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StGB NRW-Mitteilung 688/2001 vom 20.11.2001

Verkehrssicherungspflicht in Badeanstalten

Mit Urteil vom 30.11.2000 hat das Oberlandesgericht Hamm (Az.: 6 U 172/99) einen Rechtsstreit zur Verkehrssicherungspflicht in Badeanstalten entschieden, dem im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Der Kläger hatte sich im Hallenbad der Beklagten zu 1) eine erhebliche Kopfverletzung zugezogen und war anschließend mit dem Gesicht nach unten bewußtlos auf dem Wasser des Nichtschwimmerbeckens getrieben. Infolge der Sauerstoffunterversorgung hatte der Kläger eine Hirnschädigung erlitten. Der Kläger begehrte sowohl von der Beklagten zu 1) als auch von dem aufsichtsführenden Bademeister, dem Beklagten zu 2), der sich zur fraglichen Zeit im Schwimmeisterbüro aufgehalten hatte, materiellen und immateriellen Schadensersatz. Bereits das Landgericht Münster hatte in der 1. Instanz die Klage abgewiesen.

Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das OLG Hamm sah eine für den Gesundheitsschaden des Klägers kausale Pflichtverletzung der Beklagten als nicht erwiesen an.

Das OLG prüfte zunächst eine Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 2) gem. §§ 823, 847 BGB. Zu diesem Zweck definierte es den Umfang der Wasseraufsichtspflicht. Als verantwortlichem Bademeister habe ihm oblegen, die Schwimmbecken von regelmäßig wechselnden Standorten zu überblicken und in Notfällen helfend einzugreifen. Um seiner Aufsichtspflicht zu genügen, habe er seine Standorte so wählen müssen, daß er den Badebetrieb großflächig habe überblicken können. Eine Verpflichtung, alle Badegäste ständig im Auge zu behalten, habe für den Bademeister zwar nicht bestanden. Jedoch habe er sich in angemessenen, regelmäßigen Abständen einen zur Kontrolle geeigneten Überblick verschaffen müssen.

Das OLG berücksichtigte, daß eine Verkehrssicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Für erforderlich hielt es daher auch nur solche Sicherheitsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach auch zumutbar sind.

Im konkreten Fall gelangte das OLG zu dem Ergebnis, daß der Bademeister die hohen Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Badeaufsicht zu stellen sind, erfüllt hatte.

Zunächst stellte das Gericht fest, daß der Bademeister sich nicht dadurch pflichtwidrig verhalten hatte, daß er sich zwischenzeitlich im Schwimmeisterraum aufgehalten hatte. Es sei nicht ersichtlich, daß er aus diesem Raum heraus seiner Aufgabe, den Badebetrieb großflächig zu überwachen, nicht gerecht geworden sei. Zwar habe er den Schwimmbetrieb – und somit auch das Nichtschwimmerbecken – nur durch ein Glasfenster und eine Glastür beobachten können. Seine Übersicht sei jedoch zusätzlich durch einen im Schwimmeisterbüro vorhandenen Spiegel gewährleistet worden. Aufgrund dieser Sachlage könne in seinem Verhalten nicht ohne weiteres ein Pflichtenverstoß gesehen werden.

Das OLG präzisierte, daß sich der Beklagte zu 2) allerdings dann vorwerfbar fehlerhaft verhalten hätte, wenn er (vom Büro aus) die Wasseroberfläche des Nichtschwimmerbeckens unangemessen lange aus den Augen gelassen und aus diesem Grunde die Notsituation des Klägers übersehen hätte.

Der Kläger hatte zwar behauptet, der Beklagte zu 2) habe 10 bis 15 Minuten lang im Bademeisterraum Kaffee getrunken. Die Aussagen der vernommenen Zeugen hinsichtlich des Zeitablaufs befand das Gericht jedoch als zu unzuverlässig. Es stellte daher auf ein Sachverständigengutachten ab, dem zu entnehmen war, daß der Kläger ca. 2 Minuten lang mit dem Gesicht im Wasser getrieben war.

Das OLG bezog sich sodann darauf, daß bei tauchenden Badegästen - die naturgemäß einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen - häufig ein Pflichtverstoß des aufsichtsführenden Bademeisters anzunehmen sei, wenn eine Untertauchzeit von 4 Minuten oder mehr feststünde. Zugleich bedachte es, daß es selbst dann an einem Pflichtverstoß fehlen kann, wenn die Notsituation eines Badegastes mehr als eine Minute lang unbemerkt bleibt.

Im vorliegenden Fall vermochte das OLG die Tatsache, daß der Bademeister 2 Minuten lang nicht auf die Situation des Klägers reagiert hatte, noch nicht als Pflichtenverstoß zu werten. In die Bewertung des Gerichts floß mit ein, daß der Kläger nicht getaucht, sondern an der Wasseroberfläche getrieben hatte und seine Haltung ähnlich ausgesehen hatte wie jene, die Kinder beim Spiel im Wasser oftmals einnehmen. Ferner wurde bedacht, daß auch untrainierte Schwimmer ihren Atem durchaus eine Minute lang anhalten können, bevor es zur Luftnot kommt.

Eine Haftung des Beklagten zu 2) wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht lehnte das OLG daher ab. Ebenso lehnte das OLG eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) ab.

Das Urteil kann bei der Geschäftsstelle angefordert werden.

Az.: IV/2-382-13/9

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