Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 721/2005 vom 22.09.2005

Verwaltungsgericht Aachen zur ortsnahen Regenwasserbeseitigung

Das VG Aachen hat mit Urteil vom 06. Juli 2005 (Az. 6 K 2420/98) entschieden, dass ein Grundstückseigentümer das auf seinem Grundstück anfallende Niederschlagswasser von den bebauten und versiegelten Flächen nicht dort versickern kann, wenn die Gemeinde einen Regenwasserkanal gebaut und damit eine Entscheidung über die Beseitigung des Niederschlagswassers von privaten Grundstücken getroffen hat.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde. Einem Grundstückseigentümer war eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Versickerung des Niederschlagswassers auf seinem Grundstück durch die untere Wasserbehörde des Kreises erteilt worden. Gegen diese Erlaubnis legte die abwasserbeseitigungspflichtige Stadt Widerspruch ein und begründete diesen Widerspruch damit, dass sie in Kürze einen Regenwasserkanal bauen werde das zu entwässernde Gesamtgebiet für eine ortsnahe Regenwasserbeseitigung auf den Privatgrundstücken nicht geeignet sei. Im Übrigen ergebe sich aus § 51 a LWG NRW kein Vorrang privater Beseitigungsformen im Hinblick auf das Niederschlagswasser von privaten Grundstücken gegenüber der Beseitigung des Niederschlagswassers durch die Kommune. Die erteilte wasserrechtliche Erlaubnis zugunsten des Grundstückseigentümers würde demnach den Handlungsspielraum der Stadt unzulässig einschränken. Die Bezirksregierung gab dem Widerspruch der Stadt statt. Hiergegen richtete sich die Klage des Grundstückseigentümers vor dem VG Aachen.

Das VG Aachen hat mit Urteil vom 06.07.2005 entschieden, dass der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung rechtmäßig ist und die Klage des Grundstückseigentümers abgewiesen. Nach dem VG Aachen stehen die Beseitigungsformen für das Regenwasser in § 51 a LWG NRW a.F. (Versickerung, Verrieselung und ortsnahe Einleitung in ein Gewässer) auf einer Stufe. Es sei nicht zu erkennen, dass der Landesgesetzgeber entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ein Vorrangverhältnis zugunsten der Versickerung oder Verrieselung des Niederschlagswassers auf einem privaten Grundstück, auf dem es anfällt, haben schaffen wollen. In der Gesetzesbegründung, komme vielmehr zum Ausdruck, dass die ortsnahe Einleitung in ein Gewässer über eine kommunale Trennkanalisation ebenso wie die anderen aufgeführten Beseitigungsformen (Versickerung, Verrieselung, ortsnahe Einleitung direkt in ein Gewässer) der Zielsetzung des Gesetzes entspreche.

Diese Wertung werde – so das VG Aachen - auch durch die Gesetzesmaterialien zum neuen Landeswassergesetz vom 03. Mai 2005 (GV NRW 2005, S. 463; in Kraft getreten am 11.5.2005) bestätigt. Mit dem neuen Landeswassergesetz NRW seien die Regelungen in § 51 a LWG NRW und § 53 LWG NRW geändert worden. Zwar findet – so das VG Aachen - die neue Gesetzlage auf den zu entscheidenen Fall keine Anwendung, weil es hier auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis im Jahr 1997 ankommt. Gleichwohl habe der Landesgesetzgeber durch die Neufassung des § 51 a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW im geänderten Landeswassergesetz - ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf - verdeutlichen wollen, dass § 51 a LWG NRW gerade kein Vorrangprinzip beinhalte, nachdem Niederschlagswasser vorrangig auf dem Grundstück zu beseitigen sei. Gleichzeitig habe deutlich gemacht werden sollen, dass die Trennkanalisation der generellen Zielsetzung des § 51 a LWG entspreche (vgl. hierzu LT-Drs. 13/6222 zu § 51 a, S. 100). Der Landesgesetzgeber habe ausdrücklich keine inhaltliche Änderung der Gesetzeslage bewirken wollen, sondern habe sich vielmehr gehalten gesehen, die gesetzliche Regelung klarer zu fassen und damit deutlich zu machen, dass das u.a. vom Kläger angenommene Vorrangprinzip zugunsten der privaten Niederschlagsbeseitigung auf dem privaten Grundstück selbst nach dem gesetzgeberischen Willen nicht gegeben ist und es auch früher (vor Inkrafttreten des neuen Landeswassergesetzes zum 11.05.2005) nach dem alten Landeswassergesetz NRW nicht gegeben war.

In Anbetracht dessen kommt nach dem VG Aachen der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde damit bei der Frage, welche Form der ortsnahen Regenwasserbeseitigung gewählt wird (z.B. Versickerung auf dem Privatgrundstück oder Ableitung über einen Regenwasserkanal) eine Entscheidungskompetenz zu. Die Kommune kann nach dem VG Aachen deshalb die Beseitigungspflicht für Regenwasser in einem Kollisionsfall (d.h. in einem Fall, in welchem mehrere Varianten der ortsnahen Regenwasserbeseitigung möglich sind z.B. Regenwasserkanal einerseits oder Versickerung des Regenwassers auf dem Privatgrundstück andererseits) an sich ziehen und vorgeben, dass anstatt einer Versickerung auf dem privaten Grundstück eine Ableitung des Regenwassers über einen Regenwasserkanal erfolgt. In dem entschiedenen Fall weist das VG Aachen zusätzlich darauf hin, dass die Annahme der Stadt in dem Entwässerungsgebiet sei eine Versickerung bzw. Verrieselung auf den privaten Grundstücken überwiegend nicht möglich durch eine Stellungnahme einer Ingenieurgesellschaft und durch eine eingeholte Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes bestätigt wird, d.h. auch wasserwirtschaftlich und im Hinblick auf das Wohl der Allgemeinheit i.S.d. § 51 a Abs. 1 LWG NRW die Stadt gehalten war, einen Regenwasserkanal zu bauen.

Dass es letztlich die Gemeinde in der Hand hat, in einem Entwässerungsgebiet das anfallende Niederschlagswasser durch die Vornahme und Realisierung einer konkreten Kanalisationsplanung an sich zu ziehen, und dass ihr deshalb im Kollisionsfall der Vorrang gebührt, wird – so das VG Aachen - überdies bestätigt durch die Klarstellung, die der Landesgesetzgeber mit den Änderungen der §§ 51 a, 53 LWG n.F. vorgenommen hat. In § 53 Abs. 3 a LWG n.F. ist – so das VG Aachen - festgelegt, dass der Nutzungsberechtigte eines Grundstückes nur dann abwasserbeseitigungspflichtig wird, wenn die Gemeinde ihn von der Überlassungspflicht nach § 53 Abs. 1 c LWG n.F. freigestellt hat. Das in dieser Regelung neu geschaffene Übertragungsverfahren sei zwar - so das VG Aachen - auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar, weil es auf den Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis zur Versickerung ankomme. Gleichwohl ist der Regelung nach dem VG Aachen die gesetzgeberische Absicht zu entnehmen, das Letzt-Entscheidungsrecht der Gemeinde zuzubilligen, was auch für die Altregelung nach dem alten Landewassergesetz NRW anzunehmen sei. Denn insoweit mache die Gesetzesbegründung hinreichend deutlich, dass der Landesgesetzgeber – mit Ausnahme der in Abkehr von einem gesetzlichen Pflichtenübergang vorgenommenen Einführung eines geregelten Übertragungsverfahrens – keine inhaltliche Neuregelung der Abwasserbeseitigungspflichten, sondern lediglich einige Konkretisierungen und Klarstellungen habe vornehmen wollen (vgl. LT-Drs. 13/6222, S. 100 zu § 51 a und S. 103 zu § 53).


Az.: II/2 24-30 qu/g

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