Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 70/2006 vom 20.12.2005

Verwaltungsgericht Arnsberg zu § 45 Landesbauordnung NRW

Das VG Arnsberg hat mit Urteil vom 25. Oktober 2005 (Az.: 4 K 4068/04) entschieden, dass § 45 Landesbauordnung NRW (LBauO NRW) nur für private Abwasserleitungen auf dem konkreten, privaten (Bau-)Grundstück gilt. Der Begriff der Abwasserleitung i.S.v. § 45 Bauordnung NRW sei zwar – so das VG Arnsberg - in dieser Vorschrift nicht definiert. Dem Wortlaut der Norm könne eine Aussage dazu, ob ihr Anwendungsbereich auf die Abwasserleitung des jeweiligen Baugrundstücks beschränkt sei oder auch sonstige Abwasserleitungen (über Grundstücke privater Dritter) erfasse, nicht unmittelbar entnommen werden. Eine ausdrückliche generelle Beschränkung des Anwendungsbereichs auf das jeweilige Baugrundstück fehle. Gleichwohl ergibt sich nach dem VG Arnsberg unter mehreren Gesichtspunkten, dass § 45 LBauO NRW sich lediglich auf private Abwasserleitungen auf dem konkreten Baugrundstück beziehen kann.

In systematischer Hinsicht kann nach dem VG Arnsberg mit Blick auf den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBauO NRW festgelegten Anwendungsbereich der Landesbauordnung festgestellt werden, dass Abwasserleitungen i.S.d. § 45 Landesbauordnung NRW von Leitungen, die der öffentlichen Abwasserbeseitigung dienen, zu unterscheiden seien. In diesem Sinne öffentliche (Abwasser-)leitungen unterlägen den Bestimmungen der Landesbauordnung nicht, woraus folge, dass Abwasserleitungen i.S.d. § 45 LBauO NRW ausschließlich privater Natur seien. Hieraus ergäbe sich zugleich, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Falles keiner positiven Feststellung bedürfe, ob die streitgegenständlichen Kanäle öffentliche Abwasserleitungen seien. Wäre dies der Fall, so wären die auf § 45 Landesbauordnung NRW gestützten Ordnungsverfügungen wegen der Unanwendbarkeit der Landesbauordnung von vornherein rechtswidrig.

Nach dem VG Arnsberg wird aber bereits aus der systematischen Stellung der § 45 LBauO NRW (5. Abschnitt des 3. Teils der Landesbauordnung - „haustechnische Anlagen“) ein konkreter Grundstücksbezug der Norm deutlich: § 45 Landesbauordnung NRW sei eine Ergänzung der bauordnungsrechtlichen Erschließungsanforderung des § 4 LBauO NRW NRW. Diese Erschließungsanforderungen seien im 2. Teil der Landesbauordnung („Das Grundstück und seine Bebauung“) geregelt und ihrerseits grundstücksbezogen. Dass der Begriff der Abwasseranlage und damit der Begriff der Abwasserleitung i.S.d. § 45 Landesbauordnung NRW allein grundstücksbezogen zu verstehen sei, ergebe sich auch mit Blick auf die weitere Gesetzessystematik: Die Landesbauordnung regele in § 4 Abs. 1 Nr. 3 Landesbauordnung NRW, dass Gebäude nur errichtet werden dürfen, wenn gesichert sei, dass bis zum Beginn ihrer Benutzung die erforderlichen Abwasseranlagen vorhanden und benutzbar seien und die Abwasserbeseitigung entsprechend den wasserrechtlichen Vorschriften gewährleistet sei. Die Vorschrift differenziere mithin zwischen dem Erfordernis des Vorhandenseins und der Benutzbarkeit der Abwasseranlage in dem Gebäude bzw. auf dem Grundstück einerseits und der von den Gegebenheiten des Baugrundstücks unabhängigen Gewährleistung der Abwasserbeseitigung nach Maßgabe wasserrechtlicher Vorschriften andererseits. Eine ordnungsgemäße Beseitigung des auf dem Baugrundstück anfallenden Schmutzwassers i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Landesbauordnung NRW sei dabei sichergestellt, wenn der Anschluss des Grundstücks an eine öffentliche Abwasserleitung erfolgen könne, was auch dann der Fall sei, wenn durch eine über Privatgrundstücke Dritter verlaufende private oder öffentliche Anschlussleitung ein Anschluss des Grundstücks an den öffentlichen Abwasserkanal – rechtlich abgesichert - ermöglicht werde.

Dass § 45 Landesbauordnung sich nur auf Abwasserleitungen auf dem konkreten, privaten (Bau-)Grundstück bezieht, ergibt sich – so das VG Arnsberg – schließlich aus den Verwaltungsvorschriften zu § 45 LBauO NRW. Auch hier werde in Ziff. 3 ausdrücklich zwischen dem „Anschlusskanal“, also dem Kanal vom öffentlichen Straßenkanal bis zur Grundstücksgrenze oder bis zum ersten Reinigungsschacht auf dem Grundstück einerseits und der „Grundleitung“, als der liegenden, meist im Erdreich verlegten „Leitung auf dem Grundstück“, die Abwasser dem Anschlusskanal zuführt, differenziert. Dieses grundstücksbezogene Verständnis des § 45 LBauO NRW entspreche auch dem Zweck des Bauordnungsrechtes zur Gefahrenabwehr im Hinblick das konkrete Baugrundstück und der auf ihm errichteten baulichen Anlagen.

In Anbetracht dieser Gesamteinordnung des § 45 LBauO NRW ergeben sich nach dem VG Arnsberg in der Folge auch Maßgaben für die behördlichen Zuständigkeiten. Maßgeblich für die Abgrenzung verschiedener behördlicher Zuständigkeiten bei Einschlägigkeit unterschiedlicher Regelungsbereiche (hier: Bauordnungsrecht einerseits und Entwässerungsrecht andererseits) sei insoweit die Zielrichtung, die mit dem behördlichen Handeln verfolgt werde: Gehe es darum, dem Baurecht auf dem in Anspruch genommenen Grundstück Geltung zu verschaffen, sei die Bauaufsicht(behörde) zuständig, gehe es – wie im vorliegenden Fall – um wasser- bzw. entwässerungsrechtliche Belange, sei die Wasserbehörde bzw. die Gemeinde (als abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft) zuständig (vgl. zur Abgrenzung zwischen Bauaufsichts- und Abfallwirtschaftsbehörden: OVG NRW, Beschluss vom 31.10.1994 – Az.: 10 A 4084/92 -, in: BRS 5, 198).

Vor diesem Hintergrund erachtet das VG Arnsberg die angefochtenen Ordnungsverfügungen als rechtswidrig, weil durch sie gerade auf die Pflicht der Kläger zur Dichtheitsprüfung und Sanierung der (im Wesentlichen) außerhalb der jeweiligen Baugrundstücke der Kläger gelegenen „Hausanschlussleitung“ (auf Grundstücken Dritter) abgestellt worden sei. Die Ordnungsverfügungen seien wasserrechtlich- und entwässerungsrechtlich unter anderem unter Hinweis auf die Gefahren für das Grundwasser begründet worden, so dass die Ordnungsverfügungen nicht auf § 45 LBauO NRW hätten gestützt werden können. Vielmehr hätten die Ordnungsverfügungen auf der Grundlage der Anstaltsgewalt der Gemeinde als Betreiberin der öffentlichen Abwasseranlage gestützt werden müssen (siehe hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2002 – Az.: 15 B 1355/02 -, in: NVwZ-RR 2003, S. 297 = NWVBl 2003, S. 104). Eine Umdeutung der angefochtenen Ordnungsverfügungen nach § 47 VwVfG NRW komme zudem nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens und damit der Festlegung des Streitgegenstandes (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VWGO) von vornherein nicht in Betracht. Widerspruchsbehörde für eine auf die Anstaltsgewalt der Gemeinde gestützte Sanierungsverfügung sei die Gemeinde selbst (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WVGO), während hier – unter Zugrundelegung der baurechtlichen Ermächtigungsgrundlage – der Landrat als nächst höhere Behörde über den Widerspruch der Kläger zu entscheiden habe. Eine für eine Umdeutung erforderliche Verfahrensidentität (vgl. OVG NRW, Urt. v. 07.03.1994 – 22 A 753/92 – ) fehle damit.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin: Nach dem Urteil des VG Arnsberg vom 25.10.2005 kann eine Ordnungsverfügung zur Sanierung von privaten Abwasserleitungen auf der Grundlage des § 45 Landesbauordnung nur angeordnet werden, wenn es sich um private Abwasserleitungen handelt, die auf dem privaten (Bau-)grundstück vorzufinden sind. Für sonstige private Abwasserleitungen, die z.B. über Grundstücke Dritter verlaufen, verbleibt deshalb nur die Möglichkeit, eine Ordnungsverfügung auf die Anstaltsgewalt der Gemeinde als Betreiberin der gemeindlichen Abwasseranlage zu stützen (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2002 – 15 B 1355/02 -, NVwZ-RR 2003, S. 297 = NWVBl 2003, S. 104). Maßgeblich für die Abgrenzung verschiedener behördlicher Zuständigkeiten (hier der Bauordnungsbehörde und der Gemeinde als Betreiberin der öffentlichen Abwasserabwasserbeseitigungsanlage) ist nach dem VG Arnsberg die Zielrichtung, die mit dem behördlichen Handeln verfolgt wird. Geht es darum, dem Baurecht auf dem in Anspruch genommen Grundstück Geltung zu verschaffen, ist die Bauaufsicht zuständig, geht es um wasser- bzw. entwässerungsrechtliche Belange, sei die Wasserbehörde bzw. die Gemeinde als abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde zuständig.

Az.: II/2 24-30 qu/g

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search