Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 296/2016 vom 20.04.2016

OVG Sachsen zur Rücksichtnahme im unbeplanten Innenbereich

Das OVG Sachsen hat sich mit Beschluss vom 16.06.2015 — 1 A 556/14 — zum Rücksichtnahmegebot im unbeplanten Innenbereich geäußert. Das Gebot der Rücksichtnahme gebe dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung könne erst bejaht werden, wenn vom Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung - z. B. erdrückende Wirkung oder übermäßige Immissionen - ausgeht. Ob dies der Fall ist, sei im Wege einer Gesamtschau, die den konkreten Einzelfall in den Blick nimmt, zu ermitteln.

In einem unbeplanten Innenbereich mit dem Charakter eines faktischen allgemeinen Wohngebiets und mit überwiegend fünfgeschossigen Gebäuden in geschlossener Bauweise wurde eine Baulücke geschlossen. Das neue Vorhaben war sechsgeschossig mit Balkonen zum Innenhof; diese hielten die Abstandsflächen nicht ein, weshalb zusammen mit der Baugenehmigung wegen des Ausnahmecharakters der Grundstückssituation hinsichtlich § 6 SächsBO eine Abweichungsgenehmigung erteilt wurde.

Hiergegen wandte sich eine Nachbarin und machte geltend, hinsichtlich des Lichteinfalls in den angrenzenden Räumlichkeiten unzumutbar beeinträchtigt zu werden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage nach Ortsbesichtigung unter Verweis auf eine außergewöhnliche Grundstückssituation ab; die Belichtung im Innenhof sei auch bereits vorher beeinträchtigt gewesen und mit einer Schließung der Baulücke habe gerechnet werden müssen. Die Klägerin stellte daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO.

Vor dem OVG blieb der Zulassungsantrag erfolglos. Aufgrund der Darlegungen der Klägerin sei Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Nr. 5 VwGO nicht erkennbar. Sie habe sich mit ihrem Vorbringen nicht hinreichend mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt und im Übrigen ihre Einschätzung insoweit auch nicht ausreichend begründet. Im unbeplanten Innenbereich gebe es keinen Nachbarschutz außerhalb des Rücksichtnahmegebots.

Dieses schütze jedoch erst dann, wenn eine Abwägung der beteiligten Interessen im Einzelfall ergibt, dass die Nachbarinteressen unzumutbar beeinträchtigt werden. Das könne nur im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau aller Umstände beurteilt werden. Eine gegebene Vorbelastung vermittele keinen Schutz vor weiteren Beeinträchtigungen, sondern sei im Gegenteil als maßgebende Vorprägung zu berücksichtigen. In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen mit ungünstigen Grundstückszuschnitten könne es eine festzustellende atypische Grundstückssituation erfordern, Abweichungen auch von der Einhaltung gebotener Abstände zuzulassen.

Anmerkung

Bemerkenswert sind die erheblichen Anforderungen, die das OVG an die Darlegung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO stellt. Danach muss der Nachbar zum einen seine persönliche Sicht auf das Bauvorhaben darstellen. Zum anderen muss er sich auch mit den Gründen und Erwägungen beschäftigen, aus denen sich die Bewertung der Vorinstanz ergab. Der Klägerin wird hier etwa vorgehalten, dass sie zwar bemängelt habe, durch das sechste Geschoss sei ihre Wohnung nicht mehr ausreichend natürlich belichtet.

Sie habe aber nicht gleichzeitig ausgeführt, welches Ausmaß diese Beeinträchtigung erreicht habe und welche Gründe für die Unzumutbarkeit der Situation in Betracht kommen. Nicht konkret genug war dem OVG hier, dass die Klägerin vortrug, in den betreffenden Räumen ihres Gebäudes nur noch mit künstlichem Licht arbeiten zu können.

Az.: 20.1.1.8-003/001

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