Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit

StGB NRW-Mitteilung 258/2009 vom 07.04.2009

StGB NRW-Leitsätze zur kommunalen Familienpolitik

Das Verbandspräsidium hat am 26.03.2009 die folgenden Leitsätze zur kommunalen Familienpolitik beschlossen:


1. Die Familie ist die Zukunft der Kommunen. Die Attraktivität unserer Städte und Gemeinden wird zunehmend durch die konkret erfahrbare Lebensqualität für die Familienangehörigen aller Generationen bestimmt. Nicht zuletzt deshalb ist die Politik für Familien und insbesondere die kommunale Familienpolitik in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt. Bund und Länder können vielfach nur abstrakte Rahmenbedingungen schaffen. Eine Konkretisierung familienbezogener Konzepte und Angebote muss auf der örtlichen Ebene als dem Lebens- und Bezugsraum der Familien erfolgen.

2. Familienpolitik vollzieht sich innerhalb der Vorgaben des Bundes und der Länder sowie der vorhandenen Finanzausstattung. Ohne ausreichend finanzielle Ressourcen sind die Kommunen nicht in der Lage, angemessene familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 LVerf NRW steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Bund und Länder sind daher aufgefordert, die Lage der Kommunalfinanzen zu verbessern und auf Dauer zu sichern. Die Gemeinden begründen ihre Zuständigkeit für die Erfüllung des Familienförderauftrags aus Art. 28 Abs. 2 GG, der ihre verfassungsrechtlich garantierte Allzuständigkeit und damit auch ihre Verantwortung für die Familienpolitik als Teil sozialer Daseinsvorsorge beschreibt.

3. Die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens für alle Bevölkerungsgruppen - also auch die Familien - müssen präventiv die dauerhafte gesellschaftliche Teilhabe aller ermöglichen und soziale Disparitäten verhindern bzw. mildern. Grundlegende demografische, soziale und insbesondere wirtschaftliche Veränderungen zwingen die Kommunen vielerorts zu einer Neuausrichtung der Familienpolitik. Familien brauchen ein familienfreundliches Klima in der Gesellschaft, eine familiengerechte Infrastruktur und entsprechende Arbeitsbedingungen. Direkt am Wohnort werden die Lebensbedingungen durch zahlreiche kommunale Entscheidungen beeinflusst. Dies gilt nicht nur für klassische familienbezogene Politikbereiche wie die Kinder-, Jugend- und Schulpolitik sondern für alle Themenfelder, die sich direkt oder indirekt auf die Situation der Familie auswirken. Kommunale Maßnahmen müssen daher prinzipiell durchgehend auch unter familienpolitischen Gesichtspunkten vorbereitet und abgewogen werden.

4. Kommunale Familienpolitik ist als Querschnittsaufgabe mit Bezug zu allen wesentlichen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge zu verstehen. Ressort- und fallübergreifende sowie die verschiedenen Fachpolitiken integrierende Handlungsstrategien sind deshalb unverzichtbar und mit geeigneten Organisations- bzw. Koordinationsstrukturen wie Teambildung, Projektgruppenarbeit, Ämterkonferenzen etc. zu unterstützen. Angesichts begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen müssen ferner auch in der Familienpolitik Prioritäten gesetzt werden. Hierbei hilft eine sozialräumliche Orientierung, mit der Angebote und Dienstleistungen wohnortnah ausgerichtet und vernetzt, Selbsthilfekräfte und Eigeninitiative der Quartiere unterstützt sowie beim Einsatz der Mittel deren spezifische Benachteiligungen, Integrationsbedarfe und Entwicklungschancen berücksichtigt werden.

5. Eine wirksame Reaktion auf grundlegende soziale und wirtschaftliche Wandlungsprozesse setzt eine genaue Analyse vor Ort voraus, zumal gerade auf kommunaler Ebene die Möglichkeit besteht, passgenau differenzierte Konzepte und Angebote zu entwickeln. Hierzu benötigen die Gemeinden Steuerungsinstrumente wie z. B. die Sozialberichterstattung oder das Sozialmonitoring. Die Kommunen müssen sich auf die umfassenden Veränderungen insbesondere durch die demographische Entwicklung gezielt vorbereiten. Ferner müssen sie berücksichtigen, dass neben dem herkömmlichen Familienbild zunehmend auch Ein-Eltern-Familien oder sog. Patchwork-Familien die gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln. Die aktive Gestaltung der Situation von Familien ist ein Dauerauftrag, der dynamisch angelegte Strategien erfordert.

6. Bislang stand schwerpunktmäßig die Förderung einer sozialen Infrastruktur, die insbesondere an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern gerichtet war, im Fokus kommunaler Familienpolitik. Die starke Verrechtlichung der Kinder- und Jugendhilfe führte zwangsläufig zu einer Konzentration auf Familiengruppen, bei denen die zunehmende Zahl älterer Menschen oft nur unzureichend einbezogen war. Demgegenüber sollte sich kommunale Familienpolitik verstärkt als Generationspolitik weiterentwickeln und das Zusammenleben aller Altersgruppen in den Blick nehmen. Mehrgenerationenhäuser, Häuser für Familien oder Familienzentren sind richtige Ansätze einer generationsübergreifenden Politik.

7. Kinder- und Familienfreundlichkeit auf kommunaler Ebene verlangt die Beteiligung der Familien an der Gestaltung von Familienpolitik. Sie sichert eine Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes und fördert damit die Effizienz und Akzeptanz familienpolitischer Maßnahmen. Eine Partizipation der Familien sollte bei allen wesentlichen Handlungsschritten von der Analyse, Planung und Umsetzung bis hin zur Evaluation erfolgen. Angesichts zunehmender Komplexität auch familienpolitischer Themen bieten sich vor allem projektbezogene Beteiligungsformen an.

8. Neben einer verwaltungsseitigen Beteiligung von Familien gelten als weiteres wichtiges Kriterium für Familiengerechtigkeit einer Kommune die Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten von Familien im Wohnquartier. Sie bieten ein Netzwerk für Familien und tragen u.a. dazu bei, Familienmitglieder zu befähigen ihren Alltag zu bewältigen und Probleme auch in schwierigen Situationen zu lösen. Kommunen organisieren zunehmend niedrigschwellige Anlaufstellen z. B. in Form von Familienbüros oder Familienzentren, um entsprechende Hilfestellungen zu leisten.

9. Familienpolitik ist nicht nur Aufgabe der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege, sondern muss Anliegen aller relevanten Partner vor Ort sein. Durch zunehmende Beteiligungsprozesse, wie sie z.B. auch in der Lokalen Agenda 21 zum Ausdruck kommen, können Verwaltung und Politik immer mehr die Vorteile einer umfassenden Einbindung aller gesellschaftlichen Kräfte erfahren. In einem wirklich tragfähigen familienpolitischen Konzept müssen sich möglichst viele dieser Partner auf eine enge Zusammenarbeit verständigen. Dabei ist die Kooperation mit der Wirtschaft bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig.

10. Familienfreundliche Strukturen und Rahmenbedingungen gewinnen für die Ansiedlung von Familien und Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Angesichts der demografischen Entwicklung kann weder ein privatwirtschaftliches Unternehmen noch ein Träger der Daseinsvorsorge auf gut ausgebildetes und qualifiziertes Personal verzichten, gerade weil oft eine Entscheidung für ein Kind im Konflikt mit der gewünschten Erwerbstätigkeit steht. Mit einer diese Aspekte berücksichtigenden Politik werden Familien durch verbesserte Lebensbedingungen vor Ort gehalten bzw. der Zuzug von Neubürgern gefördert. Kommunale Familienpolitik wird vor diesem Hintergrund zu einem immer wichtigeren Element der kommunalen Standort- und Wettbewerbspolitik.


Eine nachhaltige Familienpolitik setzt Kommunen voraus, die ein lebenswertes und familienfreundliches Umfeld schaffen. Nur wenn die Politik von Bund und Land die Kommunen auch finanziell stärkt, werden sie ihre familienbezogenen Aufgaben vor Ort engagiert und zielgerichtet angehen können. Eine zukunftsfähige Familienpolitik der Kommunen wird zudem nur dann funktionieren, wenn im Rahmen einer strategischen Allianz die gesellschaftlichen Akteure neben den Familien unmittelbar in die familienfördernden Prozesse eingebunden und alle kommunalen Entscheidungen auch im Hinblick auf ihre familienpolitischen Auswirkungen abgewogen werden.

Az.: III/2 870

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