Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 201/2016 vom 15.03.2016

Studie zu Geschäftsmodellen für Bürgerenergie-Genossenschaften

Eine Studie des Netzwerkes Energiewende Jetzt e.V. hat vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen von Bürgerenergiegenossenschaften in der Energiewende verschiedene Entwicklungstrends und Geschäftsmodelle untersucht, mit denen diese den erfolgreichen Wandel in die Zukunft vollziehen können. Danach werden Genossenschaften künftig komplexere Geschäfte abwickeln und ihre Geschäftsbereiche diversifizieren müssen.

Energieeffizienz, Nahwärme Plus und E-Mobilität können lohnenswerte Geschäftsmodelle bieten. Entscheidende Erfolgsfaktoren seien neben der Diversifizierung der Geschäftsfelder und der weiteren Professionalisierung insbesondere Kooperationen mit Kommunen und Stadtwerken. Aus kommunaler Sicht sind Bürger-genossenschaften mit ihren dezentralen Projekten ein wesentlicher Bestandteil für den Erfolg der Energiewende. Sie führen zu einer stärkeren Akzeptanz, in dem sie spezifische lokale und regionale Bedürfnisse im Interesse der Bürger abdecken und dabei Wertschöpfungseffekte entstehen.

Netzwerk Energiewende Jetzt e.V., die 100 prozent erneuerbar stiftung und StoREgio Energiespeichersysteme e.V. haben die Studie „Geschäftsmodelle für Bürgerenergiegenossenschaften“ im Auftrag der Energieagentur Rheinland-Pfalz und des Landesnetzwerkes Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V. erarbeitet. Dafür haben die Autoren in einer Markterfassung und in Experteninterviews zwischen Juni und Oktober 2015 zukunftsfähige Geschäftsmodelle identifiziert. Ein besonderes Augenmerk lag auf neuen, wenig verbreiteten Konzepten sowie aktuellen und zukünftigen Handlungsmöglichkeiten für Energiegenossenschaften.

Hintergrund

Energiegenossenschaft stehen aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen vor völlig neue Fragen und Herausforderungen. Die kurzfristigen Änderungen des EEG seit 2012 — verbunden mit Einspeisekürzungen — sowie Gesetzesvorhaben wie das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) — das Kleinanlegerschutzgesetz haben die Verantwortlichen in Energiegenossenschaften zwischen 2012 und 2015 stark verunsichert. Der mit dem EEG 2014 eingetretene Systemwechsel zur verpflichtenden Direktvermarktung ab 2016 auch für kleinere Anlagen sowie die Umstellung auf das Ausschreibungssystem ändern die Wettbewerbssituation für  Energiegenossenschaften. Sie müssen sich nun in einem direkten Wettbewerb mit großen Energieunternehmen behaupten.

Dies hat zu einem deutlichen Rückgang der Aktivitäten vieler Energie-genossenschaften geführt. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) errechnete in seiner Befragung von 2014, dass die Genossenschaften etwa 290 Millionen Euro an Investitionen zurückhalten. Ein Drittel der Energiegenossenschaften planten für 2015 keine Investitionen. Die Genossenschaften, die investieren wollen, suchen nach neuen Geschäftsfeldern, wie regionale Direktvermarktung und Wärmelieferung mit genossenschaftlich betriebenen Wärmenetzen oder versuchen, in das Geschäftsfeld „Wind an Land“ einzusteigen.

Genossenschaften werden künftig komplexere Geschäfte abwickeln und ihre Geschäftsbereiche diversifizieren müssen. Deshalb werden sie auch organisatorisch neue Wege gehen. Sie werden stärker kooperieren, zum Beispiel mit Kommunen und Stadtwerken, spezialisierten externen Dienstleistern oder mit anderen Genossenschaften. Sie werden die fachliche Professionalisierung stärker in den Fokus nehmen und hauptamtliche Strukturen entwickeln. Dabei werden die Anforderungen an die Managementkompetenz steigen. Vorstände, Aufsichtsräte und engagierte Mitglieder stehen vor der Aufgabe, bestehende und erprobte Geschäftsmodelle zu analysieren, sie auf ihre Übertragbarkeit zu überprüfen und systematisch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Handlungsfelder und Geschäftsmodelle

Energiegenossenschaften sind heute nicht mehr „nur“ Stromproduzenten. Sie sind oft auch Wärmelieferanten, Kontraktoren mit den Kommunen, Betreiber von Elektromobilität oder Vermarkter ihres Stroms. Zunehmend geht die Entwicklung hin zur Umsetzung von sogenannten Prosumermodellen. Die Zahl der möglichen Handlungsfelder ist deutlich gestiegen.

Gibt es hier schon praktische Erfahrungen, ist die Elektromobilität noch weitgehend unerschlossen, so die Autoren der Studie. Dabei bietet sich die Verbindung von Verkehrs- und Energiewende an. Die Batterien von Elektro-Autos können überschüssigen, dezentral erzeugten Strom von erneuerbaren Energien speichern. Gerade in ländlichen und touristischen Regionen haben Energiegenossenschaften gute Chancen für E-Mobilitätsprojekte, wie das Projekt Weilermobil in Pfalzgrafenweiler im Schwarzwald zeigt.

Eine wachsende Zahl an Energiegenossenschaften möchte mit Contractingmodellen die zweite Säule der Energiewende, die Energieeffizienz, erschließen. Sie zielen dabei mit kleinen Unternehmen, Vereinen und Kommunen auf einen Markt, der von privatwirtschaftlichen Contractoren bisher kaum bearbeitet wurde. Schließlich sieht die Studie in „Nahwärme plus“-Konzepten ein erweiterbares Geschäftsmodell. Beispiele sind die Nutzung industrieller Abwärme, bio-solare Nahwärme bis hin zu Quartierslösungen.

Im Geschäftsfeld Photovoltaik bieten Direktverbrauch, Pachtmodelle sowie Mieterstrom wirtschaftlich attraktive Möglichkeiten, günstig Ökostrom direkt vom Dach zu liefern. Liefern Energiegenossenschaften als Energieversorger Strom, runden sie das Angebot für ihre Mitglieder ab.

Mittel- und langfristige Optionen für Energiegenossenschaften werden etwa in Speicherkonzepten, dem Spitzenlastmanagement, ganzheitlichen Quartierkonzepten, Immobilien- und Energiemanagement, gesehen.

Bei der Dezentralisierung der Energieversorgung weisen Energiegenossenschaften laut Studie drei Stärken auf: Regionalität, Transparenz und Gemeinschaftlichkeit. Besonders die regionale Verankerung, die direkte Beziehung zu den Menschen in der Region und das aktive Mitgestalten der Mitglieder könnten zum wichtigen Vorteil im Wettbewerb werden.

Anmerkung

Bürgerenergieakteure sind mit ihren dezentralen Projekten ein wesentlicher Bestandteil für den Erfolg der Energiewende. Dabei haben Genossenschaften aus kommunaler Sicht eine besondere Bedeutung, da sie spezifische lokale und regionale Bedürfnisse im Interesse der Bürger abdecken und dabei Wertschöpfungseffekte entstehen, die gerade im Energiebereich zu einer verbesserten Akzeptanz der Energiewende führen können. In der gemeinsamen Umsetzung mit Kommunen und den Stadtwerken führen sie zu einer stärkeren Identifikation und Durchsetzung von Entscheidungen in der Energiewende.

Zugleich sind damit größere Wertschöpfungspotenziale und neuen Möglichkeiten insbesondere für den ländlichen Raum und die regionale Wirtschaft verbunden. Die Projekte dezentraler Akteure im Bereich der Erneuerbaren Energien haben schließlich einen erheblichen Anteil an der gesamtinstallierten Leistung der Erneuerbaren Energien, insbesondere im Wind an Land- und Photovoltaikbereich. Darüber hinaus tragen sie auch im Wärme- und Verkehrsbereich zur Verbesserung der Klimabilanz bei.

Aus kommunaler Sicht wird mit Sorge betrachtet, dass Energiegenossenschaft und andere kleinere Akteure aus dem Bereich der Bürger und Kommunen unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit großen Planungs- und Investitionsunsicherheiten und Risiken zu kämpfen haben, die dazu führen, dass ihre Aktivitäten in der Energiewende zu-rückgehen. Die Wahrung einer breiten Akteursstruktur ist jedoch ein zentraler Baustein für den Erfolg und die notwendige Akzeptanz für die Energiewende und sollte daher gestärkt werden.

Bei der Ausgestaltung der Förderinstrumente des EEG 2016, wie dem Ausschreibungsverfahren, ist daher sicherzustellen, dass die Belange von kleineren Anlagenbetreibern aus dem Bereich der Kommunen und Stadtwerke auch unter Einbeziehung der Bürger ausreichend Berücksichtigung finden und ihnen der Marktzutritt und damit der Zugang zur Förderung der erneuerbaren Energien möglich bleiben.

Az.: 28.6.1.3 gr

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