Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 295/2008 vom 11.04.2008

Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot auch unterhalb der Schwellenwerte

Der EuGH hat in einem Urteil vom 21.02.2008 – Rs. C-412/04 – folgende Feststellungen getroffen:

1. Steht fest, dass ein Auftrag unterhalb der Schwellenwerte eine bestimmte grenzüberschreitende Bedeutung hat, liegt in seiner ohne jede Transparenz erfolgenden Vergabe an ein im Mitgliedstaat des öffentlichen Auftraggebers niedergelassenes Unternehmen eine Ungleichbehandlung zum Nachteil der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, die an diesem Auftrag interessiert sein könnten.

2. Eine solche Ungleichbehandlung stellt, sofern sie nicht durch objektive Umstände gerechtfertigt ist, eine nach den Art. 43 und 49 EG-Vertrag verbotene mittelbare Diskriminierung dar.

3. Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, in ihre Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Baukoordinierungsrichtlinie 93/37/EWG Bestimmungen aufzunehmen, die auf di Pflicht zur Beachtung der Art. 43 und 49 EG-Vertrag hinweisen.
Problem/Sachverhalt

Die italienische Regierung erließ im Jahr 2002 ein Rahmengesetz für öffentliche Bauaufträge. Das Gesetz sieht unter anderem die Möglichkeit der direkten Vergabe von einzelnen Bauleistungen eines Vorhabens, nämlich von Erschließungsmaßnahmen, an den Inhaber einer Baugenehmigung oder den durch einen genehmigten Erschließungsplan Berechtigten vor, wenn der Wert dieser Leistungen isoliert betrachtet unterhalb der Schwelle für die Anwendung der Baukoordinierungsrichtlinie 93/37/EWG liegt. Die Kommission rügt im Rahmen ihrer Vertragsverletzungsklage unter anderem, dass das Gesetz die direkte Vergabe von Bauleistungen ermögliche, ohne dass die Anwendung der im EG-Vertrag aufgestellten Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung ausdrücklich garantiert werde.

Entscheidung

Der EuGH weist die Rüge insoweit zurück. Ein Verstoß gegen den EG-Vertrag liegt nicht vor. Zwar gilt das Verbot einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 43, 49 EG-Vertrag auch bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte. Auch hier liegt eine verbotene mittelbare Diskriminierung vor, wenn ein Auftrag eine bestimmte grenzüberschreitende Bedeutung hat, die Vergabe ohne jede Transparenz erfolgt und dies nicht durch objektive Umstände gerechtfertigt ist. Jedoch besteht keine gesetzgeberische Pflicht zum Hinweis auf die Beachtung der Grundfreiheiten, da die Anwendung des primären Gemeinschaftsrechts hiervon nicht abhängt.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung setzt der EuGH seine im Zusammenhang mit Dienstleistungskonzessionen begonnene Rechtsprechung („Teleaustria", IBR 2001, 116) fort, wonach auch bei nicht den EU-Richtlinien unterfallenden Vergaben unter bestimmten Umständen ein Mindestmaß an Transparenz sichergestellt sein muss. Bei Missachtung besteht (theoretisch) die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens. Wann aber ein „bestimmtes" (oder „eindeutiges", so EuGH, Urteil vom 13.11.2007 - Rs. C-507/03) grenzüberschreitendes Interesse vorliegt und wie man die gebotene Transparenz herstellen kann, ohne gleichzeitig ausschreiben zu müssen, ist weiterhin unklar.
(Quelle: IBR, April 2008, S. 229)

Az.: II/1 608-00

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