Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 244/2007 vom 22.02.2007

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 12.01.2007 (15 E 1/07) an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach der Verwaltungsrechtsweg für den vergaberechtlichen Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte geöffnet ist. Die Vergabeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2006, S. 3701) stünde dem nicht entgegen. Das OVG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtswegfrage die weitere Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Diese ist auch fristgerecht eingelegt worden. Im Nachfolgenden sind die tragenden Gründe des OVG NRW dargelegt. Im übrigen kann eine Übersicht der vom OVG NRW ergangenen Rechtsprechung zum vergaberechtlichen Primärrechtsschutz im Intranet unter Fachgebiete/Bauen und Vergabe/Baurecht durch unsere Mitglieder eingesehen werden.

Im Einzelnen wird der Verwaltungsrechtsweg im Wesentlichen wie folgt vom OVG NRW begründet:

Das Verfahren der Auftragsvergabe durch Träger öffentlicher Gewalt unterscheidet sich auf Grund seiner Zweistufigkeit grundlegend von der Auftragsvergabe durch Private im Übrigen. Das Zivilrecht wird bestimmt durch den Grundsatz der Privatautonomie, wonach die Einholung von Angeboten und deren Auswahl grundsätzlich der freien, rechtlich nicht determinierten Entscheidung des Einzelnen überlassen bleibt. Dementsprechend sind diese Verfahrensschritte in der Regel nicht Gegenstand eigener rechtlicher Betrachtung. Diese konzentriert sich vielmehr auf den Vertragsschluss und die Vertragsabwicklung, deren Rechtsqualität auch die vorvertragliche Phase bestimmt. Demgegenüber kommt bei der Auftragsvergabe durch Träger öffentlicher Gewalt – mag sie auch in einen privatrechtlichen Vertrag einmünden – gerade auch der Angebotseinholung und -auswahl besondere rechtliche Bedeutung zu. Nach § 55 der Landeshaushaltsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (LHO) muss dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Beim Abschluss von Verträgen ist nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren. Gemäß VV Nr. 2.1 zu § 55 LHO gelten für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen insbesondere die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie die Verdingungsordnungen für Leistungen (VOL) und freiberufliche Leistungen (VOF). Für die Vergabe von Aufträgen durch Gemeinden bestimmt § 25 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung, dass die Vergabebestimmungen anzuwenden sind, die das Innenministerium bekannt gibt (vgl. insoweit den maßgeblichen Runderlass des Innenministeriums vom 22. März 2006, MBl. NRW. 2006, S.222). Die jeweils anzuwendenden Regelwerke enthalten im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung und eines fairen Wettbewerbs allein für öffentliche Auftraggeber geltende detaillierte Regelungen des Ausschreibungsverfahrens

Das auf der Ebene der Gleichordnung liegende Auswahlverhältnis ist als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, weil es mit den haushalts- und vergaberechtlichen Vorschriften sowie Art. 3 Abs. 1 GG durch Sonderrecht der Träger öffentlicher Gewalt geprägt wird.

Das nordrhein-westfälische Vergaberecht ist – wie das deutsche Vergaberecht insgesamt – traditionell ein spezieller Teil des Haushaltsrechts und teilt deshalb dessen öffentlich-rechtlichen Charakter. Dies gilt auch für Vergabe- und Verdingungsordnungen. Nach VV Nr. 3.2 zu § 55 LHO ist in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die VOB und VOL nicht Vertragsbestandteil werden, sondern den Charakter von Dienstanweisungen an die Dienststellen tragen. Die Anwendung dieser Regelungen ist durch VV Nr. 2.1 zu § 55 LHO im Innenverhältnis gegenüber den Trägern öffentlicher Gewalt verbindlich vorgegeben und kann nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG im Außenverhältnis auch von Bietern gefordert werden. Dass die angeführten Verdingungsordnungen nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung dienen, sondern daneben gerade auch den Interessen der Bieter an einem fairen Wettbewerb wird durch die in § 2 VOB/A, § 2 VOL/A und § 4 VOF vorgegebenen Vergabegrundsätze verdeutlicht.

Über Art. 3 Abs. 1 GG kommt den einschlägigen Vergabe- und Verdingungsordnungen als öffentlich-rechtlichen Rechtssätzen des Innenrechts mittelbar auch Wirkung für die Außenrechtsbeziehung zwischen der den Auftrag vergebenden Stelle und den Bietern zu. Infolge dessen prägt der öffentlich-rechtliche Charakter dieser Innenrechtssätze auch die Rechtsnatur des Auswahlverfahrens.

Soweit ein Konkurrent nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG eine gleichheitsgemäße Anwendung der Verdingungs- und Vergabeverordnungen verlangen kann, verfügt er über ein subjektives Recht, für das Rechtsschutz gewährleistet sein muss. Zwar schließt die grundgesetzliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes Einschränkungen nicht aus, wenn im Einzelfall widerstreitende grundrechtlich fundierte Interessen zum Ausgleich zu bringen sind. Hierbei müssen nicht nur die betroffenen Belange angemessen gewichtet werden, vielmehr ist in Bezug auf die Auswirkungen der Regelung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Die vorstehenden Überlegungen werden durch das Beschwerdevorbringen der Beklagten nicht in Frage gestellt. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den von ihr angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 1 BvR 1160/03 - , NJW 2006, 3701.

Dieser betrifft nicht die Frage, welcher Rechtsweg für den vergaberechtlichen Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte eröffnet ist, sondern er legt – bei Unterstellung des vom Fachgericht auf der Grundlage einfachen Rechts als gegeben angesehenen Rechtswegs – die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung dieses Rechtsschutzes dar.

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind auch im Übrigen keine Aussagen zur Rechtswegfrage in der im vorliegenden Verfahren gegebenen Konstellation zu entnehmen. Die Wertung des Bundesverfassungsgerichts, die Vergabeentscheidung erfolge mangels eines Über/Unterordnungsverhältnisses nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG, besagt nichts darüber, ob das hier in Rede stehende, die Bieterauswahl betreffende Gleichordnungsverhältnis als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu qualifizieren ist.

Az.: II/1 608-00/3

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