Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 299/2020 vom 21.04.2020

OVG Thüringen: Gemeindliche Gestaltungssatzung setzt der Anbringung einer Solaranlage Grenzen

Das OVG Thüringen hat mit Urteil vom 21.08.2019 – 1 KO 88/16 – entschieden, dass eine gemeindliche Gestaltungssatzung zum Schutz des Ortsbilds bestimmen kann, Solaranlagen so anzuordnen, dass sie vom angrenzenden öffentlichen Straßenraum aus nicht einsehbar sind.

Sachverhalt

Der Eigentümer (E) eines bebauten Grundstücks hat auf diesem (genehmigungsfrei) 22 Module einer Photovoltaik auf den Dachflächen seines Hauses angebracht. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer gemeindlichen Gestaltungssatzung. Dort ist unter anderem geregelt, dass „Solaranlagen so anzuordnen sind, dass sie vom angrenzenden öffentlichen Straßenraum aus nicht eingesehen werden können“. E hat die nachträgliche Erteilung einer Abweichung von der vorgenannten Regelung der Gestaltungssatzung beantragt und nach Ablehnung insoweit erfolglos Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Die Gestaltungssatzung stehe der Erteilung der beantragten Abweichung entgegen.

Entscheidung

Das Rechtsmittel des E bleibt ohne Erfolg. Grundsätzlich könne die Gemeinde zwar bei verfahrensfreien Bauvorhaben Abweichungen von den Anforderungen ihrer örtlichen Bauvorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, vereinbar seien.

Die Regelung der Gestaltungssatzung stehe aber einer Abweichung entgegen. „Angrenzende öffentliche Straßenräume" seien dabei alle öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, die unmittelbar am Baugrundstück liegen. Eine „Einsehbarkeit“ sei dann anzunehmen, wenn die Anlage für einen Durchschnittsbetrachter bei Tage von einem Standort im öffentlichen Verkehrsraum aus wahrnehmbar sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Bedenken an der Wirksamkeit der Satzung gäbe es nicht. Diese sei von der Ermächtigungsgrundlage in der Landesbauordnung gedeckt. Das gelte speziell deshalb, da die Regelung nicht vorrangig städtebaulichen oder denkmalschützenden Zielen diene.

Auch gelte die Gestaltungssatzung nicht unterschiedslos für das gesamte Gemeindegebiet, sondern differenziere mit Blick auf eine sich ergebende unterschiedliche Schutzbedürftigkeit beim räumlichen Geltungsbereich. Die Satzung trage mit der Gebietsabgrenzung und der streitgegenständlichen Regelung auch den Anforderungen des Abwägungsgebots hinreichend Rechnung. Die maßgeblichen Erwägungen für den Satzungserlass fänden sich in den Grundzügen der Gestaltung, die erkennen lassen, aus welchen Gründen der Satzungsgeber sich veranlasst gesehen habe, die in den einzelnen Bestimmungen enthaltenen gestalterischen Regelungen zu treffen.

Die entsprechenden Ausführungen sowie die einzelnen Satzungsbestimmungen ließen auch eine hinreichende Abwägung mit den insbesondere durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Belangen der einzelnen Grundstückseigentümer erkennen. Für eine Abweichung bestehe bereits deshalb kein Raum, weil die Anlage an einer besonders exponierten Stelle liege und vom öffentlichen Straßenraum aus gut einsehbar sei. Lägen somit schon die Tatbestandsvoraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung nicht vor, stelle sich die Frage, ob die Gemeinde ein ihr zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe, nicht mehr.

Anmerkungen StGB NRW Das Urteil hat gerade für Städte und Gemeinden eine hohe praktische Relevanz. Denn nach der BauO NRW können viele bauliche Anlagen genehmigungsfrei errichtet werden. Dennoch gibt es von den Städten und Gemeinden näher gestaltbare Vorschriften des öffentlichen Baurechts und insbesondere Gestaltungssatzungen, aus denen sich eine Unzulässigkeit für die bauliche Anlage ergibt. Da dies die zuständige Genehmigungsbehörde berechtigt, eine Beseitigungsverfügung zu erlassen, stellt sich wiederum die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige kommunale Satzungen angreifbar sind bzw. wann die Möglichkeit einer Abweichung von Gestaltungssatzungen besteht. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Letzteres in der Regel nicht der Fall sein dürfte, wenn deren eindeutiger Wortlaut dem entgegensteht. Damit stärkt das Urteil in erfreulicher Weise kommunale Gestaltungsspielräume, die der spezifischen Situation vor Ort Rechnung tragen.

Az.: 20.3.1.3-016/001 St

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