Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 350/1999 vom 05.06.1999

Staatsgerichtshof Baden-Württemberg zum Finanzausgleichsgesetz

Der Staatsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 10.05.1999 zwar eine Verletzung der allgemeinen Finanzgarantie der Verfassung angenommen, aber zugleich einen Verstoß des Landes gegen die Pflicht zum finanziellen Ausgleich für die auf die Kommunen übertragenen Aufgaben verneint. Dieses Urteil erweist sich als "Pyrrhussieg" für die Städte und Gemeinden, weil sich der Gerichtshof nicht in der Lage sah konkret festzustellen, ob und wieweit die Finanzausstattung der Kommunen der in der Landesverfassung enthaltenen allgemeinen Finanzgarantie widerspricht. Das Gericht lehnt einen nachträglichen verfassungsgerichtlichen Schutz dieser Finanzgarantie aus strukturellen Gründen ab. Der in der allgemeinen Finanzgarantie unstreitig enthaltene materielle Schutz wird in einen prozeduralen Schutz der Selbstverwaltungsgarantie umgedeutet um sodann festzustellen, daß die Ausgestaltung dieses Verfahrensschutzes wiederum allein dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Die Kommunen dürften lediglich nicht auf eine rein passive Rolle beschränkt werden.

Mit dieser irritierenden, weil dem materiellen Gehalt der Finanzgarantie in keiner Weise Rechnung tragenden Argumentation hat es der Landesgesetzgeber letztlich in der Hand, durch eine entsprechende Verfahrensbeteiligung der Gemeinden die kommunalen Kassen zu plündern. Denn wenn die materielle Schutzgarantie bereits dann erfüllt wird, wenn die Gemeinden adäquat beteiligt werden, diese aber im Rahmen einer derartigen Beteiligung aber keine Möglichkeiten haben, für sie nachteilige und der verfassungsrechtlichen Finanzgarantie widersprechende Entscheidungen des Gesetzgebers zu verhindern, ist dieser sog. Verfahrensschutz unzulänglich.

Im einzelnen heißt es in der Presseerklärung wie folgt:

"Der Staatsgerichtshof hat einen Verstoß des Landes gegen die Pflicht zum finanziellen Ausgleich für auf die Kommunen übertragene Aufgaben verneint, aber eine Verletzung der allgemeinen Finanzgarantie angenommen. Diese gebiete dem Landesgesetzgeber, den Kommunen die zur kraftvollen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Der Staatsgerichtshof hat nicht konkret festgestellt, ob und wieweit die Finanzausstattung der Kommunen, insbesondere der Antragsteller der Verfassung widerspreche. Nach seiner Meinung läßt sich die verfassungsrechtliche Mindestausstattung der Kommunen nicht mit bestimmten Maßstäben, Parametern, Kennziffern, Quoten oder gar Beträgen festlegen, da der Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung nur unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes gewährt werde. Insbesondere lehnte das Gericht die Anerkennung einer zweckungebundenen "freien Spitze" von 5-10 % der Finanzmittel ab. Der Gesetzgeber müsse neben den kommunalen auch andere gleichwertige Belange, wie die Aufgaben- und Finanzsituation des Landes berücksichtigen und im Kollisionsfall widerstreitende Belange durch geeignete Lasten- und Einnahmeverteilungsregeln zum Ausgleich bringen; dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Ein effektiver nachträglicher verfassungsgerichtlicher Schutz der Finanzgarantie sei aus strukturellen Gründen nicht möglich; es gebe keine anerkannten Kriterien für den kommunalen Finanzbedarf; die Finanzkraft und die finanzielle Leistungsfähigkeit von Kommunen und des Landes seien abhängig von autonomen Entscheidungen des Gesetzgebers und kommunaler Selbstverwaltungsgremien, in die der Staatsgerichtshof nicht von außen eingreifen könne, ohne seinerseits gegen die Selbstverwaltungsgarantie und das Demokratieprinzip zu verstoßen; die Funktionszusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben des Landes und der Kommunen bildeten ein so komplexes, engmaschiges Beziehungsgeflecht, daß sich aus der Verfassung keine materiellen Maßstäbe für eine nachträgliche Ergebniskontrolle ergäben; die Auswirkungen des kommunalen Finanzausgleichs im Rahmen der Haushaltsplanung könnten auch nicht nachträglich durch den Staatsgerichtshof rückgängig gemacht werden, da der Finanzausgleich im Rahmen des Haushaltsplanes integraler Bestandteil der gesamten Wirtschaft des Landes sei.

Aus diesen Gründen könne die kommunale Finanzgarantie nur effektiv geschützt werden, wenn eine entsprechende Kontrolle im Sinne einer Rationalisierung des staatlichen Entscheidungsprozesses vorverlegt werde in das Stadium der Entscheidungsfindung. Dieser prozedurale Schutz der Selbstverwaltungsgarantie ergebe sich aus Art. 71 und 73 LV, ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht in gefestigter Rechtsprechung den Grundrechtsschutz durch Verfahren entwickelt habe. Wie dieser Schutz durch Verfahren ausgestaltet werde, sei durch die Verfassung nicht vorgegeben, die Ausgestaltung bleibe dem Gesetzgeber vorbehalten. Das von ihm gesetzlich zu regelnde oder eventuell auch nur zu praktizierende Verfahren müsse jedoch sicherstellen, daß vor Entscheidungen zum kommunalen Finanzausgleich für alle an dem Finanzverbund Beteiligten nachvollziehbar unter Beachtung der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Land und Kommunen deren Finanzstärke und Ausgabenbelastung fachkundig analysiert, bewertet, gewichtet und zum Ausgleich gebracht werde; die Kommunen dürften in einem solchen Verfahren nicht auf eine rein passive Rolle beschränkt werden."

Az.: IV-902-08

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