Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 320/2001 vom 20.05.2001

Unzulässige Aufschüttungen

Die Frage der Zulässigkeit der Errichtung von die natürliche Geländeoberfläche überragenden Terrassen und Freisitzen sowie der Vornahme von Geländemodulationen als Teil der Gartengestaltung oder von Tiefgaragenzufahrten haben in nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen seit jeher die Verwaltungsgerichte beschäftigt. Streitpunkt war dabei regelmäßig, ob und inwieweit solche Aufschüttungen auch innerhalb der nach den Landesbauordnungen zur Nachbargrenze hin einzuhaltenden Abstandflächen ganz oder teilweise errichtet werden durften. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) hat nunmehr in seinem Beschluß vom 22. Januar 2001 diese Frage abschließend geklärt und entschieden, daß Aufschüttungen bereits mit ihrem Böschungsfuß außerhalb der zur Nachbargrenze einzuhaltenden Abstandfläche liegen müssen (OVG NRW, Beschl. v. 22.01.2001 - 4 M 11/99 -).

Zur Sicherung ausreichender Grenzabstände, aber auch aus Gründen der Wahrung der Privatheit eines Grundstücks bedient sich das Bauordnungsrecht aller Bundesländer der Forderung, daß vor Außenwänden von Gebäuden bestimmte Flächen zu den Grundstücksgrenzen hin von oberirdischen Gebäuden freizuhalten sind (Abstandflächen). In Nordrhein-Westfalen ist dieses in § 6 Abs. 1, 5 S. 3 BauO NRW geregelt (gleichlautende Regelungen finden sich in sämtlichen Bauordnungen der Bundesländer). Aber auch bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, müssen gemäß § 6 Abs. 10 BauO NRW die erforderlichen Abstandflächen einhalten. Zu den baulichen Anlagen gehören u.a. Aufschüttungen wie z.B. Terrassen, Freisitze und Geländemodulationen (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW).

In der zu § 6 Abs. 10 BauO NRW erlassenen Verwaltungsvorschrift Nr. 6.10 ist festgelegt, daß Wirkungen wie von Gebäuden zum Beispiel von "Terrassen, die höher als 1 m über der Geländeoberfläche sind", ausgehen können, während dieses bei "ebenerdigen, nicht überdachten Stellplätzen, Freisitzen und Schwimmbecken" nicht der Fall ist. Gestützt auf diese Regelung in der Verwaltungsvorschrift wurde eine Aufschüttung innerhalb der Abstandfläche vielfach dann als zulässig angesehen, wenn diese im Bauwich eine Höhe von 1 m nicht überstieg (vgl. hierzu z.B.: VG Arnsberg, Beschl. v. 14.10.1994 - 4 L 2114/94 -).

Dieser Argumentation hat das OVG nunmehr durch seine o.g. Entscheidung die Grundlage entzogen. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger des Verfahrens beantragten bei dem beklagten Landkreis ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen eine auf dem Nachbargrundstück errichtete bis zu 2 m hohe Geländeaufschüttung. Nachdem das Verwaltungsverfahren erfolglos geblieben war, verurteilten das Verwaltungsgericht und auch das OVG den Beklagten dazu, bauaufsichtlich gegen die Aufschüttung einzuschreiten. Der Beklagte kam dem Urteil dadurch nach, daß er mit dem Eigentümer des Nachbargrundstückes einen Vergleich abschloß, nach dem die Aufschüttung so zurückgebaut werden sollte, daß sie in dem abstandflächenrelevanten Grundstücksbereich eine Höhe von 1 m nicht erreichen dürfe. Diese Regelung hielten die Kläger nicht für ausreichend und beantragten daher die Zwangsvollstreckung aus dem zuvor erstrittenen Urteil. Nachdem das Verwaltungsgericht die Zwangsvollstreckung zunächst abgelehnt hatte mit der Begründung, die Aufschüttung sei nach ihrem Rückbau nicht zu beanstanden, weil von ihr keine Wirkungen wie von Gebäuden mehr ausgingen, gab das OVG den Klägern schließlich mit dem o.g. Beschluß recht.

Bereits in seiner Entscheidung vom 10.06.1999 hatte das Gericht entschieden, daß eine gedankliche Aufspaltung einer Aufschüttung in einen Bereich, der innerhalb der Mindestabstandfläche liegt, und denjenigen Teil, der sich auf dem Grundstück dann anschließt, bei der rechtlichen Beurteilung nicht vorgenommen werden dürfe. Vielmehr sei bei der Bewertung die gesamte Aufschüttung in die Betrachtung einzubeziehen (OVG NRW, Beschluß vom 10.06.1999 - 7 B 827/99 -). Nunmehr hat der Senat ergänzend hierzu klargestellt, daß eine Aufschüttung insgesamt die Abstandfläche von mindestens 3 m zu der Nachbargrenze einhalten muß, und zwar auch mit dem Böschungsfuß der Aufschüttung selbst. Eine Unterteilung der Böschung in eine Teilanlage, die wegen seiner maximalen Höhe von 1 m abstandflächenirrelevant sei, weil von dieser - entsprechend der Verwaltungsvorschrift zu § 6 Abs. 10 BauO NRW - keine Wirkung wie von Gebäuden ausgingen, und den sich anschließenden höheren Aufschüttungsbereich, der wegen der Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Mindestabstandes dann als bauordnungsrechtlich unbedenklich anzusehen sei, sei unzulässig (vgl. zur Unzulässigkeit einer über 3 m hohen Terrassenanschüttung im hängigen Gelände: OVG NRW, Urteil vom 10. November 2000 - 7 A 978/96 -; zur Wirkung von einer Zufahrtsrampe zu einer Tiefgarage im Bereich zur Nachbargrenze: OVG NRW, Beschluß vom 8. September 1987 - 7 A 1671/86 -). Die natürliche Geländeoberfläche überragende Terrassen, Freisitze und Geländemodulationen müssen mithin zukünftig vollständig die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandflächen wahren.

[Mitgeteilt von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Schmitz-Rode, Düsseldorf.]

Az.: II/1 660-00/1

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