Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr

StGB NRW-Mitteilung 208/2009 vom 12.03.2009

Thesen zur Tourismusentwicklung

Der StGB NRW-Ausschuss für Strukturpolitik und Verkehr hat in seiner Sitzung am 11.03.2009 die folgenden Verbandsthesen zur Tourismusentwicklung verabschiedet:

1. Kommunaler Tourismus muss konsequent entwickelt werden. Mit Ausnahme weniger touristischer Selbstläufergebiete kann Tourismus nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgen oder allein Impulsen aus der Privatwirtschaft überlassen werden. Richtung, Inhalt, Tempo und Reichweite müssen im Rahmen der Stadt- und Regionalentwicklung gesteuert werden. Städte und Gemeinden bedürfen einer strategischen Orientierung zwischen Konzentration und Vielfalt.

2. Das Nebeneinander unterschiedlicher Wirtschaftszweige ist der kommunale Normalfall. Kommunale Wirtschaftsförderung setzt tunlichst auf einen Branchenmix im Bereich der Unternehmen, um die Abhängigkeit von Branchenschwankungen und Standortentscheidungen einzelner Unternehmen sowie von Witterungsbedingungen und anderen äußeren Einflüssen zu reduzieren. Der Stellenwert des Tourismus im Rahmen von Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung muss transparent sein und in der Kommunalpolitik klar zum Ausdruck kommen.

3. Kommunale Tourismus- bzw. Wirtschaftsförderungsstrategien müssen auf eine Verträglichkeit der Wirtschaftszweige untereinander setzen. Die Wirtschaftsbereiche sollten sich so wenig wie möglich stören bzw. behindern. Im Idealfall können sie mit dem Tourismus thematisch in Einklang gebracht werden. Als Beispiele seien die Route der Industriekultur im Ruhrgebiet oder Regionen genannt, die den „Rad-Tourismus“ kultivieren. In Konfliktfällen müssen klare Prioritäten gesetzt werden.

4. Zielgruppen müssen definiert und umsorgt werden. Der Besucher muss wissen, ob er zu der Zielgruppe gehört. Nicht jeder Besucher verbindet umgekehrt mit seiner Anwesenheit in einer Kommune touristische Zwecke. Selbst viele Touristen werden nicht selten lediglich spezielle Angebote in einer Kommune nachfragen, ohne das gesamte Spektrum erleben und (mit-)zahlen zu wollen. Eine kommunale Tourismusstrategie muss also die Verträglichkeit der Zielgruppen anstreben.

5. Was dem Bürger nutzt, wird dem Gast ebenfalls zugute kommen – und umgekehrt (Beispiel: Radverkehrsinfrastruktur). Gästeorientierung darf nicht zu Lasten der Bürgerorientierung gehen. Die Bürger bzw. die Einwohner einer Kommune sind zunächst die Zielgruppe. In einer strategischen Tourismusentwicklung dürfen sich weder der Gast noch der Einwohner als Bewohner zweiter Klasse fühlen. In diesem Zusammenhang darf der Konkurrenzkampf von Gemeinden um qualifizierte Arbeitnehmer als ein künftig sich verschärfender Aspekt nicht unterschätzt werden. Angebotsvielfalt bei Freizeit und Naherholung wird ebenso wie sportliche und kulturelle Attraktivität immer stärker zum Standortfaktor.

6. Nur qualitativ hochwertige touristische Angebote haben gerade in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, die nicht zu den klassischen Urlaubsregionen gehören, Zukunftschancen. Sie müssen in die Tradition, Kultur, Geschichte, Sozialstruktur und in die ökologischen Eigenarten des Raumes eingebunden sein. Das touristische Profil einer Kommune erwächst aus ihrer eigenen Geschichte, ihrer Einbindung in den Raum, aus den Traditionen und Eigenarten ihrer Bürger. Hieraus und nicht allein aus den jeweils im Land oder der Fachwelt ausgerufenen Trends muss sie ihr Leitbild erarbeiten. Bei der Entwicklung touristischer Angebote muss auf die Verträglichkeit der Nutzungen geachtet werden.

7. Die Kommunen sollten nicht jedem aktuellen, möglicherweise kurzfristigen Trend hinterherlaufen Das touristische Angebot muss aufbauend auf langfristigen und belegbaren Entwicklungen konzipiert werden. Viele Städte und Gemeinden in deutschen Tourismusregionen können insbesondere mit internationalen Destinationen des (Urlaubs-)Massentourismus nicht konkurrieren. Sie müssen konsequent auf den qualitätsbewussten und anspruchsvollen Gast setzen. Trends und Nachfrageentwicklungen müssen dabei nutzbar gemacht werden für das örtliche touristische Angebot.

8. Erreichbarkeit und Mobilität vor Ort sind Grundvoraussetzungen für ein gästeorientiertes touristisches Angebot. Verlässlichkeit, Komfort und Sicherheit des Mobilitätsangebotes sowie Aspekte der Barrierefreiheit gehen vor Schnelligkeit. Informationen in Internetauftritten, Broschüren und anderen Medien müssen auf Selbstverständliches und auf Nebensächliches verzichten und sich auf das für den Gast in der Region Wesentliche konzentrieren. Leitsysteme für Wanderer, Radfahrer, Fußgänger etc. müssen richtig, einfach und durchgängig sein.

9. Tourismusentwicklung benötigt professionelles Management und bürgerschaftliche Mitgestaltung. Ideenvielfalt und Motivation der lokalen Anbieter bewirken die Einzigartigkeit des Angebots. Die Beauftragung externer Berater kann Reibungsverluste bei den Akteuren abbauen, birgt aber auch die Gefahr, wissenschaftlich Fundiertes und anderweitig praktisch Erprobtes undifferenziert auf die spezielle Region zu übertragen. Endogene Stärken wie Identifikation mit der Region, Verbundenheit mit dem Wohn- und Lebensmittelpunkt, letztlich ausgeprägtes Heimatgefühl können andererseits sachliche Professionalität ergänzen oder ersetzen. Die Schaffung einer unverwechselbaren Identität einer Region ist einer noch so professionellen Imagebildung vorzuziehen, wenn diese zur Austauschbarkeit führt.

10. Nicht jede Gemeinde braucht ein eigenes Spaßbad. Durch ein Regionalmarketing können und sollten bestehende einzelfallbezogene Kooperationen zu einer gemeinsamen strategischen und vor allem projektübergreifenden Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden in der Region - beispielsweise in Touristischen Arbeitsgemeinschaften - ausgebaut werden. Die Initiative zur Kooperation sollte - basierend auf Freiwilligkeit - von der örtlichen Ebene kommen. Der Gegenstand der Kooperation kann zunächst begrenzt sein, damit die jeweiligen Projekte in einem realistischen Zeitrahmen umgesetzt und messbare Erfolge erzielt werden können.

Überzeugungskraft des unverwechselbaren Angebots, Verträglichkeit nach innen und außen, Kooperation vor Ort und in der Region sind die Säulen einer kommunalen Tourismusstrategie. Leitbild kommunaler Tourismuspolitik ist ein nachhaltiger, umwelt- und sozialverträglicher Tourismus. Das Binnenmarketing darf dabei nicht vernachlässigt werden. Eine auf das Leitbild zielende, zur lokalen Identität passende Modernisierung und Ausrichtung der touristischen Infrastruktur - öffentlich und privat - und regelmäßig konsequente Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter in den Tourismus-Servicestellen müssen sichergestellt werden.


Az.: III 470-00

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search