Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 553/2005 vom 04.07.2005

Urteil zum Thüringer Finanzausgleichsgesetz

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat am 21. Juni 2005 ein Urteil über den kommunalen Finanzausgleich verkündet (VerfGH 28/03). Danach verstoßen Regelungen des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes (ThürFAG) zur Bildung und Verwendung der Finanzausgleichsmasse gegen die thüringische Verfassung, die den Kommunen zum Schutz des Kernbereichs ihres Selbstverwaltungsrechts eine finanzielle Mindestausstattung und – über dieses absolute Minimum hinaus – eine von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Landes abhängige angemessene Finanzausstattung sichert. Mit dem Normenkontrollantrag hatte die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag zentrale Vorschriften des ThürFAG als unvereinbar mit der Landesverfassung beanstandet.

Nach Maßgabe des ThürFAG stellt der Freistaat Thüringen seinen Gemeinden und Landkreisen im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel in Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Erfüllung ihrer eigenen und der ihnen übertragenen Aufgaben zur Verfügung. Das in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1998 geltende Gesetz ist zuletzt durch das Thüringer Haushaltsstrukturgesetz vom 10. März 2005 mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geändert worden.

Gegenstand des Verfahrens sind im Wesentlichen die gesetzlichen Regelungen über die Bildung der die Verteilungsmasse für finanzielle Zuwendungen an die Kommunen darstellenden Finanzausgleichsmasse und ihre Verwendung und über den Mehrbelastungsausgleich bei der Kommunalisierung staatlicher Aufgaben, welche nach Auffassung der Antragstellerin vor allem den sich aus Art. 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 ThürVerf ergebenden, am Finanzbedarf der Kommunen orientierten Vorgaben an die finanzielle Ausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände nicht hinreichend Rechnung tragen. Danach hat das Land dafür zu sorgen, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können und einen angemessenen finanziellen Ausgleich schaffen, soweit die Übertragung staatlicher Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden und Gemeindeverbände führt.

Der Verfassungsgerichtshof macht in seinem Urteil keine Aussagen dazu, welchen Betrag der Freistaat Thüringen seinen kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs insgesamt zur Verfügung stellen muss bzw. ob die Finanzzuweisungen ausreichend sind, die das Land seinen Kommunen derzeit gewährt. Nach den Ausführungen des Gerichts ist dieses betragsmäßige Ergebnis des kommunalen Finanzausgleichs der direkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich, da es auf Erwägungen beruht, welche der Gesetzgeber in Ausnutzung eines breiten Abwägungs- und Einschätzungsspielraums getroffen hat. Zur genauen Bemessung der gebotenen finanziellen Ausstattung der kommunalen Gebietskörperschaften im gesamtwirtschaftlichen Gefüge der öffentlichen Haushalte des Bundes und der Länder seien Aussagen etwa zur Entwicklung von Steuereinnahmen und Personalausgaben zum Mindestbestand freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben, zur Höhe von Hebesätzen und Umlagen, zur Kreditaufnahme und Verschuldung, zu Einsparpotentialen bei Land und Kommunen, zu Investitionen und zu praktisch allen Politikbereichen erforderlich. Die weitgehend von Wertungen und Prognosen abhängige Beantwortung dieser Fragen seien dem Gesetzgeber vorbehalten.

Ob die nach dem ThürFAG gewährte finanzielle Ausstattung der Gemeinden und Landkreise verfassungsmäßigen Anforderungen genügt, sei vielmehr danach zu beurteilen, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildenden gesetzlichen Regelungen die konkreten Anforderungen an eine rationale und nachvollziehbare Finanzausgleichsgesetzgebung erfüllten, die sich aus dem von der Verfassung vorgegebenen System des kommunalen Finanzausgleichs ergäben. Zu diesen Anforderungen, die das Gericht im Einzelnen ausführt, gehöre insbesondere, dass sich der Gesetzgeber einen Überblick über den kommunalen Finanzbedarf verschaffe, was eine Ermittlung der Kosten der Aufgabenerfüllung sowohl im eigenen als auch im übertragenen Wirkungskreis voraussetze.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze verstoßen nach Auffassung des Gerichts die von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen des ThürFAG zur Bildung und Verwendung der Finanzausgleichsmasse, insbesondere auch für besondere und investive Finanzzuweisungen nach Maßgabe des Landeshaushalts, gegen Art. 93 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf, der den Kommunen zum Schutz des Kernbereichs ihres Selbstverwaltungsrechts eine finanzielle Mindestausstattung und – über dieses absolute Minimum hinaus – eine von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Landes abhängige angemessene Finanzausstattung sichere. Der Gesetzgeber habe bei der Bildung der Finanzausgleichsmasse den vor allem durch ihre Belastung mit Pflichtaufgaben auch im eigenen Wirkungskreis vorgezeichneten Finanzbedarf der Kommunen erkennbar nicht hinreichend berücksichtigt. Insoweit liege ein zur Verfassungswidrigkeit der betreffenden gesetzlichen Regelungen führender Abwägungsausfall vor, ohne dass es darauf ankäme, ob das bereit gestellte Finanzvolumen im Ergebnis "zufällig" eine ausreichende Grundlage für eine aufgabenadäquate Mittelausstattung der Thüringer Gemeinden und Landkreise bilde oder gar deren Finanzbedarf übersteige.

Dagegen ist nach den Ausführungen des Gerichts die Regelung des Mehrbelastungsausgleichs bei Kommunalisierung staatlicher Aufgaben, der nach Art. 93 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf auf einen vollen Ersatz der angemessenen Durchschnittskosten der Aufgabenerfüllung gerichtet sein muss, mit der Landesverfassung vereinbar. Dieser Mehrbelastungsausgleich erfolge in erster Linie durch Zahlung einer durch Rechtsverordnung festgesetzten Auftragskostenpauschale, wobei dem Erlass der Rechtsverordnung eine Ermittlung der den Kommunen entstehenden Kosten der Erfüllung der übertragenen Aufgaben vorausgehe. Indem der Gesetzgeber die Festsetzung der Auftragskostenpauschale in verfassungsrechtlich zulässiger Weise aus Gründen der Flexibilität dem Verordnungsgeber mit der Maßgabe überantwortet hat, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, hat er nach der Argumentation des Gerichts diesem in Übereinstimmung mit Art. 93 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf aufgegeben, die Kosten zu ermitteln, die den Kommunen durch die Aufgabenerfüllung durchschnittlich entstehen, und diese Kosten auf ihre Angemessenheit hin zu bewerten. Ob die derzeit gültige Rechtsverordnung zur Auftragskostenpauschale diesem Auftrag des Gesetzgebers in jeder Hinsicht gerecht geworden ist, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens und ggf. verwaltungsgerichtlich zu klären.

Das Urteil kann unter www.thverfgh.thueringen.de und im Intranet-Angebot des StGB NRW unter „Fachinfo & Service“, „Fachgebiete“, „Finanzen und Kommunalwirtschaft“, „Rechtsprechung“ abgerufen werden.

Az.: IV/1 902-02

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