Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 124/1996 vom 05.03.1996

Steuerliche Behandlung der Abfall- und Abwasserentsorgung

Die weitere Entwicklung der Diskussion der zukünftigen steuerlichen Behandlung der Abfall- und Abwasserentsorgung (vgl. hierzu grundsätzlich: Cronauge/Dedy, Verheerende Kostenexplosion oder sinnvolle Innovation?, Stadt und Gemeinde 1993, S. 313 ff.; dies.; Die Stadt, der Müll und das Steuerrecht, Der Gemeindehaushalt 1994, S. 97 ff.) ist nach wie vor unklar. Dies gilt sowohl politisch als auch rechtlich:

Politisch ist im Frühjahr 1995 die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, die Steuerpflicht für die kommunale Entsorgungswirtschaft einzuführen und insoweit eine steuerliche Gleichstellung von privaten und öffentlichen Anbietern zu gewährleisten, nach massiver Kritik der kommunalen Spitzenverbände und auch der großen Mehrheit der Bundesländer zunächst zurückgestellt worden. Die grundsätzliche Absicht ist allerdings nie zwischenzeitlich aufgegeben worden; sowohl der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 08.01.1996 mit dem Titel "Gewässer schützen - Kosten senken!" (BT-Drs. 13/3490) als auch das unlängst von der Bundesregierung verabschiedete "Aktionsprogramm für Investitionen und Arbeitsplätze!" halten unverändert an der Zielsetzung der Einführung der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht für öffentliche Entsorgungsbetriebe fest.

Rechtlich - und dies dürfte auch der maßgebliche Grund für die relative Zurückhaltung der Politik sein - befindet sich die streitige Frage ebenfalls auf dem Prüfstand. Vor dem Bundesfinanzhof ist das Revisionsverfahren über das Urteil des FG Münster vom 23.09.1993 (5 K 5318/90 U; AZ beim BFH: 5 R 122/93) anhängig, ein Verfahren, dem der Bundesfinanzminister auf Aufforderung des Bundesfinanzhofs beigetreten ist. Im Streit befindlich ist konkret die Frage, ob der Verkauf von Strom- und Fernwärme, die aus einer Müllverbrennungsanlage einer Gebietskörperschaft ausgekoppelt werden, im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erfolgt und damit steuerbarer Umsatz ist. Das Finanzgericht Münster hatte diese Frage bejaht. Die Entscheidung des BFH wird im ersten Quartal des Jahres 1996 erwartet. Dabei wird nicht nur abzuwarten sein, wie der BFH den konkreten Einzelfall bewertet, sondern ob - darüber hinausgehend - auch generelle Aussagen zur zukünftigen steuerlichen Behandlung der Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung gerichtlicherseits getroffen werden.

Der gegenwärtige "schwebende" Verfahrensstand beinhaltet nicht nur für die Städte und Gemeinden Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, sondern kann - je nach Ausgangssituation vor Ort - auch die Frage nach konkreten Vorgehensweisen aufwerfen. Zwar verbieten sich insoweit generelle Schlußfolgerungen bzw. Empfehlungen für die kommunale Praxis, da letztendlich der konkrete Einzelfall entscheidend ist, insbesondere z. B. die Frage, ob ein erheblicher und auch nicht aufschiebbarer Investitionsbedarf vorliegt. Dennoch lassen sich aus der Sicht der Geschäftsstelle folgende Überlegungen zusammenstellen:

1. Soweit die Abfall- bzw. Abwasserentsorgung derGebietskörperschaft bereits jetzt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (GmbH oder AG) durchgeführt wird, ist die zukünftige Entwicklung, namentlich die Entscheidung des BFH - unabhängig vom Ausgang -, ohne steuerliche Auswirkungen. Die Kapitalgesellschaften unterliegen bereits bisher kraft Rechtsform der allgemeinen Besteuerung.

2. Wird hingegen die Entsorgung gegenwärtig gemeindlicherseits im Rahmen eines Regie- oder Eigenbetriebs geführt, so liegt nach geltendem Steuerrecht eine nicht steuerbare hoheitliche Tätigkeit vor. Zur Ausschöpfung eines möglichen Vorsteuerabzug im Falle eines entsprechenden Investitionsbedarfs sind zwei Erwägungen denkbar:

a) In Betracht kommen könnte die Gründung einer "Objektgesellschaft", z. B. für den Bau einer Kläranlage, als Kapitalgesellschaft. Die gewerbesteuerlichen Belastungen könnten durch diverse gestalterische Maßnahmen stark reduziert werden, von der Vermögensteuer wäre die Gesellschaft nach geltendem Recht noch befreit und schließlich entstünde die Körperschaftsteuerpflicht dann nicht, wenn die Gesellschaft nur kostendeckend kalkuliert. Entscheidend wäre in diesem Zusammenhang die Beantwortung der Frage, ob der Liquiditätsvorteil des sofortigen Vorsteuerabzugs die umsatzsteuerlichen Belastungen der laufenden Entgelte, insbesondere des Betreiberentgelts, übersteigt.

b) Die zweite Möglichkeit besteht darin, unter Aufrechterhaltung und Fortführung der bisherigen Organisationsform als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu investieren und Umsatzsteuererklärungen abzugeben, sich als Gemeinde somit bereits jetzt auf den Standpunkt zu stellen, daß die Entsorgung nicht länger als Hoheitsbetrieb, sondern vielmehr als Betrieb gewerblicher Art einzustufen ist. Damit wäre die Erwartung verknüpft, daß der BFH in näherer Zukunft die Steuerpflicht bejaht oder das die politische Initiative der Bundesregierung zur Einführung der Steuerpflicht im Bereich Abfall und Abwasser doch noch Erfolg hat. Der diesbezügliche Antrag beim zuständigen Finanzamt, daß sich die Gemeinde für den Regie- bzw. Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung oder Abfallentsorgung der Umsatzsteuerpflicht unterwerfen will, ist formlos zu stellen, auch noch rückwirkend für 1995 bis zum 20.09.1996. Die Finanzverwaltung würde die Unternehmereigenschaft der Kommune zunächst verneinen. Dagegen müßte gemeindlicherseits Einspruch eingelegt und im Hinblick auf die anhängige Revision Ruhen des Verfahrens gem. § 363 AO beantragt werden. Bestätigt der BFH die Steuerpflicht, wäre bei dieser Vorgehensweise der Vorsteuerabzug für abgeschlossene Investionen gerettet; verneint er sie, dürfte wohl der Gemeinde kein Nachteil entstehen, da es zu keiner Veranlagung käme.

Sicherlich empfiehlt sich insoweit eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall unter Hinzuziehung eines sachkundigen Beraters bzw. einer Wirtschaftsprüfungs- bzw. Steuerberatungsgesellschaft zur Beantwortung der Frage, ob die aufgezeigten Optionen wirklich konkrete Vorteile im Einzelfall für die Gemeinde erbringen können.

Az.: V/2 810-05

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