgungsunternehmens im Wege der Ersatzvornahme aus dem öffentlichen Verkehrsbereich nach deren letztmaliger Entleerung zu entfernen. Zwar sei die Festsetzung der Ersatzvornahme insoweit rechtswidrig gewesen, als die Festsetzungsverfügung dem Abfallunternehmen (Klägerin) erst nach Durchführung der Ersatzvornahme bekannt gegeben worden sei. Die Festsetzung des Zwangsmittels nach § 64 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG NRW) sei im Rahmen des mehrstufigen Verwaltungsvollstreckungsverfahrens eine Voraussetzung für die Anwendung des Zwangsmittels (hier: die Ersatzvornahme/Einsammlung der Abfallgefäße).

Diese Festsetzung schreibe die Befugnis der Behörde zur Anwendung des Zwangsmittels gegenüber dem Betroffenen verbindlich fest und gebe ihm zugleich letztmals Gelegenheit, den Verwaltungszwang durch Pflichtenerfüllung abzuwenden. Die Festsetzung des Zwangsmittels diene insoweit u. a. dem Schutz des Vollstreckungsschuldners, der durch Steigerung der einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen angehalten werden solle, die zu erzwingende Handlung vor Anwendung des Zwangsmittels vorzunehmen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 06.12.1996 - Az. 5 B 74/95).

Dieser Grundsatz beansprucht nach dem VG Minden aber dann keine Geltung, wenn die Voraussetzung für eine Durchführung der Ersatzvornahme im Sofortvollzug gemäß §§ 22 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz NRW, 55 Abs. 2 VwVG NRW vorgelegen haben. Für diesen Fall habe der Gesetzgeber die Konkretisierungs-, Warn- und Schutzfunktion der Festsetzung des Zwangsmittels im Interesse einer zügigen Vollstreckung zurückgestellt und in § 64 Satz 2 VwVG NRW angeordnet, dass die Festsetzung des Zwangsmittels bei sofortigen Vollzug wegfalle. Diese Voraussetzung für ein Vorgehen im sog. Sofortvollzug sei hier erfüllt gewesen.

Nach § 22 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz NRW könne die Straßenbehörde (hier: die Gemeinde) den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen, wenn eine entsprechende Anordnungen nach § 22 Satz 1 Straßen- und Wegegesetz NRW (StrWG) nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend seien. § 22 Straßen- und Wegegesetz NRW stellt nach dem VG Minden  insoweit eine Spezialregelung für die Beendigung von Sondernutzungen an öffentlichen Straßen dar, durch welche der zuständigen Behörde die Befugnis verliehen wird, die unerlaubte Nutzung ohne vollziehbaren Grundverwaltungsakt, ohne Zwangsmittelandrohung und ohne vorherige Festsetzung zu beenden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.07.1999 - Az. 23 B 334/99).

Diese Voraussetzung hätten - so das VG Minden - in dem zu entscheidenden Fall vorgelegen. Die Durchsetzung der Entfernungsanordnung bezogen auf die Abfallgefäße im sog. gestreckten („regulären“) Verwaltungsvollstreckungsverfahren sei nicht erfolgversprechend gewesen. Aus maßgeblicher Sicht der beklagten Gemeinde sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Klägerin nach Verstreichen lassen der ihr gesetzten Frist (14.00 Uhr des auf die letzte Leerung folgenden Tages) sich durch eine Bekanntgabe der Festsetzungsverfügung noch kurzfristig zu einer Entfernung ihrer Abfallgefäße hätte veranlasst werden können.

Vielmehr habe die Klägerin durch ihr Verhalten bei dem Gesprächstermin am 23.10.2012 sowie durch ihr im Anhörungsverfahren abgegebenes Schreiben vom 04.12.2012 zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht als verpflichtet ansah, die Abfallgefäße im Anschluss an die letzte Leerung einzusammeln.

Ohne Erfolg gegen diese Annahme bleibe auch der Einwand der Klägerin - so das VG Minden -, die Beklagte habe sich durch ein Zuwarten die Voraussetzung für ein vorgehenden Sofortvollzug selbst geschaffen und dadurch den Vorrang eines Vorgehens im gestreckten Verfahren nicht beachtet. Dieser Einwand werde — so das VG Minden - den Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Hier habe kein Fall vorgelegen, in dem eine straßenrechtliche Sondernutzung bereits seit geraumer Zeit bestanden habe und der zuständigen Behörde deshalb die Möglichkeit offen gestanden habe, zeitlich im gestreckten Verfahren vorzugehen. Vielmehr sei die unzulässige straßenrechtliche Sondernutzung der Straße durch die Klägerin erst erkennbar geworden, nachdem die ihr gesetzte Frist zur Einsammlung der blauen Altpapiertonnen verstrichen gewesen sei.

Erst zu diesem Zeitpunkt sei deutlich geworden, dass die Klägerin als privates Abfallunternehmen ihrer Verpflichtung zur Entfernung der Gefäße aus dem öffentlichen Verkehrsraum nicht nachkommen werde. Insoweit könne keine Rede davon sein, dass die Beklagte sich die Voraussetzungen für ein Vorgehen im Sofortvollzug selbst geschaffen habe. In Anbetracht der Vielzahl der im öffentlichen Straßenraum nach 14.00 Uhr des auf die letzte Leerung folgenden Tages noch vorgefundenen blauen Altpapiertonnen sowie der durch entsprechende Fotografien in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten winterlichen Straßenverhältnisse war die beklagte Gemeinde nach dem VG Minden nicht verpflichtet, weiterhin an dem eingeleiteten gestreckten Verwaltungsverfahren festzuhalten. Sie konnte nunmehr im Sofortvollzug vorgehen.

Durch den rechtmäßigen Übergang vom gestreckten Verwaltungsvollstreckungsverfahren in den verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Sofortvollzug komme - so das VG Minden - eine Rechtsverletzung der Klägerin durch die Festsetzung der Ersatzvornahme nicht in Betracht. Grundlage der Kostenerhebung sei nunmehr die in § 22 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz NRW verankerte Kostentragungspflicht bei einem Vorgehen im Sofortvollzug. Eine Festsetzung der Ersatzvornahme gemäß § 64 VWVG NRW bedurfte es daher nicht mehr.

Soweit die Klägerin in dem angefochtenen Bescheid durch die Gemeinde darauf hingewiesen worden sei, die eingesammelten Müllbehälter würden bis zu ihrer Abholung eingelagert und nur auf Anordnung der beklagten Gemeinde herausgegeben, sei ein fortlaufende Rechtsverletzung der Klägerin  - so das VG Minden - ebenfalls nicht ersichtlich. Insoweit habe sich die Ordnungsverfügung durch Herausgabe der Abfallbehälter an die Klägerin erledigt, ohne dass insoweit noch eine offene Kostenforderung bestehe.

Az.: II/2 31-02 qu-ko

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