Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 199/2012 vom 21.03.2012

Rechtsverstöße im Konzessionierungsverfahren

Zwei kürzlich ergangene Urteile des Landgerichts Kiel (Az.: 14 O Kart. 83/10, 14 O 12/11.Kart) befassen sich mit dem Neuabschluss von Konzessionsverträgen im Bereich Strom. In beiden Fällen stellt das Landgericht fest, dass die Konzessionsvergabe der Stadt/Gemeinden den Anforderungen des § 46 Abs. 3, § 1 EnWG nicht genügt und ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt. Das Gericht verneint in beiden Fällen sowohl einen vertraglichen als auch gesetzlichen Übereignungsanspruch der Stadt/Gemeinden an dem örtlichen Stromversorgungsnetz.

Zu den Urteilen im Einzelnen:

1. Landgericht Kiel, Urteil vom 3. Februar 2012- 14 O kart.83/10

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Stadt, begehrt für die Neukonzessionierung die Übertragung des Eigentums am örtlichen Stromversorgungsnetz und der Anlagen der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Altkonzessionärin und Eigentümerin des Stromnetzes. Auf die Bekanntmachung des Vertragsendes gab sie ein Angebot zur Übernahme der Stromversorgung ab. An das Angebot stellte die Stadt bestimmte Anforderungen, u.a. die hundertprozentige Übernahme der Folgekosten infolge von künftigen Veränderungen oder Umlegungen der Versorgungsleitungen, falls das Netz kommunalisiert werde. Die Stadt entschied sich letztendlich gegen das Angebot der Beklagten und für die „Rekommunalisierung“ durch Gründung eines eigenen Stadtwerks in Form eines Eigenbetriebes. Stadt und Energieversorgungsunternehmen streiten um die Herausgabe und die Übereignung des Netzes, deren Umfang und den zu zahlenden Kaufpreis. Die Klage der Stadt auf Übereignung der notwendigen Netze und Anlagen wurde abgewiesen.

Entscheidung

Die von der Klägerin getroffene Entscheidung zur Rekommunalisierung verstoße gegen die Grundsätze des § 46 Abs. 3 EnWG (Transparenz und Diskriminierungsfreiheit) und gegen §§ 19, 20 GWB (Missbrauch marktbeherrschender Stellung). Der geplante Eigenbetrieb sei nicht in der Lage die Anforderungen, die die Stadt an die Konzessionsvergabe gestellt hat, zu erfüllen, da die Stadt im Ergebnis selbst mit den Kosten belastet werde. Daher sei sie von den von ihr aufgestellten Auswahlkriterien abgewichen. Dies stelle ein Verstoß gegen die Grundsätze einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen Energieversorgung (§ 1 EnWG) dar. Die Regeln der In-House-Vergabe seien aufgrund des § 46 Abs. 4 EnWG nicht anwendbar. Auch die in dem Altvertrag enthaltene Endschaftsklausel beinhalte keinen Anspruch auf Übereignung.

2. Landgericht Kiel, Urteil vom 3. Februar 2012- 14 O 12/11.Kart

Sachverhalt

Die Klägerin, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, begehrt Auskunftserteilung über die Stromverteilungsanlagen von der Beklagten. Diese ist Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Konzessionärin und Eigentümerin der Stromversorgungsnetze in insgesamt 36 Gemeinden. Auf das Ausschreibungsverfahren bewarben sich sowohl die Klägerin als auch die Beklagte. Der Zuschlag erfolgte an die Klägerin. Diese begehrt nun weiterreichende Auskünfte über Daten des Netzes von der Beklagten, damit ihr anschließend das Eigentum hieran übertragen werden könne. Das Auskunftsverlangen wurde abgelehnt und die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Das Landgericht sieht die Konzessionsvergabeentscheidung und damit den neuen Konzessionsvertrag als nichtig i.S.d. § 134 BGB an. Auch hier liege hier ein Verstoß gegen die Grundsätze eines transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahrens (§ 46 Abs. 3, § 1 EnWG) vor und ein Missbrauch marktbeherrschender Stellung (§§ 19,20 GWB). Die Auswahlkriterien, u.a. die Forderung nach möglichst hohen Konzessionsabgaben, Zusatzleistungen, Gemeinderabatten und einer Folgekostenübernahme würden den Kriterien nicht genügen, da sie allein fiskalischen Interessen der Gemeinden dienen. Dies führe zur Nichtigkeit der Vergabeentscheidung. Das Gericht versagte der Klägerin zudem einen vertraglichen Übereignungsanspruch aus der Endschaftsklausel des Altkonzessionsvertrages, der ihr von der Gemeinde abgetreten wurde. § 46 Abs. 2 EnWG verdränge eine solche Klausel für den Fall, dass Konzessionsträger und Gemeinde wie hier - aufgrund einer nichtigen Konzessionsvergabeentscheidung - auseinanderfallen.

3. Anmerkung

Das Landgericht Kiel hält in beiden Fällen das Konzessionsverfahren der Stadt und Gemeinden für nicht vereinbar mit den geltenden Vergabeprinzipien. Dabei orientiert sich das Gericht an dem „Gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers“ vom 15.10.2010. Maßstab der Entscheidungen ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in seiner Fassung vor dem 3. August 2011. Das Gericht betont in beiden Fällen, dass die Gemeinde bei der Neuvergabe der Konzessionen eine absolute Marktbeherrschung habe und diese Stellung nicht ausgenutzt werden dürfe. Die Kommunen hätten bei der Aufstellung der Auswahlkriterien lediglich Ihre eigenen wirtschaftlichen und fiskalischen Interessen verfolgt. Zudem hätten sie sich im Rahmen der Auswahlverfahren dadurch Vorteile verschafft und private Mitbewerber, die die vorgegebenen Kriterien nicht in gleicher Weise erfüllen können, damit verdrängt.

Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig, Rechtsmittel wurden bereits eingelegt.

Die Urteile sind für Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Internetangebots unter Fachinfo/Service, Fachgebiete, Finanzen und Kommunalwirtschaft, Energiewirtschaft abrufbar.

Az.: II/3 811-00/1

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