Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 776/1999 vom 05.11.1999

Verbände-Erklärung zur FFH-Richtlinie

Gemeinsam mit dem Landkreistag NW, dem Städtetag NW, der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern NW, dem Nordrhein-Westfälischen Handwerkstag, den Landwirtschaftsverbänden in NRW, dem DGB (Landesbezirk NRW), dem Kommunalen Waldbesitzerverband NRW, dem Waldbauernverband und den Landfrauenverbänden NRW hat der NWStGB im Oktober 1999 eine gemeinsame Erklärung zur Umsetzung der FFH-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie in Nordrhein-Westfalen verfaßt. Diese gemeinsame Erklärung ist an Herrn Ministerpräsidenten Clement, Frau Ministerin Höhn, Frau Ministerin Brusis, Herrn Minister Dr. Behrens, Herrn Minister Steinbrück, Herrn Minister Dr. Vesper, Herrn Meyer (Fraktionsvorsitzender CDU-Landtagsfraktion), Herrn Prof. Dr. Dammeyer (Fraktionsvorsitzender SPD-Landtagsfraktion, Herrn Appel (Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Herrn Strehl (Vorsitzender des Umweltausschusses im Landtag) und an Herrn Kruse (Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Landtag) übermittelt worden. Die gemeinsame Erklärung hat folgenden Wortlaut:

" Die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen, die Verbände der Land- und Forstwirtschaft, der Industrie, des Gewerbes und des Handwerks sowie der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beobachten mit großer Sorge neuere Entwicklungen bei der Benennung von Gebieten nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie in Nordrhein-Westfalen.

1. In einem gemeinsamen Schreiben vom 23.06.1999 an die Bundesrepublik Deutschland haben die damaligen Mitglieder der EU-Kommission, Frau Wulf-Mathies und Frau Bjerregaard angedeutet, daß die EU-Kommission die Vergabe von Strukturfördermitteln von der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie sowie der FFH-Richtlinie abhängig machen könnte. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben: "Im Falle Ihres Mitgliedsstaates wird die Kommission unter Umständen nicht beurteilen können, ob die neuen Strukturförderprogramme, wie in Artikel 12 der neuen allgemeinen Strukturfondsverordnung verlangt, mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Vogelschutz- sowie der FFH-Richtlinie vereinbar sind, da Ihre Behörde der Kommission keine vollständigen Listen der geschützten Gebiete übermittelt haben." Weiter wird die Bundesrepublik aufgefordert, die Liste der zu meldenden Gebiete umgehend fertigzustellen, damit die Vereinbarkeit der zukünftigen Strukturförderprogramme mit den Richtlinien beurteilt werden kann. Zugleich hat die Generaldirektion II der EU-Kommission Auslegungshinweise zu Artikel 6 der FFH-RL erarbeitet, die in ihrer Zielsetzung u.a. darauf hinauslaufen, bei Vogelschutzgebieten und Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebieten, für die noch keine nationale Liste mit schutzwürdigen Gebieten vorgelegt wurde, die Verpflichtungen des Artikel 6 der Richtlinie auch auf solche Gebiete auszudehnen, die "aufgrund anerkannter wissenschaftlicher Kriterien auf der nationalen Liste verzeichnet sein sollten" (vgl. S. 13 der erwähnten Auslegungshinweise der EU-Kommission). Auch andere Passagen dieser Auslegungshinweise begründen die Besorgnis, daß die Handlungs- und Gestaltungsspielräume des Landes, ebenso wie die der Gebietskörperschaften, stärker als bisher angenommen eingeengt werden sollen. Solange diese Probleme nicht geklärt sind, sind großflächige Meldungen, über die kein Konsens besteht, nicht zu verantworten.

2. Die offene Drohung der EU-Kommission, im Fall der Bundesrepublik die Vergabe von Strukturfördermitteln davon abhängig zu machen, daß die Anforderungen an die Gebietsbenennungen nach der Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie erfüllt werden, ist entschieden zurückzuweisen. Die Verfahren zur Gebietsbenennung in der Bundesrepublik und in Nordrhein-Westfalen sind aufgenommen worden; erste Tranchen sind bereits benannt worden. Der EU-Kommission stehen zur Umsetzung der Anforderungen von Richtlinien in nationales Recht andere Mittel als ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Von diesen Mitteln muß die EU-Kommission nach den Vorgaben der Europäischen Verträge Gebrauch machen. Eine Verknüpfung zwischen der Umsetzung einzelner Richtlinien mit der Vergabe von Strukturfördermitteln ist vor diesem Hintergrund unangemessen. Sie läßt die Schwierigkeiten und Probleme unberücksichtigt, die in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik und insbesondere Nordrhein-Westfalen mit durchgehend intensiven Flächennutzungen und sehr weitreichenden Nutzungsansprüchen bei der Gebietsauswahl bestehen. Sie konterkariert die Bemühungen insbesondere des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums, Gebietsmeldungen in Konsens mit den nachteilig Betroffenen vorzunehmen. Sie läßt unberücksichtigt, daß sich aus dem vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Gedanken des vorgezogenen Grundrechtschutzes und des vorgezogenen Schutzes der kommunalen Planungshoheit ergibt, daß vor Gebietsbenennung eine Beteiligung der nachteilig Betroffenen Grundstückseigentümer und Gemeinden geboten ist. Wir fordern deshalb die nordrhein-westfälische Landesregierung auf, sich unverzüglich gegen die Verknüpfung der Vergabe von Strukturfördermitteln und der Gebietsbenennung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie zur Wehr zu setzen und die Bundesregierung aufzufordern, in gleicher Weise zu reagieren.

3. Wir anerkennen die Bemühungen des Nordrhein-Westfälischen Umweltministeriums, Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie nur im Konsens mit den nachteilig betroffenen Grundstückseigentümern und Kommunen zu benennen. Grundlage des Konsenses sind insbesondere die Klarstellungen in den Verwaltungsvorschriften und regionale Vereinbarungen in den umstrittenen Gebieten. Wir treten dafür ein, diese Verfahrensweise auch für die Tranche zwei umzusetzen. Damit die Anforderungen an die Gebietsbenennung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie so schnell wie möglich erfüllt werden, und teilweise Besorgnis geäußert wird, der Entwurf der Verwaltungsvorschrift und die in Aussicht gestellten vertraglichen Regelungen vor Ort hätten vor dem Hintergrund der Auslegungshinweise der EU-Kommission keinen Bestand, plädieren wir allerdings dafür,

- die Liste der nach der Tranche zwei für die Gebietsbenennung vorgesehenen Flächen möglichst schnell den Betroffenen zur Stellungnahme zuzuleiten und

- die Gebiete, über deren Benennung Konsens besteht, dann zügig zu melden, wenn sichergestellt ist, daß die Verwaltungsvorschrift und die in den Konsensgesprächen erteilten Zusagen über vertragliche Regelungen Bestand haben.

4. Dabei legen wir Wert darauf, daß das Land Nordrhein-Westfalen bei der Gebietsbenennung von dem ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der ökologischen Qualität der Gebiete Gebrauch macht, so wie es im Entwurf der Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehen ist. Das Beispiel des Gänseschutzes im deutsch-niederländischen Grenzraum verdeutlicht die Interpretationsspielräume bei der Handhabung der Richtlinie. Während auf niederländischer Seite die Fraßflächen überwinternder Gänse nicht als meldewürdig eingestuft werden, sind diese auf nordrhein-westfälischer Seite - ungeachtet einer nur kurztägigen Beäsung - das ausschlaggebende Auswahlkriterium, das zu großräumigen Gebietsmeldungen führt. Derartige Interpretationsunterschiede sind weder hinnehmbar noch vermittelbar. Auch in diesem Punkt ist zunächst eine Klarstellung und eine einheitliche Vorgehensweise in grenzüberschreitenden Naturräumen des europäischen Schutzgebietsnetzes herzustellen. Insbesondere angesichts der Tendenz der EU-Kommission, für noch nicht benannte Gebiete, die nach anerkannten wissenschaftlichen Kriterien auf der nationalen Liste verzeichnet sein sollten, eine Verträglichkeitsprüfung nach Artikel 6 FFH-RL (§ 19 c BNatSchG) zu verlangen, halten wir dieses Verfahren für unabdingbar, um einerseits dem Anspruch der Vogelschutz-RL und der FFH-RL gerecht zu werden, die ökologisch bedeutendsten Gebiete, die in ein europäisches Verbundsystem eingepaßt werden können, zu melden, andererseits aber den berechtigen Ansprüchen nach einer infrastrukturellen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen sowie Nutzungsoptionen der Eigentümer Rechnung zu tragen. Sowohl für die Strukturentwicklung als auch für die Nutzung einzelner potentieller Flächen wäre es nämlich mit erheblichen Nachteilen verbunden, wenn alle Gebiete, in denen Habitate oder Arten vorhanden sind, die nach der FFH-RL bzw. der Vogelschutz-RL geschützt sind, als potentielle Gebiete benannt würden und die Aufnahme der Gebiete in das europäische Netz ausschließlich der EU-Kommission überlassen wird. ein solches vorgehen ließe die ökologische Bedeutung der Gebiete für das europäische Verbundsystem völlig außer Betracht. Sie würde im übrigen darauf verzichten, die Kenntnisse der nationalen Behörden über die ökologische Qualität und Bedeutung einzelner Flächen angemessen, und zwar entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip des Artikel 3 a des EU-Vertrages zur Geltung zu bringen. Generell gilt hinsichtlich der Gebietsauswahl: Die fachliche Bezugsebene bei der Gebietsauswahl muß das gesamte Hoheitsgebiet der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat der EU sein. Dies entspricht der Phase 1 gemäß Anhang III der FFH-Richtlinie und wird auch mit der Klageschrift der Kommission bestätigt. Weiterhin müssen die Gebietsvorschläge der Kriterium der europäischen Relevanz erfüllen".

Az.: II/2 60-01-2

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search