Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 698/2001 vom 20.11.2001

Vergaberecht und Vertragsänderung

Seit dem Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes am 1. Januar 1999 (§§ 97 – 129 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB) und dem damit verbundenen erweiterten Bieter-Rechtsschutz tritt immer häufiger die Frage auf, ob bei Vertragsoptionen und/oder Vertragsverlängerungen eine Neuausschreibung erforderlich ist.

1) Vereinbarung von Optionen

Im Bereich der Abfallentsorgung werden in den Verträgen häufig Optionen angelegt, mit dem Inhalt, das Vertragsverhältnis vor Ablauf der Vertragslaufzeit durch Ausübung eines Gestaltungsrechtes verlängern zu können.

Da die Verlängerungsmöglichkeit durch Vereinbarung des Gestaltungsrechtes bereits in dem geschlossenen Vertrag angelegt ist, stellt sich die Ausübung der Option nicht als vergaberechtlich relevantes erneutes Vertragsangebot dar.

VG Frankfurt/Oder, Beschluß v. 23.02.2000 – 1 L 826/99

2) Vereinbarung von Verlängerungsklauseln

Eine weitere häufig anzutreffende Vertragsgestaltung im Bereich der Entsorgungsverträge liegt in der Vereinbarung sog. Verlängerungsklauseln, die eine automatische Verlängerung des Vertrages vorsehen, wenn dieser nicht innerhalb einer bestimmten Frist vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gekündigt wird. Bei derartigen Vertragskonstellationen handelt es sich um einen unbefristeten Vertrag. Denn ein solcher liegt nicht nur dann vor, wenn er ausdrücklich als Vertrag von unbestimmter Dauer bezeichnet wird, sondern auch dann, wenn er für einen bestimmten Zeitraum geschlossen wurde, sich jedoch bei Nichtkündigung durch eine Partei automatisch verlängert.

Unter Vergabe eines öffentlichen Auftrages ist aber grundsätzlich nur die Begründung neuer vertraglicher Verpflichtungen zu verstehen, so daß sich das bloße Weiterlaufen eines Vertrages durch Nichtstun bzw. Nichtkündigung nicht als Auftragsvergabe darstellt.

VG Frankfurt/Oder, AbfallPrax 2000, S. 124; OLG München, WuW 1997, S. 175, 182f.;

Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht 2000, § 99 Rdnr. 28ff; Prieß, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe 1999, S. 46ff

Da das Vergaberecht nur den Geschehensablauf bis zum Vertragsschluß eines öffentlichen Auftraggebers mit einem Unternehmen bestimmt, kann nach der vergaberechtlichen Systematik auch keine Pflicht zur Kündigung laufender Verträge bestehen.

Im übrigen ist zu bemerken, daß der Gesetz- und Verordnungsgeber entsprechende Vorschriften in das GWB oder in die neue Vergabeverordnung aufgenommen hätte, wenn er eine derart weitreichende Konsequenz, wie die Verpflichtung zur Kündigung laufender Verträge, vergaberechtlich hätte regeln wollen (kann ggf. gestrichen werden).

Zu beachten ist jedoch, daß die Vergabestelle ggf. bei langandauernden Verträgen prüfen muß, ob in regelmäßigen Abständen eine Vertragsverlängerung mit dem gleichen Auftragnehmer oder eine neue Vergabe im Wettbewerb erfolgen muß. Denn auch bei grundsätzlich zulässigen Vertragsverlängerungen auf der Grundlage von Options- und Verlängerungsvereinbarungen ist das Wettbewerbsgebot des § 97 Abs.1 GWB sowie das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot zu beachten. Die Nichtbeachtung dieser allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätze kann insbesondere bei marktbeherrschenden Unternehmen eine Diskriminierung nach § 26 Abs. 2 GWB darstellen.

Im Gegensatz zum bloßen Fortlaufen bestehender Verträge besitzt jedoch eine ausdrückliche Verlängerung der Vertragslaufzeit nach einer beachtlichen Meinung der Kommentarliteratur vergaberechtliche Relevanz.

Prieß, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe 1999, S. 47 ff.; Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht 2000, § 99 Rdnr.34

3) Änderungen/Vertragserweiterungen bestehender Verträge

Differenziert zu betrachten ist allerdings die Anwendung des Vergaberechts bei Änderungen und Ergänzungen des bestehenden Vertragswerkes. Nach Ansicht der Rechtsprechung und Literatur stellt sich eine Änderung des fortlaufenden Vertragswerkes in nur geringem Umfang nicht als Neuvergabe der Leistung dar. Ebenfalls besteht in diesem Falle keine Pflicht zur Kündigung.

Änderungen und Erweiterungen bestehender Verträge erfordern dann kein Vergabeverfahren, wenn sie in der Sache nicht einer Neuvergabe der Leistung gleichstehen. Bei Vertragserweiterungen kommt es darauf an, ob der hinzugekommene Auftragsumfang ohne weiteres selbständig vergeben werden kann oder aber mit dem bereits bestehenden Vertrag in einem engen Zusammenhang steht.

VG Frankfurt/Oder, AbfallPrax 2000, S. 124

Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 14.02.2001 liegt eine erhebliche Änderung des Auftragsgegenstandes, die dann dem Anwendungsbereich des Vergaberechts unterfällt, erst dann vor, wenn sowohl eine Änderung des Umfangs der übertragenen Dienstleistung als auch eine Änderung der zu zahlenden Entgelte erfolgt.

OLG Düsseldorf, Beschluß vom 14.02.2001 – Verg. 13/00

4) Fazit

Als Fazit läßt sich festhalten, daß die bloße Nichtausübung eines im Vertrag enthaltenen Gestaltungsrechtes grundsätzlich keine neue Vergabe darstellt. Die Rechtsprechung hat sich bislang nicht mit der Frage beschäftigt, ob und in welchen zeitlichen Abständen einmal vergebene Leistungen neu ausgeschrieben werden müssen. Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich auch keine einheitlichen Maßstäbe finden. Vielmehr muß die Länge der Vertragsdauer durch die jeweilige Auftragsart gerechtfertigt sein. Nach einer Ansicht in der Literatur muß die Vergabepraxis "Drittvergleichsgrundsätzen" mit der privaten Wirtschaft standhalten. Den Vorschriften über die Schwellenwerte läßt sich entnehmen, daß jedenfalls die Vereinbarung einer zunächst vierjährigen Vertragslaufzeit zulässig ist.

Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/KusPortz, Kommentar zum Vergaberecht 2000, § 99 Rdnr. 31

Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß Vertrauensschutz insofern besteht, als bestehende Verträge, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Vergaberichtlinien geschlossen wurden, nicht gekündigt werden müssen.

EuGH Urteil v. 24.09.1998 Az.: Rs. C 76/97, EuZW 1998, S. 660

Az.: II/1 608-00

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