Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 453/2015 vom 14.07.2015

Tätigkeitsbericht 2013/2014 des Bundeskartellamtes

Das Bundeskartellamt hat seinen Tätigkeitsbericht über wettbewerbs- und vergaberechtliche Entwicklungen aus 2013/2014 vorgelegt. Darin untersucht wird der wettbewerbspolitische und kartellrechtliche Rahmen unter anderem der Energie-, Gas-, Wasser- und Fernwärmemärkte. Neben grundlegenden Aussagen zur wettbewerbspolitischen Situation wird, wie bereits in den vergangenen Berichten, die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen bewertet.

So beurteilt die Behörde insbesondere die Vergabe der Strom- und Gasnetze sowie die Erhebung von Gebühren und Preisen für die Trinkwasserversorgung wie gewohnt kritisch und hält eine stärkere Kontrolle für erforderlich. Die Bundesregierung, die in dem Zusammenhang stets auf die kommunale Selbstverwaltung verwiesen hat, nimmt hierzu Stellung und schließt sich zumindest letzterer Einschätzung an.

Aus kommunaler Sicht kann dies nicht überzeugen. Gebühren werden bereits heute auf transparente Weise durch Kommunalparlamente festgelegt. Um eine rechtssichere Konzessionsvergabe zu garantieren, muss zunächst ein entsprechender Rechtsrahmen für alle Marktteilnehmer geschaffen werden. Die angekündigte Reform des Energiewirtschaftsrechts steht jedoch noch aus. Unabhängig davon, ist es eine Einzelfallentscheidung, ob die Aufgabe durch die öffentliche Hand, private Unternehmen oder gemischt wirtschaftlich durchgeführt wird.

Das Bundeskartellamt hat den Tätigkeitsbericht für die Jahre 2013/2014 vorgestellt. Darin wird die wettbewerbspolitische und kartellrechtliche Situation und die Entwicklungen im Gesundheitswesen, im Bereich der Banken und Kreditwirtschaft, der Entsorgungswirtschaft, Telekommunikation, Rundfunkdienstleistungen, Energiewirtschaft, Wasser, Verkehr, Touristik und Gastgewerbe für die Jahre untersucht. Zeitgleich veröffentlichte die Behörde einen „Jahresbericht 2014“.

Wie in den vergangenen Jahren - zuletzt in ihrem Tätigkeitsbericht vor zwei Jahren (vgl. DStGB-Aktuell Nr. 2813-08) - wird auch die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen in den Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere in der Energie- und Wasserversorgung bewertet. Eine große Bandbreite kommunaler Themen wird damit angesprochen. Die Bundesregierung hat bereits im letzten Jahr zu dem Tätigkeitsbericht Stellung genommen und sich zu den Einschätzungen des Bundeskartellamtes geäußert (BT-Drs. 18/5210).

Der Tätigkeitsbericht 2013/2014 sowie der Jahresbericht 2014 des Bundeskartellamtes sind unter www.bundeskartellamt.de abrufbar. Anbei die wesentlichen Ergebnisse des Bundeskartellamtes und der Bundesregierung mit kommunalwirtschaftlicher Relevanz:

Wettbewerbsituation

Die Entwicklung der Energiemärkte habe sich insgesamt verbessert. Das Bundeskartellamt führt ein kontinuierliches Monitoring der Elektrizitätsmärkte durch. Danach habe sich die wettbewerbliche Situation auf den Stromerzeugungsmärkten, Stromgroßhandelsmärkten und Stromletztverbrauchermärkten im Berichtszeitraum weiter verbessert.

Der Marktanteil der vier absatzstärksten Unternehmen an der konventionellen Stromerzeugung in Deutschland und Österreich sei dabei spürbar im Vergleich zum Jahr 2010 zurückgegangen. Ursache der rückläufigen Marktmachttendenzen sei der Rückgang der Anteile der größten Unternehmen an den konventionellen Erzeugungskapazitäten sowie der deutschland- und europaweite Überschuss an Stromerzeugungskapazitäten, der weit über das hinausgehe, was zur Deckung der Stromnachfrage benötigt werde. Ein zunehmender Anteil der Stromnachfrage werde mit der Einspeisung durch erneuerbare Energien gedeckt.

Aus Sicht der Bundesregierung belegt die positive Einschätzung der Wettbewerbsentwicklungen im Energiemonitoring, dass die bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen im Energiewirtschaftsrecht sowie ihre Anwendung durch Bundeskartellamt bzw. Bundesnetzagentur und Gerichte die richtigen Instrumente sind, um zur weiteren Verbesserung der wettbewerblichen Situation beizutragen.

Das Bundeskartellamt spricht sich gegen die Einführung von Kapazitätsmärkten zur Sicherung und Finanzierung konventioneller Kraftwerke aus. Alle Modelle würden eine hohe Komplexität aufweisen und damit eine erhebliche Gefahr von Regulierungsversagen mit sich bringen. Darüber hinaus seien diese nur schwer mit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes vereinbar. Nationale Kapazitätsmärkte führen zu neuen erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Es bestünde die Gefahr, dass ein Subventionswettlauf ausgelöst werde und Kraftwerke nur noch dort gebaut werden, wo die höchsten Kapazitätszahlungen zu erwarten seien. Besteht der Wunsch die Versorgungssicherheit in einer Übergangsphase zusätzlich abzusichern, könne eine Kapazitätsreserve eingeführt werden.

Die Bundesregierung stimmt mit der Ansicht des Bundeskartellamts überein, dass Wettbewerbsmechanismen bei der Förderung von erneuerbaren Energien mit der EEG-Novelle 2014 gestärkt wurden. Die Bundesregierung sieht wie das Bundeskartellamt Forderungen nach der Einführung von Kapazitätsmärkten im Bereich der konventionellen Stromerzeugung kritisch. Angesichts der im Strommarkt derzeit bestehenden erheblichen Überkapazitäten sei die Notwendigkeit von Kapazitätsmärkten nicht akut.

Das Bundeskartellamt stellt wettbewerbliche Defizite in den Bereichen der Fernwärme und des Heizstroms fest. Bei den Unternehmen, gegen die Verfahren eröffnet worden sind, würden allerdings nicht unbedingt alle Versorgungsgebiete auffällig hohe Erlöse aufweisen. Zudem könnten hohe Erlöse auch sachlich zu rechtfertigen sein — beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Erzeugungs- und Netzstrukturen, die entsprechende Kostenunterschiede begründen.

Zu berücksichtigen sei außerdem, dass Fernwärme, die in KWK-Anlagen zusammen mit Elektrizität erzeugt wird, ein Kuppelprodukt sei.Die Bundesregierung hält stichprobenhafte Überprüfungen und Verfahren gegen Unternehmen mit sehr hohen Preisen mangels ausreichender wettbewerblicher Kontrolle im Markt weiterhin durch die Kartellbehörden notwendig.

Wettbewerbsaufsicht und Kartellverfolgung

Gesellschaftlich und politisch stoße dieser Trend bisher auf wenig Kritik. Aus wettbewerblicher Sicht finde jedoch zu wenig Beachtung, dass das wirtschaftliche Engagement der Kommunen zu Lasten privater Unternehmen und somit auch der Verbraucher gehen könne. Trete der Staat als Marktteilnehmer auf, könne dies zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Wettbewerbsvorteile kommunaler Unternehmen ergäben sich unter anderem daraus, dass sie weniger stark als private Unternehmen dem Druck der Kapitalmärkte ausgesetzt sind. Es bestünde die Gefahr, dass effizientere und innovativere private Wettbewerber infolgedessen aus dem Markt gedrängt werden. Zum anderen berge die Doppelrolle der Kommunen als Marktteilnehmer und Hoheitsträger ein erhöhtes Diskriminierungspotenzial gegenüber privaten Wettbewerbern.

Zahlreiche kartellrechtliche Verfahren im Bereich der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen würden belegen, dass Kommunen bei der Ausschreibung der Wegenutzungsrechte Anreize haben, das eigene kommunale Stadtwerk gegenüber privaten Wettbewerbern zu bevorzugen. Bestrebungen, den rechtlichen Rahmen für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen zu lockern, seien daher aus wettbewerblicher Sicht mit Sorge zu betrachten. Auch derzeit diskutierte Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die darauf abzielen, dass bei der Konzessionsvergabe neben den Zielen des EnWG auch kommunale Interessen maßgeblich berücksichtigt werden dürften oder die Inhouse-Vergabe von Energiekonzessionen von der Ausschreibungspflicht freigestellt wird, seien aus wettbewerblicher Sicht kritisch zu beurteilen. Sie würden den Wettbewerb um Wegenutzungsrechte erheblich schwächen oder sogar verhindern.

Das Bundeskartellamt führt dabei das Missbrauchsverfahren gegen die Stadt Mettmann an, in dem dieser untersagt wurde, die Wegenutzungsrechte für das Elektrizitäts- und das Gasnetz im Stadtgebiet ohne ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren „inhouse“ an ihr eigenes Tochterunternehmen zu vergeben. Zudem verwies die Behörde auf das Beschwerdeverfahren gegen das Land Berlin sowie die am 9.12.2014 entschiedene Klage beim Landgericht Berlin, die dem Land untersagte, die Wegerechte für das Gasversorgungsnetz in Berlin an die BerlinEnergie zu vergeben.

Anhand der Zusagenentscheidung im Verfahren gegen die Gemeinde Cölbe habe das Bundeskartellamt verdeutlicht, das bei den Verfahren der Kommunen zur Suche eines neuen Wegenutzungsberechtigten auf die Wahrung des Geheimwettbewerbs zu achten ist. Schließlich führte das Bundeskartellamt die im Januar 2015 erlassene Verfügung gegen die Stadt Titisee-Neustadt wegen Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung bei der Vergabe ihrer Wegerechte für Stromnetze auf. Gegen die Entscheidung hat die Stadt Titisee-Neustadt Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Der wegen der Einlegung einer Kommunalverfassungsbeschwerde erhobene Antrag auf Verfahrensaussetzung habe das Bundeskartellamt abgelehnt.

Wasserpreise und -gebühren

Das Bundeskartellamt habe in den beiden vergangenen Jahren 79 Verfahren im Bereich der Missbrauchsaufsicht abgeschlossen. In jüngerer Vergangenheit wurde insbesondere eine Reihe von Missbrauchsverfahren gegen Wasserversorger geführt, in deren Folge die Wasserpreise erheblich gesenkt wurden. Im Verfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) habe das Bundeskartellamt mit einer inzwischen rechtskräftigen Preissenkungsverfügung sowie einem Vergleichsvertrag von Mai 2014 dafür gesorgt, dass die Berliner Wasserkunden von 2012 bis 2018 um insgesamt rund 440 Millionen Euro entlastet werden.

Darüber hinaus wird das 2012 eingeleitete Preismissbrauchsverfahren gegen die Wuppertaler Stadtwerke GmbH sowie die Preissenkungsverfügung der baden-württembergischen Landeskartellbehörde gegen den Wasserversorger der Stadt Calw (Energie Calw GmbH) genannt, die zum wiederholten Male dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliege.Verschiedene Wasserversorger, deren Wasserpreise nach kartellrechtlicher Prüfung wegen missbräuchlicher Überhöhung abgesenkt worden waren, seien über den Umweg einer sog. Rekommunalisierung in das öffentliche Gebührenrecht geflüchtet.

Die Bestrebungen mittels Anwendung der kartellrechtlichen Kontrolle auch auf Gebühren setzende Unternehmen entgegen zu wirken (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Oktober 2011, Aktenzeichen: KVR 9/11, „Niederbarnimer Wasserverband“), wurden durch die 8. GWB-Novelle unterbunden. Durch die Herausnahme der öffentlich-rechtlichen Gebühren aus der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht werde kommunalen, gebührenerhebenden Monopolunternehmen nun ein weiterer Spielraum bei der Gestaltung der Entgelte eingeräumt, als den privaten Anbietern.

Die Bundesregierung begrüßt das konsequente Vorgehen des Bundeskartellamts im Bereich der Trinkwasserversorgung. Da bei den Versorgungsnetzen für Trinkwasser eine Durchleitung aus technischen und hygienischen Gründen regelmäßig nicht möglich sei, bilde der Bereich der Endkundenbelieferung ein natürliches Monopol. Anders als in den Bereichen Telekommunikation, Post, Energie und Verkehr könne eine Regulierung nicht durch eine Normierung des Zugangs zum Netz erfolgen.

Anmerkung

Die kommunalen Spitzenverbände treten einer solch streng wettbewerbspolitischen Sichtweise auf die kommunalwirtschaftliche Betätigung in Bereichen der Daseinsvorsorgeleistungen immer wieder ausdrücklich entgegen. Eine kritische Auseinandersetzung und Positionierung mit den Argumenten, die die Bundeskartellbehörde in ihrem Tätigkeitsbericht aufgreift, ist erst anlässlich des veröffentlichten 20. Hauptgutachtens der Monopolkommission erfolgt (vgl. DStGB-Aktuell Nr. 1915-05).

Es wird deutlich gemacht, dass eine solche Sichtweise dem heutigen Verständnis und Erwartungen der Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft an die Erbringung kommunaler Daseinsvorsorgeleistungen nicht gerecht wird und der bestehende Rechtsrahmen durch das Landesrecht eine effektive Kontrolle des Wettbewerbsrechts gewährleistet und den Transparenzanforderungen bereits ausreichend Rechnung trägt.

Az.: II gr-oe

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