Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 17/2011 vom 22.12.2010

RWE—Gutachten gegen Re-Kommunalisierung der Energieversorgung

Im Auftrag der RWE AG haben WIK-Consult und DIW econ GmbH unter dem Titel „Anforderungen an die Unternehmenslandschaft zur volkswirtschaftlich bestmöglichen Bewältigung der derzeitigen und zukünftigen Aufgaben im Strom- und Gasmarkt — Brauchen wir eine Re-Kommunalisierung der Energiewirtschaft?“ ein Gutachten erstellt. Danach sollen Kommunalisierung und Dezentralisierung die Wirtschaftlichkeit von Energieerzeugung und Netzbetrieb verschlechtern; eine optimale Unternehmenslandschaft setze auf allen Wertschöpfungsstufen große und privatwirtschaftlich betriebene Unternehmen voraus. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens halten einer kritischen Überprüfung nicht stand.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Re-Kommunalisierung bzw. Dezentralisierung die Wirtschaftlichkeit von Energieerzeugung und Netzbetrieb verschlechtern und dass eine Kombination aus beidem diese Tendenz noch verstärkt. Eine optimale Unternehmenslandschaft auf allen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Transport/Verteilung, Vertrieb) bestehe hingegen vorwiegend aus großen und privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen.

Bei der genauen Lektüre der beinahe 120 Seiten langen Studie fällt auf, dass die Untersuchung zu diesen Ergebnissen auf der Grundlage eines ordnungspolitisch motivierten Ansatzes kommt. Dies belegen zahlreiche normative Setzungen in dem Gutachten, die aus der vom BDI immer mal wieder losgetretenen, ordnungspolitischen Debatte zum Thema „Privat vor Staat“ bekannt sind: So zählt zu den Grundannahmen des Gutachtens, dass Private grundsätzlich effizienter wirtschaften als sogenannte Staatsunternehmen. Darüber hinaus fällt aber auch auf, dass diese ordnungspolitischen Schlussfolgerungen teilweise in Unkenntnis des derzeit geltenden energiewirtschaftlichen Rechtsrahmens gezogen werden.

Schließlich entfernt sich das Gutachten in einem Zwischenkapitel von seinem ursprünglichen Untersuchungsgegenstand und nimmt — ebenfalls ordnungspolitisch motiviert — zur Organisation der kommunalen Wasserversorgung in Deutschland in einer Weise Stellung, wie sie bereits aus dem entsprechenden Kapitel im 18. Hauptgutachten der Monopolkommission bekannt ist.

Zu den Ausführungen im Einzelnen:

I. Die Situationsbeschreibung durch die Gutachter besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:

1. Zunächst wird untersucht, welcher Bedingungen es in der Organisation der Energieversorgung bedarf, um zu einem aus Verbrauchersicht langfristig optimalen Ergebnis zu gelangen. Dies betrifft sowohl den optimalen Technologie- und Energiemix sowie eine optimale Unternehmenslandschaft. Was optimal ist, wird anhand einer Kombination der energiepolitischen zielvariablen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit abgeleitet. Im Ergebnis kommen die Gutachter hier zu dem Schluss, dass die optimale Unternehmenslandschaft auf allen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Transport/Verteilung und Vertrieb) vorwiegend aus großen und privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen bestehen sollte.

Bei der Herleitung dieses Ergebnisses fallen folgende Stereotype immer wieder auf: Erzeugung, Transport und Verteilung sowie Handel und Vertrieb von Energie können am besten von Privaten, möglichst großen Unternehmen wahrgenommen werden, da diese — teils aus sich heraus, teils auf Grund ihrer Größenvorteile — wirtschaftlich effizienter seien als Staatsunternehmen wie die Stadtwerke. Diese werden als „innovationsträge“ bezeichnet, da sie geringe Anreize zur Innovationssuche hätten.

Bei Herleitung dieses Ergebnisses unterlaufen den Gutachtern handwerkliche Fehler: So wird einem Tätigwerden staatlicher Unternehmen im Bereich der Energiewirtschaft aus dem Gesichtspunkt der Daseinsvorsorge heraus mit dem Argument begegnet, dass jeder Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf Anschluss und Versorgung mit Strom und Gas gegen jedes Energieversorgungsunternehmen habe (vgl. S. 43). Dies widerspricht den Bestimmungen in §§ 17, 18 und 36 EnWG, wonach Netzanschluss bzw. Grundversorgungspflicht für Letztverbraucher/Haushaltskunden nur gegenüber dem örtlichen Netzbetreiber bzw. Grundversorger bestehen.

2. Im anschließenden Teil wird anhand eines Vergleichs der deutschen Strukturen und Organisationen in der Energiewirtschaft mit Ländern, in denen vorwiegend große private Unternehmen tätig sind, noch einmal die Feststellung unterstrichen, dass die deutschen Strukturen ineffizient sind.

3. Schließlich werden im abschließenden Analysekapitel die Folgen dieses Abweichens vom vorher konstruierten energiewirtschaftlichen Leitbild herausgestellt.

Dabei wird anhand der Szenarien Re-Kommunalisierung und Dezentralisierung sowie anhand eines aus beiden Aspekten kombinierten Szenarios modelliert, welche Auswirkungen eine aktive politische Förderung von günstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für Re-Kommunalisierung bzw. Dezentralisierung (hier insbesondere eine stärkere Nutzung kleinteiliger Erzeugungstechnologien und Netzelemente) hat. Dies führt zu dem vorhersehbaren Ergebnis, dass Re-Kommunalisierung und Dezentralisierung zu einer „Abwertung der Wettbewerbsökonomie“ und des effizienten Wirtschaftens führen (vgl. S. 98).

II. Ordnungspolitische Vorschläge der Gutachter

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird sodann ein ordnungspolitischer Anpassungsbedarf formuliert, der sich wie folgt zusammenfassen lässt:

Generell sollten politische Eingriffe in die Unternehmenslandschaft auf einen ordnungspolitisch rechtfertigbaren Rahmen reduziert werden und primär auf wettbewerbliche, effiziente Strukturen auf allen Wertschöpfungsstufen ausgerichtet sein. Es sollten weder bestimmte Unternehmensformen oder Technologien dauerhaft gefördert noch andere Bereiche dadurch indirekt diskriminiert werden. Als zentrale Steuerungsvariable in diesem Wettbewerb sollen die Energiepreise dienen.

Im Einzelnen werden folgende indirekte bzw. direkte Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Es soll ein verlässlicher Rechtsrahmen für Investitionen in den Bereichen CCS, Kernkraft, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) und Smart-Grids geschaffen werden.
  • Diese indirekten Maßnahmen sollten durch weitere Maßnahmen flankiert werden wie eine Reduktion der Förderung für EEG-Anlagenbetreiber, damit sich effiziente und systemstabile Erzeugungseinheiten herausbilden.
  • Im Bereich der Verteilnetze wird eine größenunabhängige Regulierung der Netzbetreiber befürwortet, mithin die Abschaffung eines einheitlichen Effizienzwerts für kleine Netzbetreiber im vereinfachten Verfahren (vgl. hierzu § 24 Abs. 2 ARegV). Daran anknüpfend wird gefordert, die Ausnahme kleiner und mittelgroßer, vertikal integrierter EVUs von den Vorgaben der organisatorischen und rechtlichen Entflechtung des Verteilnetzbetriebes zu streichen (vgl. hierzu §§ 7 Abs. 2 und 8 Abs. 6 EnWG).
  • Schließlich wird gefordert, dass die Regeln zur Konzessionsvergabe zugunsten einer ökonomisch effizientesten Bewirtschaftung des Netzes über kommunale Strukturen hinaus modifiziert werden sollen. Merkwürdig mutet es dabei an, dass diese Forderung unter der Annahme formuliert wird, dass Gemeinden einen höheren Gesamtertrag erzielen könnten, wenn sie ein großes, gemeinsames Netz im Rahmen eines gemeinsamen, wettbewerblich ausgestalteten Konzessionierungsverfahrens vergeben würden (vgl. Seite 105, 2. Absatz). Dies beruht auf der irrigen Annahme, dass bei der Konzessionsvergabe über die in der Konzessionsabgabenverordnung geregelten, zulässigen Abgabensätze hinaus Erträge zu erzielen seien!

Bewertung:

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, lassen sich die ordnungspolitischen Schlussfolgerungen des Gutachtens mit guten Argumenten zurückweisen. Dies sollte unabhängig von der derzeitigen Debatte um das Für und Wider von der Re-Kommunalisierung im Bereich der Verteilnetze auch deutlich geschehen, weil in 2011 mit einer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes zu rechnen ist. Die jetzige Veröffentlichung des von RWE in Auftrag gegebenen Gutachtens dient vor diesem Hintergrund dem Ziel, bei der Politik für die Interessen der großen Regionalversorger zu werben.

Das Gutachten und die Kurzfassung des Gutachtens sind für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Internetangebots unter Fachinfo/Service > Fachgebiete > Finanzen und Kommunalwirtschaft > Energiewirtschaft abrufbar.

Az.: II/3 811-00/1

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