Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 742/1998 vom 20.12.1998

Rückzahlung von Gebührenüberschüssen an die Bürger

Im Kreis Aachen bestehen massive Meinungsverschiedenheiten zwischen den kreisangehörigen Gemeinden und dem Landrat des Kreises Aachen einerseits und der Bezirksregierung Köln und Regierungspräsident Dr. Antwerpes andererseits. Die kreisangehörigen Gemeinden wollen mit ausdrücklicher Zustimmung des Landrats des Kreises Aachen Überschüsse bei den Abfallgebühren an die gebührenzahlenden Bürger zurückerstatten (die Überschüsse bei der Gebührenberechnung des Folgejahres verrechnen). Bezirksregierung und Regierungspräsident wollen das den Gemeinden mit nicht ausgeglichenen Haushalten verbieten; sie fordern, daß die Überschüsse zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Kommunen verwendet werden müssen. Es geht nach Mitteilung der Kommunen aus dem Kreis Aachen um insgesamt 34 Mio. DM.

Einige Kommunen des Kreises Aachen haben sich an den Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebund mit der Bitte um Prüfung und ggf. Unterstützung gewandt. Der Städte- und Gemeindebund hält die Auffassung der Bezirksregierung für eklatant falsch und hat sich an Innen- und Justizminister Dr. Fritz Behrens mit der dringenden Bitte gewandt, den Kommunen gegen die nach Verbandsmeinung falsche Auffassung der Bezirksregierung zu helfen. Eine Antwort des Innenministers stand zur Zeit des Redaktionsschlusses dieser "Mitteilungen" noch aus.

Der Brief an Minister Dr. Behrens wird im folgenden auszugsweise abgedruckt:

"Der Bezirksregierung ist durchaus zuzustimmen, daß Kommunen mit nicht ausgeglichenem Haushalt im Rahmen der Vorgaben ihrer Haushaltssicherungskonzepte freiwillige Ausgaben nur insoweit tätigen dürfen, als sie den von § 75 Abs. 4 GO NW geforderten schnellstmöglichen Haushaltsausgleich nicht gefährden. Bei originär freiwilligen Ausgaben wie z.B. dem Erwerb von Kunstgegenständen oder der Gewährung von Zuschüssen, auf die kein Anspruch besteht, oder ähnlichen Sachverhalten ist der Rechtsauffassung der Bezirksregierung ohne Einschränkung beizutreten.

Die Weiterleitung von Gebührenüberschüssen im Rahmen kostenrechnender Einrichtungen ist aber keine solche freiwillige Ausgabe im haushaltsrechtlichen Sinne: Zwar besagt die bisherige Rechtsprechung des OVG NW, daß Kommunen grundsätzlich nur berechtigt, nicht aber verpflichtet sind, Gebührenüberschüsse in der nächsten Kalkulationsperiode zu verrechnen. Allerdings ist festzuhalten, daß die Verwaltungsgerichte in fast allen anderen deutschen Bundesländern zu gegenteiligen Ergebnissen kommen, nämlich zu einer Rückzahlungspflicht/Verrechnungspflicht für Gebührenüberschüsse. Dies wird in den anderen deutschen Bundesländern nicht bloß mit den teilweise anderen Regelungen in den Kommunalabgabengesetzen begründet, sondern insbesondere mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten allgemeinen Kostenüberschreitungsverbot. Angesichts dieser Besonderheit verbietet es sich, die Rückzahlung/Verrechnung von Gebührenüberschüssen als originär freiwillige Leistung im haushaltsrechtlichen Sinn anzusehen. Es ist jedenfalls (wenn man schon die höchst angreifbare Rechtsprechung des OVG, wonach keine Rückzahlungspflicht besteht, akzeptieren muß) nicht zulässig, das gebührenrechtliche Ermessen der Kommune, ob sie zurückzahlt oder nicht, bei Kommunen mit nicht ausgeglichenem Haushalt durch ein konstruiertes haushaltsrechtliches Verbot der Rückzahlung auszuhebeln.

Für die Auslegung des Begriffs der freiwilligen Leistungen ist im übrigen auch von Bedeutung, daß das soeben verabschiedete neue Landesabfallgesetz den § 6 Abs. 2 KAG dahingehend ändert, daß Kostenüberdeckungen (Gebührenüberschüsse) innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen sind. Damit wird der gegenteiligen Rechtsprechung des OVG NW der Boden entzogen und die in anderen Bundesländern längst schon bestehende Rechtslage hergestellt. Wir räumen ein, daß diese neue Rechtslage erst ab der Kalkulation der Gebühren für das Jahr 1999 gilt, also noch nicht für eine im Jahr 1998 beabsichtigte Rückzahlung. Allerdings wird, wenn die Rechtsaufsicht die Rückzahlung im Jahr 1998 wirklich verbieten wollte, aufgrund der neuen Rechtslage die Ausgleichung bei der Kalkulation der Gebühren des Jahres 1999 erfolgen müssen.

Die haushaltsrechtlichen Vorschriften sind daher im Lichte der gebührenrechtlichen Regelungen so auszulegen, daß im Ergebnis die Weiterleitung von Gebührenüberschüssen nicht als originär freiwillige Ausgabe im haushaltsrechtlichen Sinne zu betrachten ist.

Ganz unabhängig von dieser rein juristischen Argumentation erscheint die Rückzahlung der Überschüsse an die gebührenzahlenden Bürger bzw. deren Verrechnung in der nächsten Kalkulationsperiode im Kreis Aachen auch aus kommunalpolitischen Gründen dringend geboten: Die Rechtsauffassung der Bezirksregierung würde zu dem paradoxen Ergebnis führen, daß die Gemeinden des Kreises Aachen von der Rechtsaufsicht gezwungen werden, insgesamt 34 Mio. DM an Gebührenüberschüssen in die allgemeinen Haushalte umzuleiten, obwohl sie für das Jahr 1999 gezwungen sind, wegen der vor allem durch das neue Müllheizkraftwerk drastisch gestiegenen Abfallbeseitigungskosten die Müllgebühren ebenso drastisch zu erhöhen! Spätestens die abzusehenden Schlagzeilen über die den Bürgern "geraubten Millionen" müßten deutlich machen, daß das haushaltsrechtliche Verbot von originären freiwilligen Leistungen nicht dazu herhalten darf, die Rückzahlung von Gebührenüberschüssen zu verbieten.

Sehr geehrter Herr Minister, wir bitten Sie, der Bezirksregierung unverzüglich deutlich zu machen, daß sie mit dieser Gesetzesauslegung einen unter keinen Umständen akzeptablen Weg beschreitet. Wir bitten Sie um eine Korrektur, die allerdings innerhalb von wenigen Tagen erforderlich ist, weil die Kommunen unter dem Zeitdruck der neuen Gebührenkalkulation für das Jahr 1999 stehen. Die Ausschußberatungen laufen, die Entscheidungen der Gemeinderäte und Stadträte stehen unmittelbar bevor."

Az.: II

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