Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 585/2015 vom 22.09.2015

Vergaberechtswidrigkeit versteckter Produktvorgaben

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 16.03.2015 — Az.: VK 2-9/15 - grundlegende Ausführungen zur Unzulässigkeit von Produktvorgaben gemacht:

  1. Die Entscheidung, welcher Gegenstand mit welcher Beschaffenheit und mit welchen Eigenschaften beschafft werden soll, obliegt dem öffentlichen Auftraggeber. Dieser ist in der Auswahl der von ihm zu beschaffenden Gegenstände grundsätzlich frei. Grenze des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers ist aber die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung.
  2. In technischen Anforderungen darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dies ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt.
  3. Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen und explizit in der Leistungsbeschreibung benannt worden ist, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wurde, weil nur ein einziges Produkt allen Vorgaben gerecht werden kann.

Der Auftraggeber (AG) schreibt die Lieferung von Sportgeräten aus. In der Leistungsbeschreibung sind exakte Maße (Größe und Gewicht) der Geräte aufgeführt. Ein Bieter rügt dies mit Hinweis darauf, dass diese Maße nur von anderen Produzenten hergestellt werden, während sich seine Geräte teils erheblich von den ausgeschriebenen Ausmaßen unterscheiden. Nach erfolgloser Rüge ruft er die Vergabekammer an.

Soweit sogenannte „Kurzhanteln" mit einer Gewichtabstufung von 1,25 kg ausgeschrieben sind, verstößt dies aus den in den Leitsätzen genannten Gründen gegen das Gebot der Produktneutralität, denn diese Hanteln stellt nur ein Wettbewerber her. Eine sachliche Rechtfertigung besteht nicht, da die Begründung des AG, die Probanden hätten diese Abstufung als besonders angenehm und effektiv empfunden, nicht dokumentiert ist. Hinsichtlich anderer Geräte hat der AG zwar kurz vor der Angebotsabgabefrist - ohne dies publik zu machen - das Leistungsverzeichnis insoweit abgeändert, als er die exakten Vorgaben mit dem Zusatz „ca." versehen hat; allerdings hat er die Bandbreite zulässiger Abweichungen nicht angegeben.

Hierdurch verstößt der AG gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot, was die Vergabekammer von Amts wegen aufgreift. Eine hinreichende Transparenz ist Voraussetzung für eine diskriminierungsfreie Vergabe. Gegen diesen Grundsatz wird verstoßen, wenn die in den Vergabeunterlagen zum Ausdruck gebrachten Anforderungen aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit nicht von allen Bietern im gleichen Sinne verstanden werden können. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung dürften Abweichungen von unter 10 Prozent im Rahmen dessen liegen, was als „ca." bezeichnet werden kann. Da hier aber der AG Abweichungen in den Abmessungen von weit über 10 Prozent akzeptiert hat, könnten andere Bieter gegebenenfalls von der Angebotsabgabe abgehalten worden sein, da nicht ersichtlich ist, welche anderen Maße hätten angeboten werden können.

Praxishinweis

Auch im zweiten Anlauf gelingt es dem AG nicht, eine produktneutrale Ausschreibung auf die Beine zu stellen. Bestimmte Produkte - ob ausdrücklich oder versteckt - dürfen nur gefordert werden, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Hierzu bedarf es einer detaillierten und dokumentierten Begründung. Dies ist bei kommunalen Beschaffungen zu beachten.

Az.: II gr-ko

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