Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 311/2000 vom 05.06.2000

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zum Gemeindewirtschaftsrecht

Im Rahmen des 1. Modernisierungsgesetzes ist in § 107 Abs. 1 Ziff. 3 GO NW eine einfache Subsidiaritätsklausel neu in die Gemeindeordnung eingefügt worden. Nach dieser Regelung ist eine Leistungsparität im Verhältnis zu privaten Anbietern als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen notwendig, aber auch ausreichend. Diese Klausel gilt nur bei einem Tätigwerden außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telefondienstleistungen. Mit Blick auf diese Neuregelung dürfen wir nachfolgend auf eine interessante Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz hinweisen, wonach die Verschärfung der Subsidiaritätsklausel im rheinland-pfälzischen Gemeindewirtschaftsrecht verfassungskonform ist.

Die im Jahre 1998 in die gemeindewirtschaftlichen Regelungen der Gemeindeordnung des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommene Bestimmung, wonach die Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen nunmehr nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern dürfen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann (sogenannte strenge Subsidiaritätsklausel), ist nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 08. Mai 2000 (VGH N 12/98) mit dem verfassungsrechtlich abgesicherten Recht auf kommunale Selbstverwaltung vereinbar. Übermäßige Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht sind damit nach Auffassung des Gerichts nicht verbunden. Sie können und müssen durch einen zweckentsprechende Auslegung des neuen Gesetzes vermieden werden. In diesem Zusammenhang führt das Gericht aus, dass den Städten und Gemeinden bei der Frage, ob ein privater Dritter den öffentlichen Zweck ebenso gut erfüllen kann, ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt ist.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist der Zweck des Gesetzes, durch den die verschärfte Subsidiaritätsklausel in die Gemeindeordnung aufgenommen wurde, nämlich die Gemeinden vor übermäßigen wirtschaftlichen Risiken zu bewahren und sogleich die Privatwirtschaft vor unangemessener öffentlicher Konkurrenz zu schützen, durchaus sachgerecht. Zwar sei die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zum Zweck der Daseinsvorsorge verfassungsrechtlich geschützt. In diesem Bereich dürfte der Gesetzgeber weder faktisch noch rechtlich beseitigen, was herkömmlich das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen durchlaufend und entscheidend prägt. Diese verfassungsrechtliche Grenze halte das Änderungsgesetz jedoch ein.

Maßgeblich für diese Beurteilung ist nach Auffassung des Gerichts auf der einen Seite, dass die umstrittene Neuregelung für wichtige kommunale Tätigkeitsfelder (z. B. die Abfallwirtschaft) überhaupt nicht gilt. Die vorhandene Kommunalwirtschaft genießt im Übrigen Bestandsschutz, weil das neue Recht sich nur auf die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines kommunalen Unternehmens bezieht.

Auf der anderen Seite berücksichtigte der Verfassungsgerichtshof aber auch, dass die Gemeinden sich wirtschaftlich ohnehin nur insoweit betätigen dürfen, als ein öffentlicher Zweck dies rechtfertigt: Die Gewinnerzielung dürfe für die Kommunalwirtschaft niemals Selbstzweck sein. Diese wesentliche Einschränkung bestehe seit jeher. Sie dürfe mit der hier umstrittenen Neuregelung nicht verwechselt und ihr auch nicht angelastet werden.

In den Tätigkeitsbereichen, in denen die neue Subsidiaritätsklausel zu Lasten der Gemeinden Anwendung findet, sieht der Verfassungsgerichtshof das kommunale Selbstverwaltungsrecht durch eine zweckentsprechende Auslegung und Handhabung des Gesetzes gewahrt. Hier konnten die Gemeinden im Urteil wichtige Klarstellungen erreichen: So haben sie bei der Frage, ob ein privater Dritter den öffentlichen Zweck "ebenso gut" erfüllen kann, einen Spielraum eigener Beurteilung. "Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch und gerade auf die Güte der betreffenden Leistung. Damit ist vor allem deren Nachhaltigkeit, d. h. Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit angesprochen. Je wichtiger eine durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigte Leistung für die Bürger ist, desto größer ist das Bedürfnis nach einem krisenfesten, stetigen und möglichst ungestörten Angebot, und zwar zu sozial gerechtfertigten Bedingungen. Diese Kontinuität der Aufgabenerfüllung kann von Fall zu Fall den Ausschlag dafür geben, dass ein Privater den öffentlichen Zweck nach der rechtlich vertretbaren Einschätzung der Gemeinde nicht ebenso gut verwirklichen wird wie sie", heißt es in dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Die Befürchtung der klagenden Stadt, die Subsidiaritätsklausel gefährde die kommunalen Verbundunternehmen, weil die Gemeinden rentierliche Unternehmensteile privatisieren müssten und nur die defizitären Unternehmensteile behalten dürften, teilen die Verfassungsrichter nicht: Maßstab sei die von dem Verbundunternehmen zu erfüllende Gesamtaufgabe (z. B. Energieversorgung und öffentlicher Nahverkehr als Leistungsangebot der Stadtwerke). An dieser – allerdings durch einen öffentlichen Zweck rechtfertigungsbedürftigen – Gesamtaufgabe müsse das Leistungsangebot des privaten Dritten sich messen lassen.

Az.: G/3 810-05

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