Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 507/2000 vom 05.09.2000

Urteil zu Schadensersatz für Überkapazitäten in MVA

Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 19.06.2000 (Az.: 2 b O 26/99) die Klage eines Kreises auf Schadensersatz wegen Einnahmeverluste mangels fehlender Auslastung einer Müllverbrennungsanlage (MVA) abgewiesen. Insbesondere - so das Gericht - könne der Kreis sich nicht auf eine Amtspflichtverletzung des Landes berufen, da weder die §§ 1, 10, 13, 15, 29 KrW/AbfG noch die Technische Siedlungsabfall (TASi) drittschützende Wirkung entfalte.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kreis forderte Schadensersatz vom Land NRW bezüglich der Einnahmeverluste einer Müllverbrennungsanlage (MVA), die diese mangels Auslastung (60 %) erlitten hatte. Die MVA wurde durch Planfeststellungsbeschluß vom 06.04.1994 mit einer Jahreskapazität von 234.000 t zugelassen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß dieses der im Kreis anfallenden zu behandelnden Abfallmenge entsprach. Der Kreis macht insbesondere geltend, daß das beklagte Land es pflichtwidrig unterlassen habe, der MVA auf der Grundlage des im April 1998 in Kraft getretenen Abfallwirtschaftsplans für den entsprechenden Regierungsbezirk Siedlungsabfälle anderer öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zuzuweisen. Auch habe es das Land versäumt, das aus der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) folgende Verbot der Ablagerung unbehandelter Abfälle entsprechend umzusetzen. In dem fraglichen Zeitraum hätten ausreichende thermische Behandlungskapazitäten zur Verfügung gestanden, wonach Ausnahmen nach der TASi nicht hätten erteilt werden dürfen.

Das Landgericht Düsseldorf folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Ein Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) sei – so das Landgericht Düsseldorf – nicht gegeben, weil keine drittschützenden Normen verletzt wurden. So dienten die in den §§ 1, 10, 13 und 15 KrW/AbfG niedergelegten Grundsätze einer gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung allein dem Interesse der Allgemeinheit. Sie bezweckten darüber hinaus nicht den Schutz wirtschaftlicher Interessen von Betreibern von MVAs an der Auslastung der Kapazitäten.
Gleiches gelte auch für das aus § 29 KrW/AbfG folgende Planungsgebot. Ein Anlagenbetreiber könne nicht verlangen, daß (anderen) Abfallbeseitigungspflichtigen vorgeschrieben werde, sich seiner Anlage zu bedienen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn sich der Betreiber auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Ein Planentwurf sei in seiner Rechtsnaturjedoch nicht geeignet, die Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen zu schaffen.

Auch die TASi weise keinen drittschützenden Charakter auf. Die Bestimmungen, aus denen der klagende Kreis ein Verbot der Ablagerung unbehandelter Abfälle herleiten möchte, dienten ausschließlich der nach § 10 KrW/AbfG gebotenen gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung.

Eine Amtspflichtverletzung ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die MVA nicht im entsprechenden Abfallwirtschaftsplan berücksichtigt worden sei. Die bei der Aufstellung des Abfallwirtschaftsplans zu beachtenden Amtspflichten haben - so das Gericht - grundsätzlich nicht den Zweck, vorhandene MVAs vor den wirtschaftlichen Folgen einer Unterauslastung zu schützen. Zwar seien bei der Aufstellung der Abfallwirtschaftspläne die kommunalen Abfallwirtschaftskonzepte zu berücksichtigen. Würden aber - wie im vorliegenden Fall - die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger selbst die abfallrechtliche Planung für ihr Gebiet in Form von Abfallwirtschaftskonzepten festlegen, so falle ihnen auch damit die Verantwortung und das Risiko für Abfallmengenprognosen zu. Insoweit bestünde kein Bedürfnis, die eigenverantwortlichen öffentlich-rechtlichen Körperschaften vor einer Nichtauslastung durch Beteiligung anderer Körperschaften an der Kapazitätsauslastung zu schützen.

Das Gericht stellte weiterhin fest, daß von seiten des Landes gegenüber dem klagenden Kreis gerade kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, auf dessen Verletzung sich der Kreis jetzt berufen könne. Auch wenn das zuständige Ministerium und die Bezirksregierung mehrfach in Erlassen erklärt hätten, dass auf die Schaffung von Kapazitäten zur thermischen Behandlung von Restabfällen hinzuwirken sei, begründe dies kein schutzwürdiges Interesse des Kreises auf weitere Auslastung der thermischen Behandlungskapazitäten in der MVA. Die rechtsstaatliche Planung setzte ihrem Wesen nach grundsätzlich einen ungebundenen und umfassenden Abwägungsvorgang voraus. Insoweit könne selbst eine faktische Zusage keinen Vertrauenstatbestand schaffen.

Ein Schadensersatzanspruch könne auch nicht auf eine Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung gestützt werden. Widerstreitende Interessen können - nach Ansicht des Gerichts - nur dort gegeben sein, wo durch einen Abfallwirtschaftsplan in die verfassungsrechtlich verbürgte Planungs- und Organisationshoheit eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eingegriffen würde. Die Zulassung von Ausnahmen von den Zuordnungen der TASi für andere Körperschaften stelle jedoch keinen Eingriff in das Recht der Selbstverwaltung des Kreises als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger dar. Aus dem Selbstverwaltungsrecht des klagenden Kreises folge lediglich das Recht, begrenzt auf das eigene Gebiet Abfallwirtschaftskonzepte aufzustellen. Dies habe der Kreis gemacht, in dem er die MVA für die Entsorgung von Abfällen aus seinem eigenen Kreisgebiet geplant habe.

Az.: II/2 31-12

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