Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation

StGB NRW-Mitteilung 303/1996 vom 05.07.1996

Stimmrecht des hauptamtlichen Bürgermeisters

Kürzlich wurde die Geschäftsstelle um Rechtsauskunft zu der Frage des Stimmrechts des hauptamtlichen Bürgermeisters im Zusammenhang mit Entscheidungen zur Ausschußauflösung und Ausschußneubildung gebeten. Die Antwort der Geschäftsstelle wird im folgenden auszugsweise wiedergegeben:

"Der Bürgermeister hat Stimmrecht im Rat." (§ 40 Abs. 2 Satz 4 GO). Weitere Vorschriften, die das Stimmrecht des hauptamtlichen Bürgermeisters regeln, gibt es in der Gemeindeordnung nicht. Demnach kann der Bürgermeister grundsätzlich bei allen Abstimmungen (§ 50 GO) mitwirken. Einschränkungen ergeben sich allein in den Fällen, in denen nur die Ratsmitglieder abstimmen. Der Bürgermeister ist kein Mitglied des Rates und daher in diesen Fällen nicht stimmberechtigt (Mitteilungen des NWStGB vom 20.11.1995, lfd. Nr. 532, dort unter 2.). Die vor der Gesetzesänderung im März 1996 bestehende Rechtslage führte bei der personellen Besetzung der Ratsausschüsse zu widersprüchlichen Ergebnissen. Hatten sich die Ratsmitglieder (also ohne Mitwirkung des Bürgermeisters) zur Besetzung der Ausschüsse auf einen einheitlichen Wahlvorschlag geeinigt, bedurfte es zur Annahme dieses Wahlvorschlages eines einstimmigen Beschlusses des Rates (also bei Mitwirkung des Bürgermeisters). Der Bürgermeister hatte es also bei der bisherigen Rechtslage in der Hand, Einigungen der Ratsmitglieder zu verhindern und die Verteilung der Ausschußsitze nach d’ Hondt zu erzwingen. Diese Rechtslage war höchst sachwidrig. Der NWStGB hat daher in seiner Beratungspraxis die Auffassung vertreten, bei der Annahme des einheitlichen Wahlvorschlags dürfe der Bürgermeister nicht mitstimmen.

Der Landesgesetzgeber hat mit der jüngsten Gesetzesänderung diesen Wertungswiderspruch beseitigt. Nunmehr steht der eindeutige Gesetzeswortlaut der Mitwirkung des Bürgermeisters bei der Annahme des einheitlichen Wahlvorschlags entgegen. Der Landesgesetzgeber hat sich bei dieser Änderung die Begründung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung zu eigen gemacht, nach der das Stimmrecht ausgeschlossen sei, da es sich um einen Akt der Selbstorganisation des Rates handele (Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtags-Drucksache 12/402, S. 78).

Damit ist die in Ihrem Schreiben angesprochene Frage nach dem Stimmrecht des hauptamtlichen Bürgermeisters bei

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- Auflösung aller Ausschüsse des Rates der Stadt

- Neubildung der Ausschüsse des Rates der Stadt im bisherigen Umfang

- Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Ausschüsse des Rates der Stadt

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mit Ausnahme der Wahl im Rahmen eines einheitlichen Wahlvorschlags im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es stellt sich daher die Frage, ob es bei dem o.g. dargestellten Grundsatz bleiben kann, bei dessen Zugrundelegen der Bürgermeister in allen drei Konstellationen Stimmrecht besitzt, oder aber, ob sich aus der jüngsten Gesetzesänderung etwas anderes ergibt.

Vor der Gesetzesänderung im März dieses Jahres bestand ein weiter Auslegungsspielraum. Zwar konnte man mit guten Gründen - wie der NWStGB - die Ansicht vertreten, dort, wo im Gesetz der "Rat" als abstimmendes Organ genannt sei, dürfe auch der Bürgermeister mitstimmen, da er ja Stimmrecht in diesem Organ besitze. Da aber die betreffenden Regelungen ausnahmslos der vor Oktober 1994 geltenden Rechtslage entsprachen, bei der es im Ergebnis belanglos war, ob das Gesetz "Rat" oder "Ratsmitglieder" aufführte, konnte in der Verwendung des Wortes "Rat" eine unbewußte Ungenauigkeit des Gesetzgebers gesehen werden, die einer Auslegung zugänglich war. Dies hat der NWStGB in seiner Stellungnahme zum jüngsten Gesetzentwurf hervorgehoben und weitere Klarstellungen angemahnt.

Mit der Gesetzesänderung vom März 1996 hat der Gesetzgeber in einigen Vorschriften "Rat" durch "Ratsmitglieder" ersetzt und damit bestehende Unklarheiten zu Lasten des Stimmrechts des Bürgermeisters beseitigt. Anhaltspunkte dafür, daß der Landesgesetzgeber - bekannte - andere Streitfälle (z.B. § 67 Abs. 1 Satz 1 GO: Wahl der Stellvertreter des Bürgermeister) unbewußt offen gelassen hat, bestehen nicht. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers überall dort, wo der "Rat" zur Abstimmung berufen ist, der Bürgermeister mitwirken darf.

Gegen diese Auslegung könnte eingewandt werden, mit der Änderung des § 50 Abs. 3 GO habe der Gesetzgeber festgelegt, daß der Bürgermeister bei der Ausschußbesetzung nicht mitstimmen dürfe, weil es sich um einen Akt der Selbstorganisation des Rates handele. Um nicht in Wertungswidersprüche zu geraten, müsse der Ausschluß des Stimmrechts daher für alle Abstimmungen gelten, die mit der Ausschußorganisation zusammenhängen. Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Der Ausschluß des Stimmrechts in § 50 Abs. 3 Satz 1 und 5 GO betrifft die Abstimmung über die Mitglieder der Ausschüsse, also deren Wahl, und die Nachwahl für ausgeschiedene Ausschußmitglieder. Der Bürgermeister, der nicht Ratsmitglied ist und dies auch nicht sein kann, ist nicht als Ausschußmitglied wählbar. Der Landesgesetzgeber hat mit der Gesetzesänderung in § 50 Abs. 3 GO folglich lediglich den Umfang des aktiven Wahlrechts an den Umfang des passiven Wahlrechts angepaßt. Für den Fall der Verhältniswahl nach § 50 Abs. 3 Satz 2 GO, für die eine ausdrückliche Regelung der Stimmberechtigung nicht getroffen ist, wird man aus der Regelung in den Sätzen 1 und 5 schließen müssen, daß ein Stimmrecht des Bürgermeister nicht besteht. In der o.g. dritten Konstellation besteht daher ein Stimmrecht des Bürgermeisters nicht.

Die Gesetzesänderungen im Bereich der Ausschußbildung haben das Stimmrecht des Bürgermeisters lediglich bei der konkreten personellen Zusammensetzung der Ausschüsse, also der Wahl der Ausschußmitglieder, ausgeschlossen. Die Entscheidung über die Bildung der Ausschüsse (§ 57 Abs. 1 GO) liegt einschließlich der Entscheidung über die Zusammensetzung und die Befugnisse (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GO) und der Übertragung der Entscheidungsbefugnisse (§ 41 Abs. 2 Satz 1GO) weiter beim Rat. Dies gilt ebenso für das Aufstellen allgemeiner Richtlinien für die Ratsarbeit (§ 57 Abs. 4 Satz 1 GO). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, in diesen wohl auch zur Selbstorganisation des Rates zu zählenden Angelegenheiten das Stimmrecht des Bürgermeisters auszuschließen. Hierin ist kein Wertungswiderspruch zum Ausschluß des Stimmrechts bei der Wahl der Ausschußmitglieder begründet, da sachliche Unterschiede bestehen. Der Bürgermeister als Vorsitzender des Rates hat ein legitimes Interesse daran, in welcher konkreten Ausgestaltung das Gremium, dem er vorsitzt, seine Arbeit durch die Bildung von Untergremien versieht und welche Befugnisse auf diese Untergremien übertragen werden. Das sachlich begründete Interesse des Bürgermeisters, an der Wahl der Ausschußmitglieder mitzuwirken, obwohl er selbst nicht Ausschußmitglied sein kann, ist dagegen von erheblich geringerem Gewicht.

In den beiden ersten o.g. Konstellationen besteht daher angesichts des (nunmehr) eindeutigen Wortlauts des Gesetzes ein Stimmrecht des Bürgermeisters."

Diese Rechtsauffassung wurde von der Kommunalaufsicht bestätigt.

Az.: I/2-020-08-40

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