Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 460/2004 vom 17.06.2004

Rückwirkende Abschaffung der Mehrmütterorganschaft

Das Finanzgericht Berlin hält die rückwirkende Abschaffung der so genannten Mehrmütterorganschaft durch den Gesetzgeber für verfassungswidrig. Es setzte deshalb jetzt vorläufig Gewerbesteuermessbescheide gegen eine Konzernmuttergesellschaft aus und schloss sich dabei der publizierten Meinung von Experten an. Diese hatten die Befugnis des Gesetzgebers bestritten, rückwirkend günstigere Rechtspositionen der Steuerpflichtigen zu beseitigen, wenn die Rechtslage in der Vergangenheit nicht unklar, sondern klar war.

Im Hauptsacheverfahren streitig ist die Anerkennung von gewerbesteuerlichen Verlusten aus dem Jahr 1992 in Millionenhöhe, die die Antragstellerin als Muttergesellschaft gemeinsam mit einer anderen Gesellschaft für sich in Anspruch nehmen will. Bei Anerkennung einer Mehrmütterorganschaft wird die Organtochter nur wie eine unselbständige Betriebsstätte behandelt und ihre Gewinne oder Verluste den Organmuttergesellschaften zugerechnet. Dadurch werden erhebliche Steuern gespart.

Im Juni 1999 hat auch der Bundesfinanzhof (BFH) diese Konstruktion durch viel beachtete Urteile anerkannt. Dies rief dann den Gesetzgeber auf den Plan: Durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom Dezember 2001 verbaute er diesem Steuersparmodell den Weg. Die Korrektur der Behandlung von Mehrmütterorganschaften erstreckte er zudem rückwirkend auch auf alle noch offenen Fälle in der Vergangenheit. Das Finanzamt argumentierte deshalb, dass es die Gesetzesänderung sogar auf das Jahr 1992 zurück beziehen dürfe, weil die Rechtslage bis vor den Urteilen des BFH unklar gewesen sei und daher kein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen bestand.

Das sieht das Finanzgericht Berlin anders: Die günstigere Behandlung der Mehrmütterorganschaft sei schon vor den höchstrichterlichen Urteilen klar gewesen, die Antragstellerin habe daher auf die Zurechnung von Gewinnen und Verlusten vertrauen dürfen. Dem Gesetzgeber sei es deshalb verfassungsrechtlich verwehrt, rückwirkend in diese frühere Rechtsposition einzugreifen. Es habe dem Gesetzgeber vielmehr nur noch frei gestanden, die BFH-Urteile zu bestätigen, so die Finanzrichter, nicht aber, sie in ihr Gegenteil zu verkehren. Im Hauptsacheverfahren wird das Finanzgericht die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen.

Az.: IV/1 920-03/2

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