Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 631/2001 vom 05.10.2001

US-Leasing-Geschäfte für Abwasseranlagen

Die Geschäftsstelle weist aufgrund vermehrter Anfragen von Städten und Gemeinden auf folgendes hin:

1. US-Leasinggeschäfte (US-Cross-Border-Leasing) in bezug auf kommunale Kläranlagen und Kanalnetze sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Vermietung und gleichzeitig eine Rückvermietung erfolgt. Vor diesem Hintergrund steht US-Leasinggeschäften nicht der Runderlass des Innenministeriums vom 23.06.1989 entgegen. Denn nach Ziff. 4.4 dieses Runderlasses sind unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten lediglich Sale- und lease back-Verträge, d.h. Verträge über das Verkaufen und Zurückmieten einer Anlage nicht zulässig, weil hier Anlagevermögen veräußert wird, das zur Aufgabenerfüllung benötigt wird. Dieses ist auch nach § 90 Abs. 1 GO NRW nicht zulässig. Im Falle der US-Leasinggeschäfte verbleibt das Anlagen-Eigentum aber bei der jeweiligen Stadt/Gemeinde. Es findet lediglich eine Vermietung und Rückvermietung statt und kein Verkauf. Mit Blick auf § 90 Abs. 1 GO NRW und die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 1 LWG NRW muss aber vertraglich sichergestellt sein, dass eine Gemeinde in keinem erdenklichen Fall das Eigentum an den Abwasseranlagen verliert. Vertragliche Regelungen in US-Leasinggeschäften, die einen Anlagenverlust beinhalten, sind daher nicht zu akzeptieren, weil andernfalls die ordnungsgemäße Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 1 LWG NRW in Frage gestellt würde.

2. Eine Stadt/Gemeinde, die zum Beispiel ihre Kläranlage oder ihr Kanalnetz in ein US-Leasingmodell (US-Cross-Border-Leasing) einbringt, erhält den sog. Netto-Barwertvorteil. Quelle dieses Netto-Barwertvorteils ist die US-steuerliche Behandlung bestimmter langfristiger Mietverträge. Nach dem US-Steuerrecht kann durch die Übertragung eines langfristigen Nutzungsrechtes über mehr als 130 % der Restnutzungsdauer einer Anlage eine eigentümerähnliche Position geschaffen werden, welche attraktive Abschreibungsmöglichkeiten zuläßt. Der deutsche Anlageeigentümer, also im Falle einer Stadt oder Gemeinde, die Gemeinde als Eigentümer für Kläranlagen oder Kanalnetze erhält insoweit den Barwertvorteil, welcher bei Vertragsschluß als einmalige Zahlung fällig wird. Die Höhe dieses Barwertvorteils liegt bei ca. 3 bis 5 % des von einem US-Wertgutachter geschätzten Transaktionsvolumens (vgl. hierzu auch Bühner/Schelgen, Der Betrieb 2001, s. 315 ff., S. 315 f). Hintergrund dieses gezahlten Barwertvorteils ist, dass der Leasingnehmer alle dem deutschen Leasinggeber (Gemeinde) aus dem Mietvertrag zustehenden Zahlungsansprüche mit einer Einmalzahlung begleicht. Die Gemeinde ihrerseits begleicht aus dem Rückvermietungsvertrag ihre Mietzahlungs-Verpflichtungen. Während der Laufzeit der gesamten Transaktion fallen also keine weiteren Leasing- bzw. Mietzahlungen mehr an. Die zu leistenden Miet-Zahlungen der Gemeinde (Leasinggeber) sind regelmäßig geringer als die Mietzahlungen des Leasingnehmers. Hieraus resultiert der "Barwertvorteil", der sich aus den Steuervorteilen in den USA ergibt und vom amerikanischen Leasingnehmer teilweise als sog. Barwertvorteil an die Gemeinde als Leasinggeber weitergegeben wird.

Ob US-Leasinggeschäfte getätigt werden, sollte sorgfältig abgewogen werden, denn es bestehen auch Risiken, die im US-Leasingvertrag zwar geregelt werden können, gänzlich aber nicht auszuschließen sind. Hierzu gehören unter anderem:

a) Kommt ein US-Leasingvertrag letztlich nicht zustande, weil z.B. im Endergebnis der Barwertvorteil doch zu gering ausfällt, so sind Honoraraufwendungen für die Tätigkeiten der unterschiedlichen Berater zu entrichten, die im Vorfeld zu dem Abschluss eines US-Leasinggeschäftes tätig geworden sind. Es ist darauf zu achten, dass dieses Kostenrisiko nicht ausschließlich auf die Stadt/Gemeinde abgewälzt wird, insbesondere für Fallgestaltungen, bei denen der Vertragschluss aus Gründen scheitert, welche die Gemeinde nicht zu vertreten hat. Ferner sollte auch geklärt werden, wer die sog. Transaktionskosten trägt, wenn es zum Vertragabschluss kommt. Wenig vorteilhaft ist, wenn allein die Gemeinde diese sog. Transaktionskosten trägt, weil dieses den Barwertvorteil vermindert.

b) Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des US-Eigenkapitalinvestors besteht das Risiko des Zugriffs der Gläubiger auf die vom Eigenkapitalinvestor gehaltenen Mietrechte. Hier ist im Vorfeld darauf zu achten, dass die Wahl der Vertragspartner auf solche mit erstklassiger Zahlungsfähigkeit (Bonität) begrenzt wird. Ferner müssen gesellschaftsrechtliche Strukturen ausgeschlossen werden, wonach die vertragsbeteiligten Gesellschaften jeweils zur Konkursmasse eines anderen Vertragspartners zählen. Im Falle des Konkurses dürfen die durch den Hauptmietvertrag eingeräumte Rechte an den Anlagen nicht in die Konkursmasse fallen. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass eventuelle Zahlungsverpflichtungen der Vertragspartner nach Möglichkeit durch Schuldbeitritte der beteiligten Banken abgesichert sind. Außerdem darf in keinem Fall das Eigentum an den Abwasseranlagen verloren gehen.

c) Es besteht das Risiko, dass in den USA das Steuerrecht geändert wird, zumal der amerikanische Steuergesetzgeber vermutlich derartige "Papiergeschäfte" zu Lasten des amerikanischen Steuerzahlers nicht vor Augen hatte. Aber auch aufgrund der aktuellen Ereignisse in den USA sind Steuerrechtsänderungen nicht ausgeschlossen. Deshalb ist zwingend darauf zu achten, dass dieses Steuerrechtsänderungsriskio in bezug auf das US-Steuerrecht nicht zum Nachteil der Stadt oder Gemeinde vertraglich festgelegt wird. Vielmehr sollte insoweit vertraglich ein kosteneutraler Ausstieg aus dem US-Leasinggeschäft vorgesehen werden und das Riskio des US-Steuerrechts allein bei dem US-Investor verbleiben. Das gleiche gilt für Änderungen des Wechselkurses von Euro und US-Dollar und Änderungen des amerikanischen Zinsniveaus, weil hierdurch der Barwertvorteil unter das angestrebte Höhenniveau sinken kann. Auch insoweit ist eine kostenneutrale, vertragliche Ausstiegsklausel vorzusehen.

d) Im Falle eines Untergangs der Anlage verpflichten die Verträge den Anlageneigentümer regelmäßig dazu, die Anlagen unverzüglich wieder herzustellen. Bei Überschreiten bestimmter Wiederherstellungsfristen - etwa nach Totalverlust - liegt ein Vertragsbruch des Anlageneigentümers vor, der Schadensersatzpflichten auslöst. Hier ist darauf zu achten, dass die Gemeinde vertraglich keine Verpflichtungen zur Leistung von Entschädigungen, Nachzahlungen oder sonstigen Ausgleichspflichten trifft. Dieses gilt insbesondere für Risiken, die zur Risikosphäre der anderen Vertragsparteien zählen wie z.B. Verletzung der vertraglichen Pflichten durch eine andere Vertragspartei, Konkurs einer Vertragspartei). Weiterhin muss der Austausch oder die Wiederherstellung der Anlagen anstelle der Vertragsbeendigung und/oder einer Entschädigungsleistung möglich sein. Bei Abwasseranlagen ist wegen der kraft Gesetzes zu erfüllenden Abwasserbeseitigungspflicht ohnehin die Anlage ordnungsgemäß und funktionstüchtig wiederherzustellen, so daß zusätzliche Entschädigungsleistungen überflüssig sind und nicht akzeptiert werden sollten. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich die abwassergesetzlichen Rahmenbedingungen ändern können und deshalb die Aufgabe einzelner Abwasseranlagen erforderlich werden kann. Für diesen Fall sollte vertraglich eine "Ersetzungsbefugnis" vorgesehen werden oder ein Sonderkündigungsrecht für die Gemeinde vertraglich festgelegt werden.

e) Es kann sich zudem das Risiko der Rückzahlung erhaltender Fördermittel/Zuschüsse ergeben, wenn förderrechtliche Bindefristen für erhaltene Zuschüsse noch nicht ausgelaufen sind. Auch dieses ist sorgfältig vor Abschluss eines US-Leasinggeschäfts im Zweifelsfall durch Rückfrage bei der zuständigen Behörde zu klären, welche die Fördermittel bewilligt hat.

Az.: II/2 24-21

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