Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 8/2015 vom 15.01.2015

Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der kommunalen Selbstverwaltung

Die Stadt Titisee-Neustadt hat Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsrecht eingelegt. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Stadt die Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG durch das kartellrechtliche Regime der Konzessionsvergabe. Das kartellrechtliche Regime habe die Qualität von Gewohnheits- und Richterrecht. Das Zusammenspiel von behördlichen Vorschriften und Urteilen ist laut Auffassung der Kläger eine Regelung mit gesetzesgleicher Wirkung, die im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde überprüft werden kann.

Eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie sei insbesondere darin zu sehen, dass die Kartellbehörden und -gerichte die Entscheidung der Gemeinde, den Betrieb der örtlichen Energieverteilnetze im Rahmen der Konzessionsvergabe wieder selbst zu übernehmen und bei der Ausschreibung den Betrieb durch eine kommunale Beteiligungsgesellschaft vorzugeben und zugleich die private Beteiligung an dieser Gesellschaft zum Gegenstand der Ausschreibung zu machen, für unzulässig erachten. Auch das Verbot der Berücksichtigung bestimmter kommunaler Interessen im Rahmen der Auswahlentscheidung schränke das ihr zustehende Recht der Gemeinde, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln, in unzulässiger Weise ein.

Das Bundesverfassungsgericht wird zunächst klären, ob die Kommunalverfassungsbeschwerde zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wird sich das Bundesverfassungsgericht inhaltlich mit der Beschwerde auseinandersetzen. Aus kommunaler Sicht lässt die bisherige Rechts- und Entscheidungspraxis der Gerichte - insbesondere die kürzlich ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - und der Kartellbehörden den kommunalen Entscheidungsspielräumen im Rahmen der Vergabe der örtlichen Energieversorgungsnetze insgesamt nur noch wenig Raum (vgl. Schnellbriefe Nrn. 208/2014 vom 18.11.2014 und 9/2015 vom 15.01.2015 für StGB NRW-Mitgliedskommunen).

Die Hürden für Städte und Gemeinden, die Netze nach dem Ablauf von Konzessionen wieder selbst zu übernehmen, werden aufgrund der damit verbundenen Rechtsunsicherheiten zunehmend erhöht. Insofern greift die Kommunalverfassungsbeschwerde zu Recht die Frage auf, inwiefern sich diese Einschränkung mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der kommunalen Selbstverwaltung noch vereinbaren lässt.

Aus kommunaler Sicht ist in erster Linie jedoch der Gesetzgeber gefordert, die einschlägigen Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes zügig zu reformieren und die gemeindliche Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf das Konzessionsvergabeverfahren und die Auswahl der Kriterien zu stärken. Hierzu sollte insbesondere ausdrücklich klargestellt werden, dass die Gemeinde neben den Zielen des § 1 EnWG weitere kommunale Ziele mit in ihre Entscheidung einbeziehen kann. Die Bundesregierung ist gefordert, ihre Ankündigung im Koalitionsvertrag, das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe von Konzessionen und die Rechtssicherheit im Netzübergang zu verbessern, in die Tat umzusetzen, um auf diese Weise größtmögliche Rechtssicherheit zu schaffen.

Az.: II/3 811-00/1

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