Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr

StGB NRW-Mitteilung 310/1996 vom 05.07.1996

Raumordnerische und städtebauliche Steuerung des großflächigen Einzelhandels

Das Thema raumordnerische und städtebauliche Steuerung des großflächigen Einzelhandels ist gerade in Nordrhein-Westfalen durch die Überarbeitung des "Einzelhandelserlasses", aber auch in den anderen Bundesländern virulent. Der Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr des DStGB hat daher kürzlich folgenden Beschluß gefaßt:

1. Eine regional- und kommunalverträgliche sowie sozial- und umweltverträgliche Entwicklung des großflächigen Einzelhandels ist nur durch eine gezielte raumordnerische und städtebauliche Steuerung der Einzelhandelsgroßvorhaben sicherzustellen.

2. Hierbei geht es vornehmlich um folgende Steuerungsziele:

  • räumlich ausgeglichene Versorgungsstrukturen
    (d.h.: verbrauchernahe, gut erreichbare Einzelhandelseinrichtungen in allen Landesteilen; auch für Verbraucher, die nicht oder nicht ständig über ein Auto zum Einkaufen verfügen; insbesondere wohnungsnahe Grundversorgung)
  • Nutzen der stadtbildenden Funktionen des Einzelhandels in den Zentren der Städte und Gemeinden (Nutzungsvielfalt, Kommunikation usw.)
  • Vermeidung unnötigen Einkaufsverkehrs;
    insbesondere Reduzierung der einkaufsbedingten Pkw-Fahrten durch verbrauchernahe Standorte (Verkehrsvermeidung)
  • Auslastung der zentrenbezogenen ÖPNV-Infrastruktur und Erhöhung des Anteils stadtverträglicher Verkehrsmittel für das Einkaufen
  • Freiraumschutz durch sparsamen Flächenverbrauch:
    Eindämmung des Verbrauchs von Außenbereichsflächen durch Ansiedlungen im Innenbereich sowie durch kompakte, möglichst mehrgeschossige Gebäude;
    Auslastung der vorhandenen Infrastruktur sowie Bündelung neuer Infrastrukturinvestitionen
  • faire Chancen für den innerörtlichen und innerstädtischen Einzelhandel;
    Förderung des klein- und mittelbetrieblich strukturierten Einzelhandels;
    Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze im Einzelhandelssektor

3. Die für die Raumordnung und Landesplanung zuständigen Stellen sowie die Städte und Gemeinden sind aufgerufen, das ihnen jeweils zur Verfügung stehende Rechtsinstrumentarium im Sinne dieser Steuerungsziele einzusetzen.

4. Um insbesondere eine räumlich ausgeglichene Versorgungsstruktur sicherzustellen, sind die Einzelhandelsgroßprojekte auch zukünftig grundsätzlich auf das zentralörtliche Gliederungssystem sowie auf die Siedlungsschwerpunkte funktional und räumlich auszurichten (städtebaulich integrierte Standorte).

  1. Das zentralörtliche Gliederungssystem ist auf eine bestmögliche Versorgung in allen Landesteilen ausgerichtet. Es sichert gerade im Interesse auch der kleineren Städte und Gemeinden dezentrale Entwicklungen ab. Das zentralörtliche Entwicklungsmodell fordert eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Es müssen also nicht nur die Grundzentren auf die Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche in den Mittel- und Oberzentren Rücksicht nehmen. Umgekehrt haben Mittel- und Oberzentren auch die wohnungsnahe Grundversorgung in den Grundzentren zu berücksichtigen. Oberzentren haben darüber hinaus auch die mittelzentralen Versorgungsfunktionen der Mittelzentren zu respektieren.

    Das zentralörtliche Gliederungssystem hat sich als Ordnungsmodell für eine Arbeitsteilung bei der Versorgung des gesamten Raumes grundsätzlich bewährt. Es soll daher auch weiterhin ein zentrales, landesplanerisches Steuerungskriterium für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten bleiben.

    In bestimmten Fällen, inbesondere in polyzentrischen Verdichtungsräumen und bei sich überlappenden Verflechtungsbereichen mehrerer Gemeinden, ist allerdings allein mit dem zentralörtlichen Gliederungssystem eine sinnvolle Steuerung und Abstimmung der Einzelhandelsentwicklung zwischen den Kommunen nicht mehr zu gewährleisten. Hier sollten landesplanungs- und Regionalplanungsbehörden konsensuale Abstimmungen zwischen den betroffenen Städten und Gemeinden über die Standorte bestimmter Einzelhandelsgroßvorhaben respektieren. Dies gilt insbesondere für Großprojekte mit nichzentralrelevanten Kernsortimenten, wie z.B. bei großen Möbel- und Einrichtungshäusern, deren Einzugsbereich ohnehin schon in der Regel über die jeweiligen Versorgungsbereiche des zentralörtlichen Gliederungssystems weit hinausgeht.

    Eine auf der Grundlage freiwilliger und gleichberechtigter interkommunaler bzw. regionaler Zusammenarbeit abgestimmte Ansiedlungsentscheidung begründet eine Vermutung für einen situationsgerechten Interessenausgleich. Die Regionalplanung sollte nur dann von einer Konsenslösung abweichen dürfen, wenn diese eindeutig und nachweislich den o.g. Steuerungszielen widerspricht.

  2. Einzelhandelsgroßprojekte sollten überdies grundsätzlich nur an städtebaulich integrierten Standorten, also innerhalb der zentralen Versorgungsbereiche bzw. der Siedlungsschwerpunkte, zugelassen werden.

    Der Einzelhandel mit zentrenrelevanten Kernsortimenten gehört grundsätzlich in die Zentren der Städte und Gemeinden. Hierbei sollen kerngebietstypische Sortimente für die mittel- und oberzentrale Versorgung in den Innenstädten (ggf. auch bei größeren Städten in den Stadtteilzentren) vorgehalten werden, während die Grundversorgung wohnungsnah in möglichst kompakten Grundversorgungszentren zu gewährleisten ist.

    Außerhalb dieser Versorgungszentren sollte allenfalls der großflächige Einzelhandel mit nichtzentrentypischen Kernsortimenten (z.B. Möbelhäuser, Bau- und Heimwerkermärkte, Gartencenter und Autohäuser) durch entsprechende Sondergebietsfestsetzungen ermöglicht werden. Auf eine räumlich funktionale Zuordnung zu den Versorgungsbereichen sollte aber auch bei diesen Sondergebieten nicht verzichtet werden.

    Um eine zentrenschädliche Entwicklung dieser Betriebe durch ständige Sortimentsausweitungen zu verhindern, sind zentrentypische Sortimente als Hauptsortimente auszuschließen sowie als Neben- und Randsortimente qualitativ und quantitativ über Sortimentsbindungen bei der Festsetzung derartiger Sondergebiete und auch bei der Genehmigung der entsprechenden Vorhaben einzugrenzen.

 

  1. Den Städten und Gemeinden wird empfohlen, zur Sicherstellung der o.g. Ziele kommunale Zentrenkonzepte aufzustellen. Aufgrund einer Analyse der Angebots- und Nachfragestruktur im Bereich von Einzelhandel und Dienstleistungen können Entwicklungsziele aufgezeigt sowie Leitbilder und Strategien entwickelt werden. Besonders wichtig sind die räumlichen Festlegungen von Standorten der wohnungsnahen Grundversorgung (Kleinzentren, Grundzentren, Neben- bzw. Stadtteilzentren) sowie der Kerngebiete in der Innenstadt für mittel- und oberzentrale Versorgungsfunktionen sowie der Sondergebiete für den großflächigen Einzelhandel mit nichtzentrenrelevanten Kernsortimenten. Solche Konzepte können außerdem Arbeitsprogramme für die Bauleitplanung sowie bestimmte Verfahrensregelungen ("Zentrenverträglichkeitsprüfung" von Großvorhaben) beinhalten.

    Diese Zentrenkonzepte bilden die Grundlage für eine konsequente Anwendung des städtebaurechtlichen Steuerungsinstrumentariums (insbesondere § 11 Abs. 3 sowie § 1 Abs. 4 bis 10 Baunutzungsverordnung). Ein derartiges Zentrenkonzept ist auch Grundlage für die Beurteilung strukturrelevanter Einzelhandelvorhaben. Es vermittelt darüber hinaus dem Einzelhandel in den Zentren die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit, um sich im Konkurrenzkampf mit dem Einzelhandel außerhalb der Zentren behaupten zu können.
  2. Die Städte und Gemeinden sind des weiteren aufgerufen, das Gebot der interkommunalen Abstimmung (§ 2 Abs. 2 Baugesetzbuch ) ernst zu nehmen und sich möglichst auf eine interkommunale oder regionale Abstimmung bei der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsvorhaben zu verständigen. Eine faire und interessengerechte Arbeitsteilung bei der Versorgung der Bevölkerung im jeweiligen Gesamtraum nutzt allen Kommunen und vor allem ihren Bürgern. Wenn hingegen einzelne Kommunen versuchen sollten, Einzelhandelsgroßbetriebe unter Mißachtung der o.g. Steuerungsziele anzusiedeln, würden sie damit die Zentren anderer Gemeinden und Städte gefährden, die kommunale Solidarität zerstören und die Ziele einer optimalen Versorgung der Gesamtbevölkerung, einer positiven Entwicklung der Stadt- und Ortszentren sowie der Vermeidung unnötigen Einkaufsverkehrs und Flächenverbrauchs unterlaufen.

    Optimal sind regionale Entwicklungskonzepte als Ergebnis freiwilliger Zusammenarbeit der Kommunen. Regionale Zentrenkonzepte als bindende, regionalplanerische Vorgabe von oben auszugestalten oder sie zur zwingenden Voraussetzung für die Bauleitplanung zu machen, greift unzulässig in die kommunale Planungshoheit ein und wird daher strikt abgelehnt.

Az.: III/3 611 – 23

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