Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 380/2017 vom 04.05.2017

Rundholzvermarktung in Baden-Württemberg und europäisches Kartellrecht

Der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat mit Beschluss vom 15.03.2017 die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts gegen das Land Baden-Württemberg im  sog.  "Rundholz-Kartellverfahren" aus dem Jahr 2015 im Wesentlichen bestätigt. Über das Gerichtsverfahren hatten wir zuletzt in der StGB-Mitteilung Nr. 811 vom 29.11.2016 berichtet.

Nach der Entscheidung bleibt es dem Land Baden-Württemberg untersagt, die Vermarktung von Rundholz für Körperschafts- und Privatwälder mit einer Fläche von mehr als 100 Hektar durchzuführen. Ebenso darf das Land für Besitzer von Waldflächen mit einer Größe von über 100 Hektar nicht mehr die jährliche Betriebsplanung, die forsttechnische Betriebsleitung und den Revierdienst durchführen, wenn es hierfür eigenes Personal einsetzt oder für seine Dienstleistungen keine kostendeckenden Entgelte verlangt.

Der Senat führt zur Begründung aus,  dass der über das Land Baden-Württemberg erfolgende, gebündelte Verkauf von Stammholz aus Staatswäldern einerseits und Körperschafts- und Privatwäldern andererseits ein aufgrund europäischer Kartellrechtsvorschriften verbotenes Vertriebskartell darstelle, das den freien Wettbewerb verfälsche. Soweit das Land Baden-Württemberg für Privat- und Körperschaftswaldbesitzer darüber hinaus weitere Dienstleistungen wie  z. B.  forsttechnische Betriebsleitungen einschließlich der jährlichen Betriebsplanung und des forsttechnischen Revierdienstes erbringe, vertieften diese Dienstleistungen die mit dem Vertriebskartell verbundene Beschränkung des Anbieterwettbewerbs auf dem Markt für Rundholz. Sie seien deshalb kartellrechtlich ebenfalls verboten.

Durch die Erbringung der Dienstleistungen erhielte das Land Baden-Württemberg einen bestimmenden Einfluss auf die Frage, in welchen Mengen, in welcher Qualität und zu welchem Zeitpunkt Stammholz zum Verkauf gebracht würde. Dies beeinträchtige unmittelbar den freien Wettbewerb beim Absatz von geschlagenem Stammholz. Darüber hinaus beseitige es den Geheimwettbewerb auf diesem Angebotsmarkt, da das Land Einblick in die betrieblichen Planungen und Einfluss auf deren Umsetzung erhalte, wenn es für konkurrierende Waldbesitzer die Betriebsplanung, die forsttechnische Betriebsleitung oder den forstlichen Revierdienst erbringe.

Das Land Baden-Württemberg handle sowohl beim gebündelten Verkauf von Rundholz aus nichtstaatlichen Wäldern als auch durch die Übernahme von Dienstleistungen für andere Waldbesitzer als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne und verfälsche den freien Wettbewerb beim Verkauf von Rundholz. Zwar habe der Bundesgesetzgeber durch die Änderung des § 46  Abs.  1 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) den Verkauf von Holz und die Erbringung von forstwirtschaftlichen Dienstleistungen vom Anwendungsbereich des § 1 GWB ausgenommen, so dass kein Verstoß gegen deutsches Kartellrecht vorliege. Eine entsprechende Regelungskompetenz für das europäische Kartellverbot habe die Bundesrepublik jedoch nicht. Gemäß  Art.  103  Abs.  1 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) sei ausschließlich der Rat der Europäischen Union befugt, den Anwendungsbereich des Kartellverbots zu beschränken. Die vom Bundesgesetzgeber neu eingeführte Regelung des § 46  Abs. 1 BWaldG sei deshalb europarechtswidrig und nicht zu beachten.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, da einzelne im Beschluss entschiedene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien.

Bewertung

Das OLG Düsseldorf hat klargestellt, dass es sich nicht nur beim Rundholzverkauf (Vermarktung im engeren Sinne), sondern auch bei den sogenannten „vorgelagerten“ Leistungen des Revierdienstes, der forsttechnischen Betriebsleitung und der Erstellung des Betriebsplans um auch wirtschaftliche und unternehmerische Betätigungen handelt, die grundsätzlich dem Kartellrecht unterliegen.

Hinsichtlich der BWaldG-Novelle hat das OLG ferner entschieden, dass die beabsichtigte Ver-mutung der Freistellung von Kartellverbot nur für das deutsche Recht Wirkung entfaltet. Die ebenfalls vorgesehene widerlegliche Vermutung der Freistellung nach europäischem Kartellrecht ist jedoch europarechtswidrig, da der deutsche Gesetzgeber hierfür keine Regelungskompetenz hat. Diese liegt nach den einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen ausschließlich beim Rat der Europäischen Union.

Der Bundestag hatte am 15.12.2016 mit der Änderung des BWaldG auf die Unterlassungsverfügung des Bundeskartellamtes und das laufende Gerichtsverfahren reagiert. Ziel der Änderung des § 46 BWaldG war es, die Beratung und Betreuung des Privat- und Kommunalwaldes durch staatliche Forstverwaltungen in den Bundesländern auch in Zukunft zu gewährleisten. § 46 Abs. 1 BWaldG enthält nunmehr die unwiderlegliche Vermutung, dass für der Holzvermarktung vorgelagerten forstwirtschaftlichen Maßnahmen die Voraussetzungen für eine Freistellung im Sinne des § 2 GWB erfüllt sind. Die Neuregelung war von kommunaler Seite unterstützt worden, um Rechtssicherheit hinsichtlich der dem Holzverkauf vorgelagerten forstlichen Dienstleistungen schaffen und die im öffentlichen Interesse liegenden Forstdienstleistungen von der rein wirtschaftlichen Tätigkeit der Holzvermarktung abgrenzen.  Siehe im Einzelnen StGB-Mitteilung Nr. 126 vom 20.12.2016.

Aus dem Beschluss folgt, dass ein gemeinsamer Verkauf von Rundholz nur dann zulässig ist, wenn die beteiligten Waldbesitzer das Vorliegen der kartellrechtlichen Freistellungsvoraussetzungen belegen können. Die Bewertung einer Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern bzw. der Übernahme von vorgelagerten Dienstleistungen hängt entscheidend davon ab, ob EU-Recht anwendbar ist oder nicht. Findet EU-Recht - wie im Falle Baden-Württembergs - Anwendung, ist eine Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern nur zulässig, wenn die Beteiligten das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen belegen können.

Der Ministerrat des Landes Baden-Württemberg hat zwar zwischenzeitlich beschlossen, den Instanzenzug auszuschöpfen und Rechtsbeschwerde gemäß § 74 GWB beim BGH einzulegen. Dies ist insoweit zu begrüßen, als es hierdurch zu einer höchstrichterlichen Klärung der angesprochenen Rechtsfragen kommt. Das Bundeskartellamt hat sich aber im Anschluss an die Entscheidung ausdrücklich vorbehalten, auch vor  deren Rechtskraft förmliche Verfahren zur Überprüfung der Forstorganisation und Vermarktungsstrukturen in anderen Bundesländern einzuleiten. Entscheidungen über weitere Schritte sind wohl bislang aber noch nicht getroffen worden.

Auch wenn sich die Ermittlungen des Bundeskartellamtes formal gegen die staatliche Forstverwaltung in Baden-Württemberg  richten, ist davon auszugehen, dass der Ausgang des Gerichtsverfahrens auf ähnlich gelagerte Kooperationen privater und kommunaler Waldbesitzer mit der staatlichen Forstverwaltung in anderen Bundesländern mittelbare Auswirkungen haben wird. Dies gilt auch für Nordrhein-Westfalen, wo kommunale und private Waldbesitzer Dienstleistungen des Landesbetriebs Wald und Holz NRW in Anspruch nehmen.

Es zeichnet sich ab, dass Städte und Gemeinden als Waldbesitzer zukünftig mehr Verantwortung für die Waldbewirtschaftung übernehmen müssen. Nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Güter“ müssen allerdings auch staatliche Unterstützungsmittel im Sinne eines Gemeinwohlausgleiches erhalten bleiben. Kostenfreie oder nicht kostendeckende staatliche Dienstleistungen wurden in der Vergangenheit stets mit den vielfältigen Belastungen der Waldbesitzer durch Gemeinwohlleistungen (z.B. freies Betretungsrecht des Waldes, Schadstoffimmissionen, Waldschäden, Umweltauflagen) begründet. Bei einer Überführung der indirekten Förderung in eine direkte (vom staatlichen Dienstleistungsangebot unabhängige) Förderung ist insoweit zu gewährleisten, dass die derzeitigen staatlichen Unterstützungsmittel den kommunalen und privaten Waldbesitzern erhalten bleiben. Ein Gemeinwohlausgleich nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Güter“ ist unverzichtbar.

Daher hat der Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW das MKULNV aufgefordert, gemeinsam mit dem Landesbetrieb Wald und Holz und den Kommunen eine neue tragfähige Struktur für die Forstverwaltung und -vermarktung zu erarbeiten. Es werden Strukturen benötigt, die den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genügen, aber gleichzeitig auch der Bedeutung des Waldes für die Eigentümer und für die Gesellschaft Rechnung tragen. Die qualitativ hochwertige Waldbewirtschaftung, das flächendeckende Dienstleistungsangebot und der Einsatz gut ausgebildeter Forstleute dürfen im Gefolge des Kartellverfahrens nicht verschlechtert werden.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf steht für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des Internetangebots des StGB NRW unter Fachinfo und Service / Fachgebiete / Umwelt, Abfall und Abwasser /Forstrecht zum Herunterladen zur Verfügung.

Az.: 26.1-006/001 gr

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