Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 651/2002 vom 05.11.2002

Resolution zur Gemeindefinanzreform

Der Rat der Stadt Grevenbroich fordert eine grundlegende Gemeindefinanzreform, die folgende Eckpunkte umfasst:
1. Aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen
 
Den Kommunen muss insbesondere vor dem Hintergrund der steuerpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre und der rapide wachsenden Aufwendungen im Sozialbereich wieder der finanzielle Handlungsspielraum verschafft werden, den sie benötigen, um alle ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können. Dabei ist unstrittig, dass die dem Staat insgesamt zur Erfüllung seiner Aufgaben zustehenden Finanzmittel nicht beliebig ausgeweitet werden können; es geht also nicht um eine Ausweitung, sondern um eine Neuverteilung zwischen den staatlichen Ebenen und einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Kommunen.
 
Die Vorbereitung einer Gemeindefinanzreform ist angesichts nach wie vor hochgradig defizitärer Verwaltungshaushalte in vielen Städten, Gemeinden und Kreisen, die sich durch steuerreformbedingte Einnahmeverluste noch erheblich erhöhen werden, zwingend erforderlich.
 
Ziel ist eine Reform, die die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen grundlegend neu ordnet. Es ist ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das für verlässliche Einnahmen der Kommunen sorgt, eine sichere Planungsgrundlage bietet, einseitige Aufgabenzuweisung und damit Ausgabenverpflichtungen vermeidet und die Eigenständigkeit der Kommunen gewährleistet.
 
Eine Gemeindefinanzreform sollte folgende wesentliche Ziele haben:

  • Verstetigung der kommunalen Einnahmen
  • Stärkung der Finanzkraft der Kommunen; Sicherung der Zahlungsfähigkeit
  • Begrenzung der Pflichtaufgaben auf das Notwendige
  • Reduzierung und Überprüfung der Mischfinanzierung
  • Erhöhung des kommunalen Handlungsspielraumes durch Abschaffung und/oder Flexibilisierung von Vorgaben
  • Gleichgewicht in der Zuständigkeit der Aufgabenerfüllung und Gewährleistung der Finanzierung
  • Einführung eines Abstimmungsprozesses zwischen Bund, Ländern und Kommunen
  • Schaffung klarer Kriterien für die Ausgestaltung der kommunalen Finanzausgleiche
  • Modernisierung der Gewerbesteuer.

Falls die Gewerbesteuer abgeschafft werden sollte, ist auf andere Weise das steuerliche Band zwischen Wirtschaft und Kommunen zu festigen und auszubauen. Hierzu kommen in Betracht:
<DIR> <DIR> eine kommunale Beteiligung an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer mit
 
entsprechendem Hebesatzrecht sowie
 
ein Ausbau der kommunalen Beteiligung an der Umsatzsteuer.
</DIR></DIR> Es ist aber sicherzustellen, dass die Steuerbelastung des Bürgers dabei nicht weiter steigt.
 
2. Steigende soziale Aufwendungen durch demographische Entwicklung
 
Die zunehmende Lebenserwartung läßt die Aufwendungen für Unterbringung und Pflege alter Menschen und für die Versorgung Behinderter steigen. Allein in NRW besteht ein Investitionsbedarf von fünf Milliarden EURO für den Bau von Altenpflegeheimen. Die höheren Kommunalverbände und – über die kommunalen Umlagen – die Haushalte der Städte und Gemeinden sind mit dieser Aufgabe völlig überfordert.
 
Bei der Eingliederungshilfe für Behinderte haben Kommunen und Kommunalverbände eine qualifizierte fachliche Versorgung aufgebaut. Die Zahl der körperlich und geistig Behinderten in Deutschland wird sich in 10 Jahren u.a. durch höhere Lebenserwartung verdoppeln.
 
Hier liegt eine gesamtstaatliche Aufgabe, die Bund und Land durch Leistungsgesetze regeln und aus Bund-/Ländermitteln finanzieren müssen.
 
3. Konnexitätsprinzip
 
Ein striktes Konnexitätsprinzip ist in der Landesverfassung NRW und im Grundgesetz zu verankern ("Wer bestellt, bezahlt"). Die in den letzten Jahren festzustellende Tendenz von Bundes- und Landesgesetzgeber, den kommunalen Gebietskörperschaften neue kosten- und personalintensive Aufgaben aufzubürden, muß gestoppt werden. Aufgaben, die erhebliche finanzielle Belastungen für die kommunalen Gebietskörperschaften bringen, müssen daraufhin überdacht werden, ob sie weiterhin wahrgenommen werden sollen, ob sie überflüssig sind oder zumindest in ihrem Umfang reduziert werden können.
 
Die Kommunen müssen in einem verfassungsrechtlich abgesicherten Verfahren beteiligt werden, bevor Bund oder Land neue Aufgaben gesetzlich festlegen oder erweitern, die die Gemeinden oder Kreise übernehmen und finanzieren sollen. In einem solchen Verfahren sind Gesetz- und Verordnungsentwürfe frühzeitig den kommunalen Vertretern zugänglich zu machen, die finanziellen Auswirkungen darzustellen, ein Konsultationsgremium mit Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen zu schaffen und für Fälle der Nicht-Einigung eindeutige Regelungen zu vereinbaren.
 
4. Mischfinanzierung/Investitionshilfen
 
Bund und Land werden aufgefordert, auf Mischfinanzierung in Form von Anreizfinanzierung und Zweckzuweisungen zu Gunsten einer adäquaten Verbesserung der allgemeinen Finanzausstattung der Kommunen soweit wie möglich zu verzichten. Mischfinanzierungssysteme sollten nur noch in begründeten Ausnahmefällen Anwendungen finden und regelmäßig überprüft werden. Unbedingt notwendig ist eine weitgehende Pauschalierung der Zuwendungszwecke und eine Vereinfachung und Harmonisierung der Bewilligungsverfahren und der Verwendungsnachweise.
 
5. Normen, Standards, Vorgaben
 
Normen, Standards und Vorgaben sind auf allen Ebenen (EU, Bund, Länder und Kommunen) zu überprüfen. Darüber hinaus werden Bund und Land aufgefordert, sich am skandinavischen Vorbild zu orientieren und Modellversuche der vorschriftenfreien Kommunen zu initiieren, um die staatlichen Bedenken und das Mißtrauen gegenüber selbstständig handelnden Kommunen durch praktisches Beispiel zu überprüfen, ob und wie öffentliche (Dienst-)Leistungen kostengünstiger und effektiver erbracht werden können. In diesen Modellprojekten sollte ausgewählten Kommunen die Möglichkeit eingeräumt werden, gänzlich oder zumindest in Teilbereichen auf die Anwendung von staatlich gesetzten Normen und Standards verzichten zu können.
 
6. Kommunale Finanzausgleiche

 
Die Kommunen haben einen Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung. Die vom Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie umfaßte Mindestfinanzausstattung der Kommunen ist dann unterschritten, wenn die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten infolge einer unzureichenden Finanzausstattung unmöglich ist.
 
Auch die Kreise nehmen auf ihrer Ebene Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge und Strukturentwicklung wahr und erbringen unverzichtbare Leistungen für die Bürger. Die Finanzierung über das gegenwärtige Umlagesystem belastet die Gemeinden und verlagert Finanzlasten auf die örtliche Ebene der Städte und Gemeinden. Die Kreise benötigen für ihre Aufgaben einen eigenen Finanzierungsspielraum. Das unzureichende Umlagesystem ist abzulösen oder zu entschärfen, indem den Kreisen eine eigene, stetige und gestaltbare Finanzierungsquelle zugewiesen wird. Die Kreise sind an einer Wachstumssteuer zu beteiligen.
 
Der Schutz der Finanzgarantie für die Kommunen in der Landesverfassung bedarf einer prozentualen Absicherung in dem Verfahren zur Entwicklung des Finanzausgleichs. Dieser Anspruch kann verwirklicht werden durch Verfahrensweisen, die es ermöglichen, gemeinsam auf Ausgleich abzielende Vorschläge für Höhe und Verteilung der kommunalen Finanzausgleichsmasse zu erarbeiten. Insoweit empfiehlt sich auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Konsultationsverfahren.

Az.: IV

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